Interview mit Tom Wlaschiha

22. Oktober 2015 | Heute startet die dritte Staffel von "Crossing Lines" auf dem deutschen Sender Sat.1. Tom Wlaschiha ist einer der wenigen im Cast, der bereits von Anfang an dabei ist. Der in Sachsen geborene, international erfolgreiche (er verkörpert u.a. Jaqen H'ghar in "Game of Thrones") und vor allem sehr sympathische Schauspieler, stand uns für ein Telefoninterview zur Verfügung und erzählte von seiner Arbeit bei "Crossing Lines" und welche Herausforderungen eine internationale Produktion mit sich bringen kann. In "Crossing Lines" spielt Tom Wlaschiha den deutschen Kommissar Sebastian Berger, der einer Spezialeinheit des europäischen Strafgerichtshofs angehört.

Foto: Tom Wlaschiha, Crossing Lines - Copyright: Tandem Productions GmbH. All rights reserved.
Tom Wlaschiha, Crossing Lines
© Tandem Productions GmbH. All rights reserved.

Die dritte Staffel von "Crossing Lines" startet am 22. Oktober in Deutschland auf Sat.1. Was können die Zuschauer erwarten?

Es gab ja einige Veränderungen im Team, und wie ich finde auch zum Vorteil. Also es gibt vier neue Kollegen, so ein bisschen eine neue Zusammensetzung, aber es gibt natürlich wie gewohnt die grenzüberschreitenden Fälle und die sind auch jetzt noch mal höher angesetzt als in der zweiten Staffel zum Beispiel. Also es geht um Kriegsverbrechen und wirklich interessante Fälle für den Strafgerichtshof in Den Haag.

Und hat sich die Veränderung im Cast auch auf die Produktion ausgewirkt? Musste man sich noch einmal komplett neu einfinden oder fühlt es sich jetzt wie eine neue Serie an?

Nein, für mich fühlt es sich nicht wie eine neue Serie an. Es ist natürlich interessant und spannend sich auf neue Kollegen einzulassen, die ganz andere Sachen mitbringen, und ich finde die Serie bekommt dadurch noch einmal eine neue Frische.

Was hat Sie damals überhaupt an der Rolle des Sebastian Berger in "Crossing Lines" gereizt?

Was mich ursprünglich gereizt hat, war natürlich die Möglichkeit mit einem internationalen Cast zu drehen, mit Leuten mit verschiedenen Backgrounds – jetzt nicht nur [auf] Nationalitäten [bezogen], sondern auch schauspieltechnisch gesehen. Und na klar, die Möglichkeit auf Englisch zu drehen und die unterschiedlichen Drehorte, an denen wir sind, also dieses Jahr waren wir in Kroatien das erste Mal. Und dann [gibt es] bei so einer Serie, im Gegensatz zu deutschen Produktionen, die Möglichkeit, dass man sich selber viel stärker einbringt als Schauspieler. Es gibt natürlich Drehbücher, aber da der Showrunner und der Produzent am Set sind, hat man auch die Möglichkeit kurzfristig Ideen einzubringen, die dann auch umgesetzt werden können. Und ganz am Anfang war es auch so, dass wir alle uns hingesetzt und überlegt haben, was unsere Figuren spannender macht, wie wir sie erzählen wollen. Für mich war es zum Beispiel ganz wichtig, dass Sebastian jetzt nicht nur Teil des Teams ist, sondern dass der auch dunkle Seiten hat, dass er Probleme hat, also dass es wirklich lebendige Menschen sind.

Und werden wir von Sebastians Leben in der dritten Staffel noch mehr sehen? Sein Sohn taucht ja auf jeden Fall wieder auf, wird das also noch ein bisschen mehr?

Das wird auf alle Fälle thematisiert und das geht auch weiter. Anknüpfend an die zweite Staffel ist Sebastian jetzt in der dritten Staffel quasi allein erziehender Vater - was ja sehr zeitintensiv sein kann – und muss das jetzt mit seinem Job unter einen Hut bringen und da gibt es die ein oder andere Schwierigkeit.

