Review: #3.11 Barfuß in Capeside
Nach dem Trip zur Uni also die erwartungsgemäß folgende Episode mit dem Schließen der neuen Bekanntschaften. Doch diese Episode beinhaltet weit mehr als das: Sie beschäftigt sich dabei auch mit Dawsons Familiensituation, seinem Verhältnis zu Joey, dem Verhältnis zwischen Pacey und Andie soweit nicht zuletzt mit Jen und Henry.
Mit Nikki schufen die Autoren einen Charakter, der wirklich außergewöhnlich auffällige Parallelen zu Dawson aufzeigte: Das Filmemachen, die Familiensituation. Erwartungsgemäß kommt es also auch zu Reibungen - sie waren bereits abzusehen. Überraschend ist jedoch, dass das Verhältnis zu Nikki nicht großartig weiterverfolgt wird. Sie ist plötzlich nur noch Mittel zum Zweck, um Dawson aus seinem Zweckoptimismus wachzurütteln, womit die Autoren seit einiger Zeit mal wieder die Überraschung auf ihrer Seite haben, ohne - wie in der letzten Episode - die Grenzen der Glaubwürdigkeit bis zum letzten auszureizen.
Und so steht statt Nikki also Dawson im Vordergrund. Und seine Probleme sind uns wohl bekannte, nämlich seine familiäre Situation sowie das Verhältnis zu Joey, dessen Anspannung auch recht deutlich wird. Man merkt, dass zwischen den beiden ein enormes Konfliktpotential herrscht, das sie immer mehr voneinander abdriften lässt und das nur durch Totschweigen in den letzten Episoden halbwegs überwunden, eher aber verdrängt werden konnte.
Gleiches gilt für die Scheidung von Dawsons Eltern. Seine kindlich perfekte Phantasiewelt von der heilen Familie und der immer zuhörenden Freundin von der anderen Seite des Flusses stürzt in sich zusammen, was man durch das Abhängen der Filmposter nicht besser hätte symbolisieren können, die immerhin bislang eines der Hauptmerkmale von ihm waren. Wenn man schon etwas weiter in die Zukunft interpretiert, könnte man fast meinen, dass hier schon der Beginn der tiefen Identitätskrise vorzufinden ist. Aber dazu sollen uns die gegenwärtigen Probleme im Moment noch zu sehr beschäftigen.
Ebenfalls ein wohlbekanntes Problem ist das Verhältnis zwischen Pacey und Andie. Dass beide sich in ein Theaterstück flüchten, soll uns nicht zu sehr überraschen, weil Andie für ihren Arbeitswahn in Krisensituationen bekannt ist und Pacey es aufgrund der schon vor zwei-drei Episoden angesprochenen schulischen Schwäche nötig hat.
Klar wird, dass sich zwischen diesen beiden Charakteren wirklich tiefgreifend etwas geändert hat. Pacey hat sich vom treu umsorgenden Freund in den sich nicht irritieren Lassenden zurückverwandelt, während Andie wieder arbeitsbesessen und schnellredend wie eh und je ist. Die Beziehung ist also endgültig beendet, doch mit der Ausgangssituation am Anfang der zweiten Staffel hat das neue Verhältnis auch nicht viel zu tun. Die knisternde Spannung zwischen beiden, die durch bewusste Sticheleien entstand, weicht der Nüchternheit und der Kühle des Vorgehens. Am Ende geht man zwar wieder vernünftiger miteinander um, als noch am Anfang der Episode, aber man lässt wirklich keinerlei Interpretationsspielraum für eine erneute Annäherung aufkommen. Eine handlungsseitig wie darstellerisch reife Leistung, da das neue Verhältnis wirklich nur indirekt, aber eindeutig, übermittelt wird.
