Bewertung

Review: #3.11 Tanz auf dem Vulkan

Am Ende dieser Episode war mein erster Gedanke: "Gott sei dank war dies nicht das Staffelfinale", denn da dieses ja nun leider auch als Serienfinale dienen muss, wäre es wirklich schrecklich gewesen, mit diesem Bild von Taras extremer Entscheidung die Serie zu verlassen. Aber ich frage mich, wo man nun noch hingeht im wirklichen Finale nächste Woche. Taras Zustand ist so schlimm (wenn nicht sogar noch schlimmer), wie ich ihn schon letzte Woche vermutet habe, und eigentlich bleibt der Familie keine andere Wahl, als sie in gewisser Weise aufzugeben. Auf der einen Seite ist anscheinend jede von Taras Spaltpersönlichkeiten, bis auf das neue, psychopathisch veranlagte Alter Ego Bryce, verschwunden, gleichzeitig ist Tara von einer Besserung oder gar Heilung ihres Zustandes so weit entfernt, wie noch nie im Laufe der Serie. Mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass man zum Zeitpunkt der Dreharbeiten nichts davon wusste, dass die Serie nicht fortgesetzt werden wird, muss man ja irgendwie wieder an einen Punkt kommen, an dem auch Taras Spaltpersönlichkeiten präsent sind, denn sonst würde man die Grundprämisse der Show verlieren. Oder wagt man diesen Schritt? Klar ist, dass Tara nicht stirbt, darüber hinaus tappe ich vollkommen im Dunkeln, was uns in der letzten halben Stunde, die wir mit den Gregsons verbringen dürfen, erwartet.

Bis dahin erleben wir hier aber noch einmal in voller Wucht, wie sich alles bis zum Äußersten zuspitzt. Dabei liegt der Fokus gar nicht mal so sehr auf Tara, denn die ist bis kurz vor Schluss nicht präsent, sondern nur in Form von Bryce zugegen. Die Frage, die diese Folge wieder einmal durchleuchtet, ist die nach den Motiven und dem Verhalten von Max. Es ist bereits in den letzten Jahren immer mal wieder angeklungen, dass sich Max zwar rührend um Tara kümmert, er aber auch selbst ein Mensch ist, der dies irgendwie zu brauchen scheint. Dass er dabei in gewisser Weise den wahren Zustand von Tara ignoriert, seine Kinder vielleicht sogar einer Gefahr aussetzt und die Situation einfach nicht mehr unter Kontrolle hat, will er partout nicht wahrhaben. Gerade die Tatsache, dass seine Mutter diejenige ist, die ihm dies vor Augen führt, spricht Bände und ist ein cleverer Schachzug der Drehbuchschreiber.

Max ist vielleicht nicht so verrückt wie Tara, aber er hat durchaus mit eigenen Komplexen zu kämpfen, er fühlt sich für den Zustand seiner Mutter verantwortlich (wahrscheinlich schon seit er ein Kind war) und jetzt fühlt er dieselbe Verantwortung Tara gegenüber. Und er will nicht wahrhaben, dass er letztendlich beiden nicht allein helfen kann und es auch nicht seine Aufgabe ist, diese Hilfe zu leisten. Er ist nicht in der Lage, das Offensichtliche zu sehen, dass Taras extremer Zustand nicht mehr durch Museumsbesuche durchbrochen werden kann. Da müssen erst solch schockierende Dinge wie ein tätlicher Angriff von Bryce auf Marshall geschehen, um sowohl Tara wieder an die Oberfläche zu holen, als auch Max die Notwendigkeiten klar zu machen.

Dabei gelingt es der Folge meisterhaft, den Spagat zwischen den beiden Positionen rund um Tara auszubalancieren. Man sieht die absolute Ausweglosigkeit der Lage, in die Bryce die Familie gebracht hat und dass Tara dringend in stationäre Behandlung gehört, aber man empfindet es gleichzeitig als schmerzliche Niederlage, das Max diesem Schritt zustimmen muss. Und auch das Dilemma, in dem sich Kate und Marshall befinden, wird schön ausgearbeitet. Einerseits suchen beide den Abstand zu ihrem irren Zuhause und sehnen sich nach Eigenständigkeit. Andererseits sind sie doch eine eingeschworene Gemeinschaft, die zusammenhält. Sie wollen sowohl Max als auch Tara nicht im Stich lassen. Sie sind hin und her gerissen und diese Zerrissenheit wird wirklich deutlich, ohne dass einer der beiden als undankbar oder herzlos dastehen würde. Zumal sie ihre eigenen Macken mit sich herumschleppen, denn es ist durchaus bezeichnend, dass Marshall aus dem Haus der einen irren Frau in das der anderen Verrückten flüchtet. Wenn ich einen Kritikpunkt an dieser ansonsten sehr gelungenen Folge habe, dann ist das der, dass man das Momentum der Entscheidung, den Schoß der Familie zu verlassen aus der letzten Woche, von beiden Kindern zu schnell wieder aufgelöst wird. Es ist klar, dass man die Anwesenheit von Marshall und Kate in dieser Episode benötigt, aber so kurz nach der großen Erkenntnis in der Folge zuvor wirkt es doch überstürzt.

Aber dies ist wirklich nur ein geringer Kritikpunkt, denn die Episode war voller wichtiger Momente, ob der kleinen, stillen Sorte wie Kate und Marshalls kurze glückliche Erinnerung an bessere Zeiten oder Neils herrliches, improvisiertes Schlaflied für Wheels. Diese Momente voller Harmonie stehen dafür im krassen Gegensatz zu der giftigen Atmosphäre, die Bryce im Hause verbreitet. Die kurze Bemerkung von ihm, dass Tara dies alles sogar gewollt hat, gibt mir wieder einmal zu denken. Einerseits traue ich Bryce nicht über den Weg, andererseits sind die Anzeichen für Taras selbstzerstörerische Tendenzen die ganze Staffel hindurch immer wieder subtil präsent gewesen und auch die Theorien von Dr. Hatteras spielen in diese Theorie mit hinein.

Was wirklich mit Bryce geschah, hat man von Serienseite wohl anscheinend mittlerweile ad acta gelegt. Denn der wahre Bryce Craine ist tot, wie wir heute erfahren. Zwar führt der Besuch an dessen Grab zu einem emotionalen Ausbruch bei Charmaine (deren Opfertum wird allerdings wieder einmal nur kurz angerissen, was ich wirklich schade finde, gerade in Anbetracht der kurzen Zeit die uns nur noch zur Verfügung steht). Was den beiden Schwestern aber konkret von ihrem Bruder angetan wurde, werden wir wohl nicht mehr erfahren. Wobei ich auch nicht glaube, dass dies zum jetzigen Zeitpunkt noch wirklich eine Rolle spielt. Es ist interessant, wie unterschiedlich die Schwestern den Missbrauch verarbeiten. Wirklich wichtig ist eigentlich nur noch, ob und wie Tara ihre eigene Version von Bryce überwinden kann. Oder will sie dies vielleicht gar nicht?

Cindy Scholz - myFanbase

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