Bewertung

Review: #6.05 Der Wille Gottes

Auch diese Episode steht unter einem deutlichen Oberthema, das da lautet: Eltern gegen ihre Kinder, oder auch Kinder gegen ihre Eltern. Sookie findet Schockierendes über ihre Eltern heraus, Warlow trifft gewissermaßen seine Macherin Lilith wieder, die er einst vernichtet hat, und Pam steht vor der Frage, ob sie fähig ist, ihren eigenen Macher Eric zu töten - oder er sie. Nach vier weitestgehend soliden aber nicht begeisternden Episoden in dieser Staffel setzt diese fünfte Folge, mit der die verkürzte sechste Season zugleich ihre Halbzeit erreicht, ein Ausrufezeichen. Tolle Interaktionen zwischen den Charakteren und sehr spannende, überraschende Entwicklungen machen diese Folge zu einem Highlight.

Dunkle Familiengeheimnisse

Die Erkenntnis, dass Sookies Eltern ihre eigene Tochter umbringen wollten, um sie davor zu bewahren, eines Tages von Warlow verwandelt zu werden, ist ein echter Schock, der plötzlich viele Dinge in einem ganz anderen Licht erscheinen lässt und die Geschichte der Familie Stackhouse mit noch mehr Tragik erfüllt. Warlow hat Sookie, indem er ihre Eltern damals tötete, dass Leben gerettet. Das muss man erst einmal sacken lassen. Während der fünften Staffel erschien Warlow wie die mysteriöse Wurzel allen Übels. Er war eine dunkle und überaus bösartige Gestalt, von der wir Zuschauer nie auch nur eine Sekunde etwas Gutes gedacht haben. Nun erfahren wir, dass er Sookie beschützt hat. Zudem stellen wir fest, dass er ähnlich wie früher Bill ein geplagter, einsamer Vampir ist, der unter seiner Existenz leidet und wirklich tiefe Gefühle für Sookie hegt, womit nun auch besser verständlich ist, warum er Jason gerettet hat. Warlow sehnt sich nach einer Partnerin, die ihm seine Existenz erträglicher macht. Es erfüllt alle Kriterien von Ironie, dass Warlows verhasste Macherin Lilith dafür gesorgt hat, dass Bill heute eben nicht mehr dieser sensible, zweifelnde Blutsauger ist, als den wir ihn kennengelernt haben.

Das Urübel ist nicht Warlow, sondern Lilith, die Warlow verwandelt hat, um neue, bessere Vampire zu erschaffen. Dieses Projekt setzt Bill nun mit Warlow und der Hilfe der modernen Wissenschaft fort. Als vollkommen unschuldig kann man Warlow natürlich nicht (mehr) bezeichnen, dafür hat er zu viele Leben ausgelöscht, aber man sieht ihn jetzt definitiv anders. Ob Sookie jemals fähig ist, Warlow zu lieben, steht auf einem anderen Blatt. So richtig kann ich mir momentan nicht vorstellen, dass Warlow nach 5000 Jahren und seinem Einwirken auf die Geschichte des Stackhouse-Clans endlich Glück findet, aber vielleicht ja Erlösung.

Michelle und Corbett Stackhouse haben ihre Tochter geliebt, aber sie dachten, dass es das Beste für sie wäre, niemals erwachsen zu werden. Es ist immer sehr aufwühlend, wenn Eltern ihre eigenen Kinder umbringen (wollen), denn das rüttelt an unserem tiefen Urverständnis von familiärer Liebe und Geborgenheit. Unsere Mütter und Väter sollen uns beschützen, nicht die größte Bedrohung für uns sein. Corbetts Versuch, als Geist in Lafayettes Köper das nachzuholen, was ihm zu Lebzeiten nicht gelang, und Sookie zu ertränken, wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg haben, aber vielleicht noch zu einer spannenden Nahtod-Erfahrung für Sookie führen.

Willkommen im Camp!

Jetzt sind alle "unsere" Vampire, das heißt die, die noch als normale Vampire gelten können, in Truman Burrells und Sarah Newlins Vampirlager angekommen. Daher können auch wir Zuschauer uns endlich ein bisschen mehr in diesem Camp umsehen. Unsere Erwartungen werden wahrlich nicht enttäuscht, dieses Lager ist eine erschreckende Mischung aus Psychiatrischer Anstalt, Gefängnis, mittelalterlicher Folterkammer und antiker Gladiatoren-Arena. An den Vampiren wird physisch und psychisch geforscht, alles, was irgendwelche Erkenntnisse bringen könnte, ist gestattet.

Pam wird von einem Psychiater verhört, der mehr über die Gefühlswelt von Vampiren herausfinden will. Dabei erleben wir Pam in Höchstform: kalt, sarkastisch, verführerisch, aber auch verletzlich. Es war schmerzhaft für sie, die enge Bindung zu Eric zu verlieren. Am Ende dieser Folge werden Eric und Pam in einen Raum gesperrt und sollen gegeneinander auf Leben und Tod kämpfen. Ich sehe nicht, wie beide heil aus dieser Lage herauskommen sollen, und empfinde nervöse Spannung.

