Bewertung

Review: #2.07 Negro Y Azul

Nachdem die vergangene Episode vor allem den Sinn und Zweck hatte, die Charakterzeichnung von Walter und Jesse voranzutreiben sowie geschickt die Sympathieskala zu verschieben, treibt #2.07 Negro Y Azul den Plot weiter voran. Walter mutiert immer mehr zum Drogenboss, der den Hals nicht voll kriegen kann, aus Jesse und Jane wird aller Voraussicht nach ein Paar, Skyler hat ihren alten Job wieder und Hank muss feststellen, dass El Paso ihm deutlich mehr abverlangt als ihm lieb ist.

"The cartel's 'bout respect and they ain't forgiving. But that homie's dead. He just doesn't know it yet."

"Breaking Bad" hat sich mittlerweile ja durchaus einen Namen gemacht, wenn es darum geht, die Episoden mit gleichermaßen einfallsreichen als auch inszenatorisch sehr ansprechenden Sequenzen einzuleiten. Der titelgebende Song der Narcocorrido-Band über einen weißen Drogendealer namens "Heisenberg" stellt hierbei den vorläufigen Höhepunkt dar in den eigenen Bemühungen, sich diesbezüglich immer wieder selbst zu übertreffen. Denn das, was in Europa oft mit "Drogenballade" übersetzt wird, ist nicht nur wie immer perfekt in Szene gesetzt und besitzt sogar durchaus Ohrwurmcharakter, sondern kündigt wie ein Orakel künftige Ereignisse an, ohne dabei allzu sehr erpicht darauf zu sein, diese so genau zu beschreiben, dass die weiteren Handlungsmöglichkeiten der Autoren der Serie allzu sehr eingeschränkt sind.

"Don't bullshit a bullshitter."

Das obige Zitat, auch wenn in einem etwas anderen Zusammenhang in dieser Episode verwendet, gibt im Grunde ganz wunderbar wieder, welche Wandlung Walter in den letzten eineinhalb Staffeln durchgemacht hat, was insbesondere seine Unterredung mit Gretchen eindrucksvoll zeigte. Sicherlich treibt ihn auch die Sorge um Jesse dazu, vor seiner Wohnung aufzutauchen und wie wild an die Tür zu klopfen, man kommt als Zuschauer jedoch nicht umhin zu denken, dass da auch gerade ein Chef unbedingt wissen möchte, wie der etwas andere "Außentermin" seines Schützlings lief und weswegen er sich seit geraumer Zeit nicht vorstellig macht bzw. an sein Telefon geht.

Vor Jesses Tür macht Walter Bekanntschaft mit Jesses schlagfertiger Vermieterin und Nachbarin Jane, die Walter keinen Eintritt gewährt, obwohl dieser vorgibt, Jesses Vater zu sein. Ein sichtlich mitgenommener Jesse öffnet letzten Endes dann doch die Tür, begrüßt seinen "Vater" und lässt ihn hinein. Ein Blick in die Wohnung und in Jesses Gesicht und Walter weiß, weswegen sich Jesse bisher nicht gemeldet hat, er war zu sehr damit beschäftigt, sich den Vorzügen einer Marihuana-Wasserpfeife hinzugeben. Den Grund dafür erfährt Walter kurze Zeit später: Jesses Aufeinandertreffen mit Spooge und dessen Frau sowie vor allem der Tod von Spooge haben deutliche Spuren hinterlassen und Jesse versucht, diese Erfahrung soweit möglich aus seinem Gedächtnis zu tilgen. Auch hier spricht es wieder für Jesse als potentiell sympathischen Charakter, dass er nicht ohne weiteres zum Tagesgeschäft übergehen kann, sondern das Erlebte unaufhörlich an ihm nagt. Aber auch Walters ursprüngliches Ansinnen, dass Jesse sich "darum kümmern" solle, wird ein wenig ins rechte Licht gerückt, denn offensichtlich wollte er lediglich, dass Jesse das Junkie-Paar ein wenig einschüchtert. Wobei dies auch lediglich reiner Selbstschutz sein kann, weil Walter ein schlechtes Gewissen bekommen hat, was seine Forderung bei Jesse angerichtet hat. Es wird nicht abschließend geklärt, jedoch ist für das Sympathiebefinden des Zuschauers wichtig, dass durch Walters Äußerung zumindest begründete Zweifel an der Kaltschnäuzigkeit Walters gehegt werden.

"Corner the market, then raise the price. Simple economics."

Anscheinend war Walters Sorge für Jesse aber tatsächlich privater Natur, denn der Geschäftsmann Walter sieht gleich das Potenzial, das ein Ausschlachten von Jesses Ruf eines kaltblütigen Mörders (der er nachweislich nicht ist) birgt und denkt gar nicht daran, die Ereignisse in der heruntergekommenen Wohnung des Junkie-Paars ins rechte Licht zu rücken. Er geht sogar noch weiter und möchte den Meth-Absatzmarkt der beiden vergrößern. Das Zauberwort heißt "exponentielles Wachstum" und so überzeugt er Jesse, eine Unterredung mit seinen drei Dealern und Kumpels Combo, Skinny Pete und Badger anzuleiern, wo dieser ihnen eröffnet, dass sie nun für sich eigene Dealer suchen sollen, um die Absatzmöglichkeiten zu steigern. Walter plant sogar bereits, den Preis zu erhöhen, sobald sie ihr Areal vergrößert haben.

