Bewertung
Rian Johnson

Glass Onion: A Knives Out Mystery

Foto: Glass Onion - A Knives Out Mystery - Copyright: 2022 Netflix, Inc.
Glass Onion - A Knives Out Mystery
© 2022 Netflix, Inc.

Inhalt

Techmillardär Miles Bron (Edward Norton) lädt seine engsten Freunde auf eine einsame griechische Insel ein, um mit ihnen an einem Wochenende ein Murder-Mystery-Spiel zu absolvieren. Unter den Gästen ist aber auch überraschend der Detektiv Benoit Blanc (Daniel Craig), was alles durcheinanderbringt. Während die Geschehnisse so langsam ihren Lauf nehmen, zeigt sich aber, dass auch das wahre Verbrechen auf der Insel eingekehrt ist. Doch wer soll umgebracht werden? Und warum?

Kritik

Den im Kino erfolgreichen ersten Teil rund um Benoit Blanc, "Knives Out: Mord ist Familiensache", habe ich erst vor kurzem extra für diese Neuerscheinung nachgeholt und habe mich definitiv sehr unterhalten gefühlt. Da schon im Vorfeld klar war, dass bis auf Craig der Cast einmal ausgetauscht werden würde, war ich gespannt, wie sich die Darstellung von Blanc entwickeln würde, da er eben der Fixpunkt dieser bislang dreiteilig geplanten Filmreihe ist. Ich fand es zwar schon im ersten Film amüsant, dass der geniale Kopf Blanc nicht als überheblich oder arrogant inszeniert wurde, sondern dass er bei seinem Talent, irgendwann hinter alle Mysterien zu kommen, immer menschlich und nahbar bleibt. Deswegen braucht er für manche logischen Rückschlüsse auch mal länger, aber am Ende kommt er dann immer bei 100% Treffersicherheit aus. Trotz dieser Art fand ich Craig als Blanc in der ersten Verfilmung noch nicht so dominant und herausstechend, wie ich das im Vorfeld vermutet hätte, weswegen ich auf die Eindrücke in "Glass Onion" doch sehr gespannt war. Es ist augenscheinlich, dass der Linie treu geblieben wird. Blanc bleibt in seiner Art weiterhin sehr nahbar, es gibt kleine Andeutungen zu seinem Privatleben (Hugh Grant lässt grüßen!) und so wird auch ein Mann in einer gewissen Krise gezeigt, der von den Rätseln des Lebens abhängig ist und sie wie die Luft zum Atmen bleibt. Als er dann in das Abenteuer nach Griechenland startet, da kommt er manches Mal etwas unbeholfen her, im sozialen Austausch speziell, aber man ahnt, sein Gehirn läuft wieder auf Hochtouren und er genießt jeden Moment davon. Mir hat dieser zweite Teil also definitiv geholfen, ihn als Figur besser packen zu können, weil sich eben auch die ersten Eindrücke manifestiert haben und sie einfach noch mit dem ein oder anderen Detail mehr ausgearbeitet werden. Vielleicht ist es sogar auch gut, dass ich Craig als James Bond maximal in Trailerausschnitten erlebt habe und daher keine Vergleiche anstelle, aber so oder so merkt man auch deutlich, dass er diese Rolle genießt und groß aufspielt.

