Sisi - Review Staffel 4

Seit Weihnachten 2020 gehört die RTL-Produktion "Sisi" zu meinem konstanten jährlichen Begleiter. Auch wenn ich sie nicht mehr als eine solide Serie einstufen würde, hatte es schon etwas von einer Tradition, jedes Jahr wieder in die fiktional biegsamen historischen Ereignisse einzutauchen. Tatsächlich war "Sisi" auch der Grund, warum ich bei "Die Kaiserin", dem Äquivalent von Netflix, zunächst nicht einschalten wollte, denn es war mir zu viel zu nah. Dieses Jahr habe ich angesichts der zweiten Staffel die Netflix-Produktion aufgeholt und es ist schon erstaunlich, wie unterschiedliche beide Serien sind, obwohl sie eigentlich dasselbe erzählen. Und auch wenn ich die Serien unweigerlich miteinander verglichen habe, so ist die finale vierte Staffel von "Sisi" nicht eine herbe Enttäuschung, weil sie gegen "Die Kaiserin" schlechter aussieht, nein, die Gestaltung der letzten sechs Folgen hat sich das Bein doch ganz alleine gestellt.
Bei meiner Review zu Staffel 1 konnte ich mich noch sehr gut erinnern, dass ich bei der Aufmachung sehr an "Bridgerton" denken musste. Dort hatte die erste Staffel Ende 2019 für großen Aufruhr gesorgt und stilistisch eindeutig einige Produktionen beeinflusst, so auch "Sisi". Kritisch fand ich das nicht, zumal Sisi und Franz Joseph durch die "Sissi"-Filme eine epische Liebesgeschichte haben, die jedes Weihnachten wieder die Zuschauerschaft vor den Fernseher lockt. Die Serienform hat uns zwar gelehrt, dass eine romantische Liebesgeschichte beim Kaiserpaar nicht die erste Assoziation sein darf, aber der erotische Anteil wirkte wie eine ganz eigene Ausdrucksform. Bei den anderen beiden Staffeln hatte ich eine starke Assoziation zu anderen Serien nicht, aber das hat sich hier in der finalen Runde noch einmal geändert. Der Großteil der Handlung spielt fernab des Kaiserhofs in Wien, stattdessen erleben wir nahezu alles Entscheidende in Possenhofen. Nach dem unerwarteten Tod von Herzog Max (Marcus Grüsser) und dann später seiner Geliebten Adele (Sabine Timoteo) hat sich nahezu die Struktur von Murder Mystery gebildet. "Only Murders in the Building" und andere Produktionen dieser Art lassen grüßen. Was sich genau hinter Adeles Tod verbarg und ob Herzogin Ludovika (Julia Stemberger) sie getötet haben könnte, das hat uns sehr lange als Frage begleitet. Es sind bewusst auch immer Andeutungen gemacht worden, die Ludovika sehr suspekt inszenierten. Sisi (Dominique Devenport) und Kommissar Hiernonymus (Waldemar Kobus) waren es dann, die mit uns gemeinsam gerätselt haben. Auch wenn ich so ein Whodunit echt gerne mag, aber ich habe es für "Sisi" nicht erwartet und würde es im Gesamtkontext der ganzen Handlung auch als schlechte Wahl bezeichnen.
Die übrigen drei Staffeln haben es sich vor allem zur Aufgabe gemacht, die gemeinsame Geschichte von Sisi und ihrem Gemahl Franz Joseph (Jannik Schümann) zu erzählen. Dazu sind die politischen Geschehnisse sowie chronisch festgehaltene persönliche Eckpunkte als Basis genommen worden, um sie oftmals etwas auszuschmücken und auch für die gewählte Stilistik passend zu machen. Über Neuerfindungen von Figuren hat man sich dann teilweise weitere Freiheiten nehmen können, ohne dass es aber die Wirkung hatte, dass wirklich alles wie erfunden wirkt. Die vierte Staffel wirkt für mich aber in der Gesamtschau wie ein wildes Hirngespinst, das entweder durch die Tombola oder durch einen Drogentrip genau so zusammengekommen ist. Vielleicht stand Schümann, als wohl einer der gefragtesten deutschen Schauspieler, nicht wie gewünscht zur Verfügung, aber er hat für die Staffel eine extrem untergeordnete Rolle gespielt. Auch wenn es historisch richtig ist, dass es nicht die perfekte Liebesgeschichte war, so wirkte es arg seltsam, zumal so dann auch das aktuelle Politikgeschehen vom Kaiserreich Österreich als Schwerpunkt wegfiel. Als Konsequenz haben wir dann eine Verlagerung zu Sisis Familie auf Possenhofen, denn das Erbe ist nach Max' Tod bedroht. Rick Okon als Ludwig – oder Louis, wie er von der Familie genannt wird, sowie Philine Schmölzer als Sophie Charlotte sind zwei weitere Geschwister von Sisi, die wir nun kennenlernen dürfen. Die Einbindung der Familie würde ich auch keinesfalls als negativen Kritikpunkt nehmen, denn jede Staffel hat sich neuen Wind gesucht und dafür stehen diese beide. Zudem sind Louis und Sophie Charlotte charakterlich auch so unterschiedlich, dass sich mit ihnen auch grundverschiedene Schwerpunkte erzählen ließen.
