Review: #12.12 The Good Shepherd
Nachdem man die elfte Staffel für Dante Torres quasi komplett einmal streichen konnte, ist der Turnaround für mich in Staffel 12 geschafft. "Chicago P.D." hat erkannt, dass man den frischsten Figuren, ihm und Kiana Cook, einiges zutrauen kann.
Schon als ich den Teaser gelesen habe, hatte man mich eigentlich am Haken. Wenn eine Serienfigur wie Torres mit 25 bis 30 Jahren Lebensgeschichte eingeführt wird, da ist sein Buch des Lebens schon ordentlich gefüllt, für uns Zuschauer*innen sind es aber alles blanke Seiten, die man selbstredend gerne ergründen würde. Dementsprechend war der angekündigte Undercover-Einsatz ein passender Bogen zu seiner eigenen Zeit im Jugendgefängnis. Zwar würde ich nach der gesamten Folge urteilen, dass wir nicht sonderlich viel Neues erfahren haben, aber dennoch wurde seine kurzfristige Verweildauer als Wärter in Maron genutzt, um einen Bogen zwischen Vergangenheit und neuer Zukunft zu schlagen. Fangen wir aber erstmal mit dem ersten Schwerpunkt an, der durch die Darstellung von Torres' Glauben geprägt ist. Das ist im Endeffekt sein Leitstern, seit er eingeführt wurde und umso mehr nach den Ereignissen mit Gloria Perez und ihrem letztlichen Tod. Dementsprechend wird durch die Eröffnungssequenz unterstrichen, wie viel Halt er täglich im göttlichen Beistand sucht. Er stellt sich extra früh den Wecker, um noch in der Bibel zu lesen und besucht die Kirche, so oft es nur geht. Dennoch empfand ich es bislang bei keiner Szene so, als sei er in dieser Ausübung seines Glaubens fanatisch. Das war für mich persönlich auch wichtig, weil es immer schwer ist, Glauben in einer Welt von wachsendem Atheismus so darzustellen, dass es nicht die Note bekommt.
Auch wenn Torres später in der Episode sagt, dass er erst spät zu Gott gefunden hat, so glaube ich aber schon, dass er durch seine Mutter Catalina und generell ihre Latinx-Gemeinschaft sehr religiös aufgewachsen ist. Nur ich weiß aus eigener Erfahrung (weswegen Thema 'Taufe im höheren Alter' für mich ein gerechtfertigter Diskussionspunkt ist), dass durch das soziale Umfeld gesteuert so aufzuwachsen eher etwas von Routine statt innerer Überzeugung hat. Erst mit der Pubertät habe ich mir immer mehr eigenen Gedanken gemacht und dementsprechend ist meine heutige Einstellung zu meiner kindlichen Naivität überhaupt nicht mehr vergleichbar. Darauf spielte dann wohl auch Torres an, der durch Ereignisse in seinem Leben eine Form des Glaubens gefunden hat, die ihm hilft, es von Tag zu Tag zu schaffen. Doch jede Beziehung, auch die zum Glauben, wird vor ihre Herausforderung gestellt, weswegen es für mich ein sehr logischer Schritt ist, dass Torres' Beziehung zu Gott einen Knacks erfährt. Genau das Hinterfragen von Gott, sich selbst, von Kirche, von anderen Gläubigen etc. macht für mich mündiges Glauben aus, was weit weg von Fanatismus ist und dementsprechend hat es mir gut gefallen, wie der Weg hier abgebildet wird. Es wirkt echt und daher auch roh in den Emotionen. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir den Glauben weiterhin als Torres' Leitstern erleben werden, aber nun in einer anderen Form.