Auch ansonsten ist der Cast wieder voll von bekannten Namen, wie das auch schon im ersten Teil der Fall war. Dort wie hier muss ich aber sagen, dass die Charakterarbeit in den meisten Fällen oberflächlich bleibt, auch weil der generellen Botschaft entsprechend lieber mit Klischees gearbeitet wird. Dazu aber später mehr. Ich hatte schon im ersten Teil herausgestellt, dass es dennoch sinnig war und ist, Rollen wie Claire (Kathryn Hahn), Lionel (Leslie Odom Jr.), Birdie (Kate Hudson) und Duke (Dave Bautista) so prominent zu besetzen, denn die oft völlig übertriebenen Momente, die sie schauspielerisch geschenkt bekommen, die müssen dann eben auch sitzen. Zwar könnte ich über die genannten Figuren keine ausführlichen Charakteressays schreiben, aber es wird deutlich, dass das auch gar nicht wirklich Rian Johnsons Intention ist. Deswegen ist der Film auch gespickt von Cameo-Auftritten, wie beispielsweise eben zu Beginn, als der von der Pandemie gefrustete Blanc das damals mit Hype versehene Spiel "Among Us" in der Badewanne zwischen hat und zu seinen Spielgefährten zählen Kareem Abdul-Jabbar, die inzwischen verstorbenen Stephen Sondheim und Angela Lansbury sowie Natasha Lyonne. Alle vier haben eine Verbindung zu Agatha Christie, die mit ihrer Stilistik Johnson inspiriert hat. Man merkt hieran sicherlich auch deutlich, dass der Film auch auf einer Meta-Ebene ein großes Wirken hat, weswegen die Charakterarbeit im Detail nicht zu den Stärken (und eben auch Absichten) des Films zählt.

Dennoch stechen eben neben Blanc zwei Figuren im Speziellen heraus, wie es auch schon im ersten Teil der Fall gewesen ist. Hier sind es eben Miles und Andi/Helen Brand (Janelle Monáe). Zu Ersterem ist nun wiederholt zu lesen, dass er wie eine Parodie auf Elon Musk erscheint, was aber tatsächlich eher zufällig ist, da dieser erst in diesem Jahr so richtig heiß gelaufen ist, während die Produktion an "Glass Onion" aber schon 2021 abgeschlossen wurde. Dennoch ist der Vergleich durchaus passend, denn Miles, der wirklich toll von Norton gespielt ist, inszeniert sich gerne als heller und innovativer Kopf, doch eigentlich ist er das völlige Gegenteil und entspricht eher der Bauernschläue, wie man es im Volksmund da nennt. Ich will inhaltlich nicht zu sehr vorweggreifen, aber es war herrlich, als Blanc mal so eben das von Miles inszenierte Murder-Mystery-Spiel knackt und damit das ganze Wochenende obsolet macht oder wenn er später immer wieder betont, wie unverschämt dumm das alles doch war. Man darf Miles sicherlich nicht unterschätzen, aber es war durchaus komisch, wie Blanc sich schließlich rechtfertigt, nicht auf alles direkt gekommen zu sein, weil er einfach mit einem so simplen Rätsel nicht gerechnet hatte und komplex gedacht hat. Bei Andi wiederum hatte ich den Eindruck, dass sie das Äquivalent zu der im ersten Teil auftauchenden Ana de Armas, die Marta dargestellt hat, ist. Sie ist zwar nicht sofort das emotionale Zentrum des Films, weil sie zunächst wie die Eiskönigin inszeniert wird, die zu allen offenbar eine ambivalente Verbindung hat, aber das Bild wandelt sich später und mit ihr und Blanc gleiten wir durch das Geschehen. Monáe ist definitiv auch ein Gewinn für diesen Film.