Das war also in der Wahl noch alles absolut richtig. Zudem hangelt man sich auch an weiteren bekannten Eckdaten entlang. Max' Tod, während Sisi auf Korfu weilt, die Untreue des geliebten Herzogs, und Louis' Herzensbeziehung zu der Bürgerlichen Henriette Mendel (Antonia Moretti). Alles historisch belegt, also alles gut. Aber davon ab, ja, da wurde es dann immer etwas verrückter. Dass sich hinter dem Murder Mystery-Teil als Auflösung verbirgt, dass Louis gar nicht das leibliche Kind von Ludovika ist? Geht's noch?! Auch wenn das Leben oft genug Seifenopfern schreibt, aber hier fand ich das als Auflösung höchst seltsam. Dann haben wir noch das Pferderennen, das kontinuierlich die Episoden durchzieht. Nachdem Franz seiner Frau einen weiteren Ritt aus Sorge um sie untersagt hat, ist natürlich klar, nur ein Sieg im prestigeträchtigen Rennen des Oktoberfestes kann Possenhofen noch retten. Da muss Sisi dann gegen Georg Basselet von La Rosée (Klaus Steinbacher) antreten. Das Adelsgeschlecht gibt es zwar, aber ihn als weiteren potenziellen Liebhaber der Kaiserin zu nutzen, alles frei erfunden. Nach Graf Andrássy (Giovanni Funiati I.) in der zweiten Staffel bekommen wir einen ähnlichen Schwerpunkt. Während ich das Pferderennen als guten Ausdruck von Sisis Persönlichkeit sehe, so ist alles rund um Georg dann schon wieder suspekter. Gerade vor dem Hintergrund, dass Franz nahezu die gesamte Staffel passiv bleiben muss. Ich bin sicher, dass man diesen Handlungsbogen auch gut über die Bühne gebracht hätte, ohne außereheliche Gefühle anteasern zu müssen.
Ein letzter Schwerpunkt ist dann Sophie Charlotte, die Sisi an Wildheit und Frechheit noch einmal übersteigt. Auch wenn sie als Charaktere so schon eine anstrengende Nummer war / Ludwig, so fand ich es für sie passend, dass sie wie ihre Schwester aus Liebe heiraten will. Dass es dann ausgerechnet König Ludwig (Gustav Schmidt) ist, in den sie sich verguckt (im Übrigen auch auf wahren Ereignissen basierend, da es immerhin eine Verlobung gab), ist im Grunde ihr Pech, denn der sogenannte Märchenkönig liebt nur einen, nämlich sich selbst. Hier wird schon sehr mit dem Ruf vom Besitzer von Schloss Neuschwanstein gespielt, aber da Sophie Charlotte als Figur ebenso exzentrisch wirkt, passt es eigentlich wieder. Es gab zwar auch da einige absurde Szenen, aber es sind beides neuen Figuren und dementsprechend wirkt es authentischer für diese beiden als so manch anderes für Charaktere, die wir schon drei weitere Staffeln begleiten.
Mit dem Ausstrahlungsbeginn von "Sisi" habe ich mir keine Gedanken gemacht, wie weit man ihre Geschichte wohl erzählen will. Klar war aber dennoch, dass ihr Lebensende wohl nicht einbezogen wird, zumal es in die Serienstilistik auch nicht gepasst hätte. Staffel 4 ist nun bewusst als final konzipiert worden, was angesichts der für mich schwachen Staffel etwas seltsam anmutet. Da zudem auch das tatsächliche Ende völlig überhastet daherkommt, wundert es eigentlich noch mehr. Wie gesagt: es war nicht die gemeinsame Staffel von Sisi und Franz. Also mit einer so typischen RomCom-Szene zu enden, das kam dann echt aus dem Nichts. Auch wenn die Serie uns gezeigt hat, dass zwischen den beiden Liebe ist, aber so wirkte es fast wie für die "Sissi"-Filme geschrieben. Drum herum bleibt es auch bei Andeutungen. Louis entscheidet sich offenbar für die Liebe. Ludovika schließt ihren Frieden und Sophie Charlotte scheint eine Schicht des selbstverliebten Panzers von König Ludwig geknackt zu haben. Damit ist zwar historisch alles wieder in bekanntere Bahnen gelenkt, aber es wirkt doch wie ein Schluss mit Knall.
Fazit
Für mich persönlich hat sich die vierte und finale Staffel von "Sisi" als schwächste erwiesen. Gerade mit der Ankündigung, dass danach Schluss ist, wäre ein klarer Plan, der auch den ersten drei Staffeln Ehre erweist, ideal gewesen. So war ich über viele kreativ getroffene Entscheidungen doch sehr verwundert. Auch wenn das oft nüchtern erscheinende Adelsleben fiktiv aufbereitet immer etwas soapig wirkt (siehe "The Crown"), so war es hier viel zu viel und stellte damit einen Bruch zu dem dar, was vorher gut gelungen ist. So war es ein Ende mit Schrecken, aber wenigstens kein Schrecken ohne Ende.
Die Serie "Sisi" ansehen:
Lena Donth - myFanbase
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