Foto: Tom Wlaschiha, Crossing Lines - Copyright: Tandem Productions GmbH. All rights reserved.
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Sie hatten die Dreharbeiten bereits angesprochen. Wie gestaltet sich das, da die Schauplätze in ganz Europa verteilt sind? Dreht man an einem Ort und dann gleich mehrere Folgen oder wird immer nur eine Folge gedreht?

Wir haben in Blöcken gedreht. Wir hatten ja in Prag im Studio gedreht und da ist es naturgemäß so, dass man natürlich versucht die Folgen nacheinander zu drehen, aber praktischerweise werden dann mehrere Folgen auch mal parallel gedreht, weil eben bestimmte Sets abgedreht werden müssen und so weiter. Was mir gefällt bei "Crossing Lines", es ist immer eine sehr intensive Arbeit, weil das Team – also wir sind jetzt sechs Leute plus Donald Sutherland -, da wir ja ständig dabei sind, sind wir auch sehr kompakt. Also die dreieinhalb/vier Monate, die wir da zusammen sind, sind wir wirklich ununterbrochen zusammen und man lernt die anderen wirklich richtig gut kennen, das ist dann wie eine Familie am Ende.

Und Sie synchronisieren sich am Anschluss der Dreharbeiten ja nochmal selbst, wie ist das? Also vor allem im Vergleich zu anderen Synchronarbeiten?

Na ja, ich kenn es bisher nur, dass ich mich selber synchronisiere. Ich hab schon mal ein paar kleine Sachen, wo ich andere Leute synchronisiere, gemacht. Aber mir ist das sehr wichtig, weil Stimme oder Sprache sind 50% vom Schauspiel. Wenn es jetzt jemand anderes ist, fällt mir das nicht so auf, aber ich möchte nicht, dass ich in meiner eigenen Sprache von jemand anderem synchronisiert werde. Das wäre dann schon ein bisschen komisch.

Was ich persönlich immer ein wenig schade finde, ist das die europäische Sprachvielfalt leider nicht so ganz zum Tragen kommt in der Serie.

Da sind wir uns einig.

Wurde das irgendwann mal thematisiert, warum man bspw. nicht mit Untertiteln arbeitet?

Ja, das wurde natürlich thematisiert und ich war da auch ein sehr starker Verfechter dafür, weil ich gerade finde, dass es das auch ausmacht, so eine internationale Geschichte. Dass es auch mal Verständigungsprobleme gibt, dass man verschiedene Sprachen hört... Aber da ist dann leider das Problem, dass Fernsehsender Untertitel scheuen, wie der Teufel das Weihwasser, weil sie Angst haben, dass da Zuschauer verloren gehen. Das ist leider so, da muss man mit leben, wenn man in so einem Umfeld, also quasi mit Sendern, arbeitet. Bei einem Independent-Kinofilm sieht es anders aus, aber Fernsehen... Ich hoffe, dass sich das irgendwann durchsetzen wird, dass Sender auch den Mut haben in Originalsprachen auszustrahlen, weil für mich macht es halt doch einen ganz starken Reiz aus.

Bei der aktuellen Netflix-Serie "Narcos" wird es ja bereits gemacht, also vielleicht gibt es ja in Zukunft wirklich das Glück.

Vielleicht dann bei "Crossing Lines" 8 [lacht].

Foto: Tom Wlaschiha, Crossing Lines - Copyright: Tandem Productions GmbH. All rights reserved.
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Gibt es irgendeine Sache über "Crossing Lines", die die Zuschauer nicht wissen oder erwarten würden?

Jetzt in der neuen Staffel? Eine Handlungssache? Ja ich hoffe da gibt es viel, was die Zuschauer nicht erwarten, weil sonst wäre es ja sehr langweilig. Da darf ich nur nicht drüber reden. [lacht]

Es könnte auch etwas sein, was die Produktion betrifft, bspw. dass alle französisch miteinander hinter den Kulissen reden.