Bereits der bisherige Rezensionsverlauf verrät vermutlich schon, dass sich die beiden Rätselabenteuer von Blanc in ihrer Ausgestaltung nicht groß unterscheiden. Da der Film vorab schon in ausgewählten Kinos seit Ende November zu sehen war, hatte ich immer wieder den Eindruck, dass viel mehr von komödiantischer Unterhaltung die Rede war. Das ist eine Beobachtung, die ich so extrem nicht teilen kann. Ich fand auch schon, dass der erste Teil nicht bierernst war und das gilt eben genauso beim zweiten Teil, aber es verwundert eben auch nicht, denn das Spiel mit Klischees wird oft schnell lustig-charmant. Zwar ist durch die ganzen kleinen Verweise, die Cameos etc. sicherlich noch einmal eine Schippe draufgelegt worden, doch eine klassische Schenkelklopfer-Komödie ist es damit wahrlich nicht. Die Filmreihe zeichnet sich für mich eher durch intelligenten Humor aus. Im ersten Teil wurde eine dysfunktionale Familie parodiert, hier ist es eine oberflächliche Gesellschaftsschicht, die nur auf den äußeren Schein aus ist und sich durch die Attitüde von Miles, die aber nur einem Luftschloss gleicht, blenden und einspannen. Claire ist da die aufstrebende Politikerin, die Wahlversprechen macht, die auf Miles' Erfolgen basieren, doch es ist eine tickende Zeitbombe. Duke hofft, endlich von seinem Freund vor die Kameras als Reporter gezerrt zu werden und Birdie will auch weiter etwas vom Ruhmestopf abhaben. Die Figuren sind somit alle keine wirklich eigenen Menschen, weil sie sich auf eine starke Persönlichkeit in ihrem Leben verlassen, die ihnen den Weg vorgibt. Auch die Pandemie wird gleich mitverarbeitet, denn es geht mitten im Lockdown los und auf der Insel gibt es mal eben ein Wunderheilmittel gespritzt und da war der Spuk auch schon wieder vorbei. Auch wenn ich bezweifle, dass Johnson die Pandemie damit runterspielen wollte, so hat es gleichzeitig doch auch zur Gesamtbotschaft des Films gepasst.

Im ersten Teil hat mich im Speziellen der Aufbau des Mordfalls fasziniert und unterhalten. Das bleibt auch diesmal erhalten, aber vielleicht zu sehr? Dabei ist es noch nicht mal eine einwandfreie Kopie, denn der Film startet nicht mit einem Mordfall, stattdessen geht es eigentlich zunächst um Miles' Spiel und ich fragte mich dann auch eher, was passiert denn jetzt noch? Zwischendurch wurde suggeriert, dass es darum gehen soll, dass Miles umgebracht werden soll und Blanc einfach den Mord aufklärt, bevor er überhaupt passiert ist. Dennoch kommt alles anders. Genau das rechne ich "Glass Onion" auch hoch an, denn die Überraschungsfaktoren sind wieder geliefert worden. Dennoch war es auch augenscheinlich, wie durch diesen Vergleich zwischen Andi/Marta mit Wiederholung gearbeitet wird. Denn sie waren jeweils der Kern, wo die Handlung den größten Wendepunkt erlebt und wo sich das bislang Geglaubte einfach in Luft auflöst, um von dort wieder ganz neu zusammengesetzt und aufgelöst zu werden. Ja, es hat mich wieder überrascht, ja, es war wieder unterhaltsam, aber der Gedanke war eben da, war dieser besondere Kniff so kopiert nötig? Denn der ganze restliche Aufbau hat gezeigt, dass die Stilistik von Agatha Christie sehr kreativ neu ausgerichtet werden kann und da bin ich überzeugt, dass Johnson es sicher geschafft hätte, auch hier noch ein anderes Mittel der Wahl zu finden. Dennoch ist das jetzt eine Anmerkung auf hohem Niveau, denn Drehbuchautor und Regisseur liefert alles in allem wieder ab.

Fazit

"Glass Onion: A Knives Out Mystery" ist wieder eine hochwertige, intelligent erzählte Krimikomödie, bei der sich Daniel Craig als Benoit Blanc weiter profilieren konnte, während auch der restliche Cast zu einem Gesamtvergnügen beiträgt. Statt der Familie wird diesmal ein Gesellschaftsausschnitt aufs Korn genommen und zum Miträtseln gibt es erneut Stoff genug. Für mich dennoch keine Steigerung zum ersten Teil und die Minikritik, dass es an einem wichtigen Punkt zu gleich geblieben ist. Dennoch bin ich schon jetzt sehr auf die dritte Verfilmung gespannt.

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Lena Donth - myFanbase
25.12.2022

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