Jessicas und Taras Inhaftierung stellt einen weiteren Schritt zur Erfüllung von Bills Zukunftsvision dar, in der allerdings Eric und Pam beide noch am Leben waren und zusammen mit Jessica, Tara und Nora verbrannt wurden. Nora sehen wir in dieser Episode nicht, was aber nicht heißen muss, dass sie dem Camp entkommen konnte.

Jessica und Tara haben interessante Szenen zusammen. Es ist spürbar, dass beide froh sind, in diesem unheimlichen Lager ein vertrautes Gesicht gefunden zu haben, ungeachtet der Tatsache, dass sie nie wirklich Freundinnen waren. Jessica ist extrem angeschlagen bis hin zu selbstmordgefährdet, nachdem sie Andys Töchter ausgesaugt und drei von ihnen getötet hat. Sie wurde so stark wie nie zuvor mit ihrer dunklen Seite, mit ihrer Gier nach Blut, konfrontiert. Da sie religiös erzogen und zuletzt auch durch Bills Auferstehung wieder sehr stark mit Glaubensfragen konfrontiert wurde, leidet sie unter der Vorstellung, womöglich ein Werkzeug des Teufels zu sein.

Sarah auf dem Kriegspfad

Nicht, dass ich Sarah in den vergangenen Staffeln vermisst habe, aber es kann nur als Gewinn bezeichnet werden, dass sie wieder da ist, denn sie gibt einfach eine gute Antagonistin ab. Sie sieht aus wie ein Engel, hält sich für die perfekte Christin und ist absolut bigott, selbstgerecht, fundamentalistisch und zickig. Nicht zu vergessen steht sie etwas mehr auf außerehelichen Sex, als der Papst erlaubt.

Sie ist nicht schwanger, wie ich nach der letzten Episode gemutmaßt habe, aber ich war nahe dran. Sie will eine Familie mit Burrell gründen, der allerdings noch mit der Vampirwerdung seiner Tochter Willa hadert und daher kein Ohr für Sarahs Träume von einer perfekten Familie hat. Sarah flüchtet sich daraufhin zu ihrem Ex-Geliebten Jason, der seine alten Fehler wiederholt und mit ihr ins Bett steigt. Jasons Handlung lässt sich damit erklären, dass er seinen erotischen Traum von Warlow abschütteln will, trotzdem zeigt es einmal mehr, dass Jason bei allen Fortschritten, die er schon gemacht hat, und bei allen guten Vorsätzen, die er fasst, immer noch sehr leicht auf Abwege zu führen ist. Die Neigung, Probleme mit Sex zu kompensieren, hat sich tief in ihm verankert.

Jasons Sex mit Sarah führt dazu, dass Jessica, die bei Jason Rat und Trost sucht, in dem Vampircamp landet, so dass Jason nun sicherlich alles daran setzen wird, Jessica zu befreien. Wie Sarah es vollbringen konnte, Jessica aus Jasons Haus auszuladen, gehört auf jeden Fall zu den Fragen, die noch beantwortet werden müssen.

Die Begegnung zwischen Sarah und Jessica besitzt eine hohe Intensität. Beide haben einen durchaus vergleichbaren Hintergrund, was Religion und Gefühle angeht, und sind an unterschiedlichen Punkten gelandet. Sarah hat sich zu einer Fundamentalistin entwickelt, die sich selbst für gut hält, aber schreckliche Dinge tut, und Jessica wurde in einen Vampir verwandelt, wodurch sie mit einer dunklen Seite zu kämpfen hat, die sie ängstigt und die sie nicht gewinnen lassen will.

Terry beschließt zu sterben

Terry bestellt einen Auftragsmord - an sich selbst. Er bittet seinen alten Militärkameraden Justin, ihn zu erschießen, da er nicht verwinden kann, Patrick getötet zu haben. Wir stecken definitiv fest. Terry wollte schon in der letzten Staffel sterben, hat sich dann aber doch entschieden, Patrick zu töten, um selber am Leben bleiben zu können. Mit diesem bestellten Mord dreht sich Terry nun weiter in einem Kreis aus Tod und Schuld. Er tötet Patrick, dann bittet er einen anderen Kameraden, ihn zu töten ...

Terry ist ein sensibler Mensch, von daher überrascht es nicht, dass ihn seine Tat sehr trifft, trotzdem wünscht man sich wirklich, dass er als Charakter vorankommt. Er hat eine Frau und drei Kinder, die ihn lieben und brauchen. Wenn er sich töten lässt, fügt er seiner Familie, einschließlich Andy, der gerade drei seiner vier Töchter verloren hat, großes Leid zu, ganz abgesehen davon, dass Patrick dann wirklich vollkommen umsonst gestorben wäre.

Maret Hosemann - myFanbase

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