Achso, nee wir reden tatsächlich alle englisch miteinander. Naturgemäß französisch wäre natürlich auch interessant, aber das passiert nicht. Englisch ist schon die Arbeitssprache. Wir haben ja auch die unterschiedlichsten Regisseure, also jede Folge wird ja von einem anderen Regisseur gemacht. Auch in den letzten Staffeln schon, also deutsche Regisseure, englische, französische, also wirklich ein sehr internationales Gemisch.

Merkt man da als Schauspieler andere Herangehensweisen, also die auf die Nationalität irgendwie zurückzuführen sind oder auf die Ausbildung, die die Leute dann entsprechend haben?

Bei Schauspielern merkt man das teilweise sehr stark, also gerade – finde ich – sehr starke Unterschiede zwischen amerikanischen und europäischen Schauspielern, die glaube ich so ein bisschen auf der unterschiedlichen Ausbildung beruhen.

In Deutschland doch noch mehr auf Theater gemünzt oder wie genau?

Ja, teilweise das und ich hab die Erfahrung gemacht, die meisten europäischen Schauspieler begreifen sich als absolute Teamdarsteller, die wissen, dass eine Szene nur so gut sein kann, wie alle Schauspieler, die in der Szene mitspielen. Bei einigen amerikanischen Schauspielern, jetzt gar nicht nur auf "Crossing Lines" bezogen, habe ich die Erfahrung schon gemacht, dass es da ein bisschen egozentrischer zugeht.

Was war damals überhaupt Ihre Motivation Schauspieler zu werden? Gab es einen besonderen Moment?

Ui, ich hatte irgendwann als Schüler die Idee, da war ich so in der siebten/achten Klasse, ohne dass ich genau sagen könnte, woher das kam oder dass ich da irgendwie familiär vorbelastet war. Wie hatten irgendwie in der Schule so verschiedene Sachen gemacht und ich hab dann einfach mal interessehalber an Schauspielschulen geschrieben und die Leipziger Schauspielschule hat mir geantwortet und da gab es so eine Art Förderkurs, so nannte sich das damals, das war für interessierte Jugendliche zur Vorbereitung auf die eigentliche Eignungsprüfung und das ging so Schritt für Schritt immer weiter und ich hab dann auch immer mehr Spaß dabei gehabt. Und ja, dann hab ich irgendwann die Prüfung bestanden und hab das studiert, an Film oder Fernsehen hab ich aber damals weniger gedacht, sondern hauptsächlich an Theater. Die ersten fünf/sechs Jahre nach der Schauspielschule war ich ausschließlich am Theater, bis ich mich dann auch filmisch ausprobieren wollte, weil das ja doch 'ne sehr unterschiedliche Spielweise ist.

Foto: Tom Wlaschiha, Crossing Lines - Copyright: Tandem Productions GmbH. All rights reserved.
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Und dann folgte irgendwann der Entschluss es auch international zu versuchen.

Ja, das war dann so ein bisschen die logische Konsequenz, weil es unheimlich schwer ist, sich als junger Schauspieler durchzubeißen oder durchzusetzen und auch die richtigen Rollen zu kriegen, in denen man was zeigen kann. Leider ist es in Deutschland grad so, dass das ganze System relativ verkrustet ist und wenn man nicht unheimliches Glück hat und sehr jung eine Hauptrolle kriegt, dann ist es in der Regel so, dass man sich sehr mühsam durchbeißen muss. Ich hatte zumindest das Gefühl, an einem bestimmten Punkt ging es für mich nicht weiter. Ich hab zwar das Glück gehabt immer von dem Job leben zu können, aber ich habe nicht immer die Rollen bekommen, die mich interessiert haben und dann hatte ich schon so 'ne kleine Krise und überlegt, ob ich nicht vielleicht noch was ganz anderes mache und hatte dann aber die Idee mir parallel ein zweites Standbein aufzubauen und hab mir dann eben eine Agentur in England gesucht. Was sich als die beste berufliche Entscheidung bisher erwiesen hat.