Was hat nun überhaupt die Glaubenskrise bei Torres ausgelöst, zumal er so gefestigt in allem wirkte? Ich fand es sehr interessant, wie die Episode daran gearbeitet hat, Torres mit seiner Vergangenheit zu konfrontieren und ihn quasi mit Art auch mit einer Kopie zu konfrontieren. Das Drehbuch und die daraus entstandene Regiearbeit haben sehr viel Raum für ruhige Momente gegeben. Auch wenn Torres als Wärter natürlich vor allem für den Fall viel beobachtet und analysiert hat, aber es war auch ersichtlich, wie er dann wohl an seiner ehemaligen Zellennummer hängen blieb, wie er alles aufsaugte, was einst auch sein Leben geprägt hat und dann zu erkennen, wie weit er sich davon entfernt hat. Bis dann zum einen Punkt, als Torres durch den Lockdown mit Art in einer Zelle gelandet ist. Da war dann die blanke Panik zu sehen und die Erkenntnis, wie sehr das Eingesperrt-Sein Torres bis heute heimsucht und triggert. Auch wenn er sich bei den Ermittlungen insgesamt sehr gut geschlagen hat und für mich auch nicht in eine Gewissenssituation kam (was die Serie sonst sehr gerne tut), aber sie hat ihn insgesamt auch etwas gekostet. Da wären wir dann wieder bei seinem Spiegelbild Art, der am Ende die Worte bringt, ob es wirklich Vergeben geben kann und ob es nicht immer etwas gibt, was einen für immer bestraft?! Das war gut gerahmt von den Worten von Pater Avila, der zu Beginn und am Ende der Episode predigt. Der jeweilige Kern seiner Botschaft war dabei nahezu identisch vom vergebenden Gott, weswegen es umso krasser im Gegensatz wirkte. Insgesamt fühlte es sich für Torres wahrscheinlich so an, als ob er sich alles nur einredet und ihn das Leben aber etwas anderes lehrt. In der Hinsicht kann man den Kopf auch wirklich öfters mal in den Sand stecken.
Der Fall an sich war jetzt nicht herausstechend und auch den Täter habe ich schon früh richtig vermutet, aber er war insgesamt erschreckend inszeniert. Auch wenn die Jugendlichen in Maron nicht umsonst einsitzen, aber der Gedanke, eine vulnerable Gruppe weiter auszunutzen und das nur für den eigenen Vorteil, das ist leider auf unserer Erde das täglich Brot. Es hat auch den Blick darauf geworfen, was man bereit ist zu tun, um sich selbst zu retten und dass man dann oft keine Freunde mehr kennt. Ich bin selbst glücklicherweise noch nicht in der Situation gewesen, aber ich kann mir gut vorstellen, zu was einen Ausnahmesituationen alles treiben können. Abseits des Falls möchte ich noch eine kleine Sache erwähnen, die ich mir möglicherweise auch nur eingebildet habe, weil es schon eine sehr Torres-zentrierte Episode war. Aber es gab so zwei, drei kleine Momente mit Kiana, die für mich signalisiert haben, dass die beiden sich wieder annähern. Da war zuerst das Verständnis, dass es um Torres' ehemalige Haftanstalt geht, aber später dann auch, dass sie ihm jeweils seine Momente gegeben hat. Besonders deutlich war das auch am Ende bei Collins. Denn als Torres noch lange mit gezückter Waffe über ihm stand, da war mehr als ersichtlich, dass Torres' eigene Erfahrungen mit Wärtern ebenfalls entsetzlich gewesen sein müssen. Es wird nicht um Sexhandel gegangen sind, aber es ist bekannt, was in Gefängnissen weltweit so abgeht, also braucht es für die Lücken keine große Vorstellungskraft. Kiana weiß das auch und hat ihm den kurzen Moment gegeben, ehe sie ihn dann zurück in der Gegenwart verankert hat. Es gefällt mir also, dass wir von den beiden vielleicht bald mehr sehen werden.
Und wie ich es hier vormache: Trudy Platt wäre einen Nebensatz wert gewesen.
Fazit
"Chicago P.D." befindet sich mit Dante Torres endlich auf einem guten Weg. Es ist nicht alles mehr so wiederholend, stattdessen erleben wir durch eine sehr charakterzentrierte Episode eine Reise. Eine Reise zu sich, eine Reise als Glaubensbruder und eine Reise zu neuen Ufern. Solche Episoden bieten wie sonst nichts Zugang zur Seele interessanter Menschen.
Lena Donth – myFanbase
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Informationen zur Episode
Englischer Titel: The Good ShepherdErstausstrahlung (US): 05.02.2025
Erstausstrahlung (DE): kein Termin
Regie: Brenna Malloy
Drehbuch: Mellori Velasquez
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