Bewertung

Review: #1.13 Bulletville

Foto: Walton Goggins, Justified - Copyright: Sony Pictures Television
Walton Goggins, Justified
© Sony Pictures Television

Im Vergleich zu den vergangenen Episoden wird das Finale beinahe ein wenig zu temporeich erzählt. Die Folge gibt einige Antworten, stellt kaum Fragen. Dafür dürften die Action-Fans wieder auf ihre Kosten kommen. Schusswechsel gibt es nämlich reichlich.

"What do you think?"

Höhepunkt und für mich größte Überraschung war Boyd, denn das Geheimnis wird letzten Endes gelüftet – Raylans großer Widersacher hat wohl tatsächlich seine göttliche Erleuchtung nicht gespielt. Sein Entsetzen, als sein Vater seine "Schäfchen" umbringt, ist ebenso echt wie die Verzweiflung, die er im Gebet zeigt. Boyd hat den Weg, den er gerade erst für sich entdeckt hat, wieder verloren. Dennoch schafft er es irgendwie, die Ruhe, die ihn irgendwie ausmacht, zu bewahren. Selbst dann noch, als er innerlich bereits vollkommen auf Rache eingestellt ist und rund um ihn herum die Hölle losbricht.

Walton Goggins muss alles aus sich herausholen, um seiner Rolle die Tiefe zu geben, die man als Zuschauer eher fühlt als wirklich sieht und wieder einmal gelingt ihm das ohne große Schwierigkeiten. Sei es die Aussprache mit Ava, die Konfrontation mit seinem Vater, die Beerdigungs-Szene im Wald oder das Gespräch mit Raylan – die Szenen mit Goggins sind ausnahmslos kleine Juwele und nach einer Staffel hat sich meine anfängliche Meinung über Boyd bestätigt und ich bin immer noch froh, dass Raylans Kugel in der ersten Folge ihr Ziel verfehlt hat.

Die Chemie mit Raylan bleibt nach wie vor einzigartig, die Beziehung zwischen ihm und Boyd unbeschreiblich. Man könnte es vielleicht Hass-Liebe nennen, aber das wäre einerseits zu abgedroschen, andererseits nicht passend, um die verschiedenen unterschiedlichen Nuancen dieser ungewöhnlichen Freundschaft einzufangen. Dass Boyd Raylan am Ende sagt, dass er darauf vertraut, dass Raylan der einzige Freund ist, der ihm geblieben ist, während er den Marshal mit einer Waffe bedroht, schlägt dem Fass den Boden aus. Raylans Reaktion darauf, das gespielte Abfeuern seiner Waffe und die Musik im Hintergrund – viel besser kann die Schlussszene einer Staffel gar nicht sein. Und wenn die ganze Serie unerträglich schlecht wäre, Raylan und Boyd würden mich vermutlich zum Einschalten zwingen…

"You'll Never Leave Harlan Alive"

Zum Glück hat "Justified" aber noch mehr zu bieten, als nur die Beziehung zwischen den Marshal und seinem Jungendfreund. Zum Beispiel die Beziehung zwischen dem Marshal und seinem Vater. Arlo Givens entwickelt sich beinahe zum Hassobjekt Nummer Eins. Wie kann man nur derartig über Leichen gehen? Konkret – über die Leiche seines eigenen Sohnes? Die Ironie, dass Arlo auf Bo Crowders Geheiß seinen eigenen Sohn umbringen will, obwohl Bo selbst die Hand gegen seinen eigenen Sohn nicht zu richten vermag, sondern diese Drecksarbeit von seinem Neffen erledigen lässt, ist nicht zu übersehen. Die beiden "großen Väter" der Serie mausern sich zu Eisbergen, einer kälter und klobiger als der andere.

Gut, Bo Crowder scheint Geschichte zu sein, denn ich glaube nicht, dass er den Schusswechseln am Ende überlebt hat. Arlo darf noch ein wenig weiteratmen, aber den Schuss vor den Bug dürfte er zumindest verstanden haben. Die Kugel hat er auf jeden Fall verdient. Kurz bevor man den eigenen Sohn zur Schlachtbank führt mit diesem noch über die verstorbene Mutter zu plaudern, grenzt an Grausamkeit und Raylans Reaktion auf den Verrat seines Vaters, den er von Anfang an kommen gesehen hat, zerreißt einem fast das Herz. Sollten in mir noch Restzweifel bestanden haben, ob ich den alten Fuchs nicht doch irgendwie sympathisch finden kann, so hat sich das jetzt wohl endgültig erledigt.

Miami

Ein durchaus wichtiger Aspekt der Folge rückt angesichts der starken kleineren Szenen beinahe in den Hintergrund – Raylans Vergangenheit in Miami holt ihn offenbar immer wieder ein und immer wieder in Form von Leuten, die nicht aus Miami selbst stammen, sondern aus Raylans Heimat. Das ist verworren und fügt sich nahtlos ins Gesamtkonzept der Serie ein. Wenn man sich daran zurückerinnert, wie Raylan in der Eingangsszene der Serie seine erste Kugel abgegeben hat – Wer hätte mit so tiefgreifenden Konsequenzen gerechnet? Und noch ist die Sache ja nicht aus der Welt. Heimlich frage ich mich da natürlich schon, wie viele Kugeln noch ihr Ziel finden müssen, bevor diese Geschichte ihr Ende findet.

Fazit

Nach dem Piloten habe ich eine Actionserie mit interessanten Charakteren erwartet. Nach dem Staffelfinale gewinnt mir diese Erwartung nur noch ein müdes Lächeln ab. Natürlich, "Justified" gibt sich manchmal schnell und actionreich, im Grunde bietet uns die Serie aber eine Vielzahl von sehr fein nuancierten Charakterstudien. Die Protagonisten werden immer wieder aufs Neue gezwungen, ihr eigenes Extrem zu werden und als Zuschauer wird an von der Serie aufgefordert, ständig neu zu denken und weiterzudenken. Die Geschichte um Raylan Givens wird einem nicht aufgezwungen, man muss sie selbst entdecken. Und wie tief man dabei geht, bleibt einem zu jeder Zeit selbst überlassen. Die Erwartungen für die zweite Staffel sind hoch. Nach diesem Staffelfinale bezweifle ich, dass man sie enttäuschen wird.

Eva Kügerl – myFanbase

Die Serie "Justified" ansehen:


Vorherige Review:
#1.12 Väter und Söhne
Alle ReviewsNächste Review:
#2.01 Schwarzbrenner

Diskussion zu dieser Episode

Du kannst hier oder in unserem Forum mit anderen Fans von "Justified" über die Folge #1.13 Bulletville diskutieren.