Wunderbar. Und spielen Sie immer noch Theater oder momentan eher Film und Fernsehen?

Also momentan eher Film und Fernsehen. Ist halt ein bisschen schwierig, gerade in Deutschland, Theater parallel zu spielen, so sehr ich das Stadttheater-System liebe. Es ist natürlich so, es gibt wenig Möglichkeiten als Gast eine Produktion zu machen und wenn man die Möglichkeit hat, dann muss man sich da auch über einen sehr langen Zeitraum verpflichten, hat dann pro Monat zwei/drei/vier Vorstellungen, da rollt dann jeder Produzent mit den Augen, wenn man sich diese Termine dann immer sperren lässt und dann vier Mal im Monat irgendwo hin muss. Das ist ein bisschen schade, aber ich hoffe, dass ich in Zukunft auch wieder ein bisschen mehr Theater spielen kann.

Und was war bisher Ihre größte Herausforderung als Schauspieler?

Ich weiß nicht, ob es die größte Herausforderung gibt. Vor jeder neuen Rolle hat man so ein bisschen... also man weiß nicht, wie das Ergebnis wird. Es ist jedes Mal so ein bisschen wie ins kalte Wasser springen. Und klar, manches gelingt, manches gelingt nicht. Und das ist aber auch der Reiz an dem Job, es gibt keine Sicherheit. Manche Menschen brauchen viel Sicherheit in ihrem Leben, ich gehöre nicht dazu. Ich liebe das, wenn ich Abwechslung habe und wenn ich überrascht werde. Aber es ist halt immer wieder eine neue Herausforderung.

Was sind drei Sachen, die auf Ihrer Bucket-Liste noch stehen?

Drei? Oh Gott... Was steht auf meiner Bucket-List? Ich hab eigentlich alles, was ich brauche. Da fällt mir so spontan nichts ein.

Alles klar. Dann wäre ich auch schon bei meiner letzten Frage: myFanbase ist ein Online-Magazin über Serien. Welche Serien mögen sie besonders? Oder welche verfolgen sie gerade?

Ja... Ich gucke zurzeit "The Americans", finde ich eine total tolle Serie, die in Deutschland auch wie ich finde ein bisschen runterfällt. Dann habe ich jetzt "Transparent" geguckt, finde ich auch großartig, die erste Staffel. Sonst die üblichen Sachen "Breaking Bad", und "Game of Thrones" gucke ich natürlich auch [lacht]. Und was ich auch gucke, die ist zwar schon ein wenig älter, aber weil ich Glenn Close sehr schätze und ihr super gerne zugucke, ist "Damages".

Haben sie denn die neue "Homeland"-Staffel schon gesehen, die ja in Deutschland gedreht wurde und spielt?

Nee, ich habe auch die alten Staffeln noch nicht gesehen. Ich brauche ja immer so ein bisschen, ich bin ja auch so ein Binge-watcher. Ich kann nicht jetzt mal 'ne Folge und dann irgendwann mal wieder eine Folge. Ich muss mir immer gut überlegen, wann ich mit einer guten Serie anfange, weil dann bin ich zwei Wochen nicht erreichbar.

Dann bedanke ich mich für das Interview und wünsche Ihnen noch viel Erfolg.

Nichts zu danken und noch einen schönen Tag.

Annika Leichner - myFanbase


Hinweis: © myFanbase 2015 - Das Exklusivinterview darf nicht auf anderen Internetseiten oder an sonstiger Stelle veröffentlicht werden! Die ersten beiden Fragen (nicht mehr als 180 Wörter) dürfen mit Link zu dieser Seite gepostet werden. Übersetzungen in andere Sprachen als Englisch oder Deutsch dürfen mit Link zu dieser Seite und Angabe des Interviewers veröffentlicht werden.

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