"Tortuga means 'turtle.' That's me: I take my time, but I always win."

Auch Hank ist in dieser Episode mit von der Partie und findet sich im DEA-Büro von El Paso ganz Hank-typisch ein, indem er erst mal so ziemlich der gesamten Belegschaft durch eine unbedachte Äußerung bezüglich Jesus Malverde auf den Schlips tritt und dann durch seine nicht vorhandenen Spanischkenntnisse auffällt, ein Armutszeugnis für einen Polizisten in New Mexico. Aber Hank wäre nicht Hank, wenn er deswegen versuchen würde, fortan ein wenig zurückhaltender zu agieren, sondern schnauzt auch noch einen Drogeninformanten an, der nur " Tortuga" genannt wird, als dieser von Hanks DEA-Kollegen regelrecht hofiert wird und dennoch nur sehr spärliche Informationen preisgibt. Spätestens jetzt ist Hank alles andere als beliebt in El Paso und muss sich die ersten Lästereien der Kollegen auf Spanisch anhören – auch wenn er sie selbstverständlich nicht verstehen kann.

Doch der schlechte Start in El Paso wäre schnell vergessen gewesen und Hank hätte seinen seltsamen draufgängerischen Charme, der ihn nicht nur für den Zuschauer beliebt macht, bald spielen lassen, wenn da nicht der Observierungseinsatz gewesen wäre, der ihm ein sehr unschönes Wiedersehen mit Tortuga beschert – zumindest mit einem Teil von ihm. Denn was anfangs noch gar nicht zu fassen ist und daher schon fast wie eine Traumsequenz wirkt, wird traurige Gewissheit. Das ist tatsächlich Tortugas abgetrennter Kopf auf der Schildkröte, die da durch die Wüste zieht. Für einen kurzen Moment kommt man nicht umhin, sich über den Sinn für Humor derjenigen, die Tortuga das angetan haben, zu wundern, doch schnell weicht dieses Gefühl blankem Entsetzen, als die Schildkröte auch noch explodiert und beim DEA-Team für teils verheerende Verletzungen sorgt (ob es auch Tote gibt, ist zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt).

"We should have lunch one day. Like old times."

Nachdem Skyler der festen Überzeugung ist, dass das gemeinsame Geld der Whites ohne die Hilfe von Gretchen und Elliott nicht mehr ausreicht, um einerseits Walters Behandlung und andererseits den normalen Familienalltag zu finanzieren, besorgt sie sich einen Job. Sie arbeitet nun wieder bei Beneke Fabricators in der Buchhaltung, wo sie zuvor bereits schon mal tätig war. Brisanterweise ist der jetzige Geschäftsführer Ted Beneke ein alter Verehrer Skylers und sorgte, wie der Zuschauer durch ein Gespräch zwischen Skyler und Marie erfährt, für einen kleinen Eklat bei einer Weihnachtsfeier, als er einen mehr als deutlichen Annäherungsversuch bei ihr unternahm. Ungewöhnlich für "Breaking Bad" Verhältnisse ist hier die Offensichtlichkeit, mit der ein potentielles Love Interest für Skyler etabliert wird. Man kann sich schon fast vorstellen, wie Walters Doppelleben sie in die Arme eines anderen Mannes treibt, hofft aber gleichzeitig, dass es zumindest noch zu der einen oder anderen Überraschung kommt. Denn eine derartige Vorhersehbarkeit wäre schlicht und ergreifend unter dem Niveau der Serie.

Deutlich charmanter kommt da die mittlerweile wohl schon fast unvermeidliche Liebesbeziehung zwischen Jesse und Jane daher. Wie zwei schüchterne Teenager umkreisen sich die beiden, bis Jane schließlich den ersten Schritt macht und zumindest Jesses Hand ergreift. Mittlerweile weiß Jane auch Jesses richtigen Nachnamen, dass Walter nicht sein Vater ist und dass sie durchaus bis zu einem bestimmten Punkt Verständnis für einen Lebenswandel wie den von Jesse aufbringt, zeigte sie bereits in #2.05 Bruchschäden. Man darf also durchaus gespannt sein, welche Vergangenheit Jane hat und welche Auswirkungen sie auf Jesse in Zukunft haben wird. Schlagfertig und undurchschaubar genug ist sie zumindest, damit man daran durchaus Interesse entwickelt.

Fazit

Für "Breaking Bad" Verhältnisse geschieht in #2.07 Negro Y Azul vergleichsweise viel. Die Storylines, die eingeführt und etabliert werden, weisen mit der Ausnahme von Skylers Wiedersehen mit Ted alle bereits jetzt genug Potenzial auf, um sich auf die kommenden Episoden zu freuen. Wenn dann auch noch eine Episode derart furios eingeleitet wird und mit der Tortuga-Szene und einem richtig fiesen Schocker aufwarten kann, kann man sich nur zurücklehnen, die Autoren machen lassen und optimistisch dem entgegen blicken, was allein in den kommenden sechs Episoden noch dargeboten werden wird.

Andreas K. - myFanbase

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