Aufgegriffen wird in dieser Episode auch wieder Henry, der ja nach seinem Laufpaß durch Jen zunächst von der Mattscheibe verschwinden sollte. Nun ist er wieder da und dieses Mal rennt Jen hinter ihm her. Fraglich ist, woher auf einmal der Sinneswandel von Jen kommt. Analysiert man ihren Charakter über die gesamte Serie hinweg, könnte es einen Lösungsansatz dafür geben, da die Situation mit Dawson ähnlich war. Als Dawson noch um Jen bemüht war, wies sie ihn ab. Kaum wendete er sich am Ende der 1. Staffel Joey zu, trat Jen in Erscheinung und trauerte um Dawson. Weiß Jen also die Tatsachen immer erst zu schätzen, wenn es zu spät ist, bzw. sie ihnen hinterherlaufen muss? Diese Vermutung liegt nahe und doch beantwortet sie die Frage nicht vollständig.
Und zuguterletzt wäre da natürlich Jack. Jack erhält eine Absage, womit man sich wieder einmal aus der Verlegenheit befreien konnte, das akut zu machen, was man stets vermeiden wollte. Es scheint fast so, als wären die Autoren irgendwie unglücklich mit seiner Entwicklung, was sich ganz klar durch den Charakter von Jack äussert, der auch nicht so richtig weiß, wie es weitergehen soll. Zumindestens macht man ganz kleine Fortschritte. Doch wohin will uns die Serie mit diesem Thema noch führen? Hin zur Gesellschaftskritik? Der Verdacht liegt nahe, dass sich die Serie möglicherweise doch etwas überhoben hat, indem sie Jack homosexuell machte, da damit ein Thema aufgegriffen wird, dass man einfach nicht auf eine Selbstverständlichkeit reduzieren kann, so wie es z.B. die Liebe zwischen Dawson und Joey ist. Und so wird ewig das Zerrede und das Diskutieren darüber bleiben. Es steht zu befürchten, dass man in diesem Thema einfach nicht weiterkommen kann. Doch was tun?
Nach alledem fehlt jetzt nur das Urteil über die Episode. "Barfuß in Capeside" ist zwar eine durchaus gute Episode, jedoch auch wiederum keine alles übertreffende Episode, so wie wir selbige oft in der zweiten Staffel vorfanden. Der Grund dafür ist einfach wie gravierend: Es geht einfach nur noch bergab. In den Stimmungstiefs der zweiten Staffel blieb immer die Hoffnung und vor allen Dingen die Ungewißheit, dass sich alles kurzfristig zum guten wenden könnte. Dies haben wir in der dritten Staffel in den Grundkonstellationen Dawson/Joey sowie Pacey/Andie nicht mehr.
Dawson liegt am Boden und reisst schon seine Poster von der Wand, Joey versucht möglichst lächelnd durch ihr trist eintöniges Leben zu gehen, Pacey überspielt alles mit seiner Schlagfertigkeit und Andie flüchtet sich in der Arbeit. Viel mehr aber noch: Es gibt keine knisternden Momente zwischen den Charakteren mehr. Keine lösenden Aussprachen, die wirklich einen Schritt nach vorne bedeuten und keine Anspielungen, die dann letztlich doch positiv gemeint sind. Zumindestens momentan durchlebt die Serie eine Depression. Nicht, dass diese nicht angebracht wäre - immerhin kann es auch im realen Leben nicht immer so weitergehen -, doch der Serie hilft sie nicht weiter. Der Zuschauer begibt sich in die freudige Erwartung, dass möglicherweise neue Konstellationen kurzfristig kommen werden, womit zwar einerseits eine neue Richtung geschaffen ist, aber der Zerfall gleichzeitig abgewendet werden kann.
Malte Kirchner
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Informationen zur Episode
Englischer Titel: Barefoot At CapefestErstausstrahlung (US): 12.01.2000
Erstausstrahlung (DE): 10.12.2000
Regie: Jan Eliasberg
Drehbuch: Bonnie Schneider & Hadley Davis
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