Bewertung

Review: #13.08 Gedankenexperimente

Foto: Giacomo Gianniotti, Grey's Anatomy - Copyright: 2017 ABC Studios
Giacomo Gianniotti, Grey's Anatomy
© 2017 ABC Studios

In jeder Staffel von "Grey's Anatomy – Die jungen Ärzte" versuchen die Autoren, mehr Erzählvarianten und mehr verschiedene Stilmittel zu verwenden, um Abwechslung und Spannung zu generieren. Damit folgt nun diese Episode, die sich an einigen Elementen vorheriger Special-Folgen bedient und daraus eine eigene generiert : Von der Rückkehr ins Kriegsgebiet, der Überlappung von Fantasie und Realität, den Flashbacks bis hin zur kammerspielartigen Atmosphäre mit wenigen Figuren, womit nun quasi ein Best-Of der Special-Folgen folgt.

Das Konzept geht jedoch eigentlich gut auf. Mit den Charakteren, Webber Owen, Stephanie und Meredith hat man Figuren, die zuletzt nicht wirklich im Vordergrund standen und deren Storylines erst vor kurzem wirklich begannen oder deren Geschichten komplett auf Eis lagen (Meredith war ja in den letzten Folgen nur Stichwortgeber, was sowieso Stephanies Jobbeschreibung in der Serie zu sein scheint).

Natürlich könnte man hier (und sollte es auch!) argumentieren, dass Figuren wie Jo oder Nathan, von denen man leider kaum was weiß, hier nicht gezeigt werden. Dazu ist es schwierig zu verstehen, warum diese Folge genau jetzt gezeigt wird – mitAlex' baldigem Prozess oder Eliza Minnicks Einzug ins Krankenhaus hat man große Storylines aufgebaut, die nun aussetzen müssen, wodurch für mich auch ein gewisser Spannungsabbau erfolgt.

Allerdings wird in dieser Folge ein Thema angesprochen, das in "Grey's Anatomy" oft besprochen wurde und vor allem anhand von Cristina immer wieder demonstriert wurde: Die Entpersonalisierung der Patienten, wodurch die Ärzte nur abgestumpfte Mechaniker sind, wie Webber es selbst nennt, ohne sich wirklich für den Patienten zu interessieren. Durch Webbers Spiel werden die Ärzte an ihre Vergangenheit erinnert und an die Verluste, die sie erleben mussten. Deswegen hat es mir gefallen, dass diese vier Figuren in den Fokus gerückt werden und wir mehr über ihre Vergangenheit erfahren dürfen.

Visuell überzeugen die Fantasien der Ärzte vollends: Mit einem Mal verwandelt sich der Patient in Webbers Mutter, hinter den Ärzten befindet sich der Besucherraum mit Zola und Bailey Sheperd und als Megan, Owens Schwester, im OP-Saal erscheint, versteinern die Ärzte um sie herum. Ein wunderbarer erzählerischer Sog wird damit erstellt, der uns diese Ärzte näherbringt und zeigt, was sie antreibt und welche Motivation sie überhaupt erst haben, um überhaupt Menschen zu retten.

Webber

Webber ist der Einzige, der sich wirklich von Anfang an für den Patienten als Person interessiert und die anderen dazu bewegen will, Anteilnahme zu entwickeln und ihn nicht nur als Körper zu betrachten. Er zeigt sich damit von dieser wunderbaren Seite, die ihn immer noch zu einem meiner Lieblingscharaktere macht: Der weise Ratgeber und Lehrer, der das Herz auf dem rechten Fleck hat und von dessen Erfahrungen die anderen Ärzte nur profitieren können. Die Reaktionen auf ihn und seine Methoden sind mir daher besonders bitter aufgestoßen: Meredith und Owen reagieren nur abgestumpft, Stephanie hört nicht wirklich zu, als er von einer Anekdote erzählt und auf sein Spiel will sich erst recht keiner einlassen. Irgendwie hatte ich dabei das Gefühl, dass Webber von den anderen Ärzten hier als "altes Eisen" abgestempelt wurde, das nicht mehr weiß, wie man wirklich Leben rettet. Daher empfand ich wirklich Genugtuung, als sein Spiel die gewünschten Ereignisse mit sich gezogen hat und die anderen Ärzte schließlich auf die richtigen Ideen brachte.

Dazu fand ich seine Motivation sehr interessant. Von Webbers Mutter haben wir bis dato nichts gehört und ihre Geschichte reiht sich ohne Probleme in die Charakteristik von Webber ein. Gail wirkt wie eine starke, unabhängige Frau, die für ihre Überzeugungen kämpft und auch für ihre Familie der Halt und Anker ist – damit ließe sich leicht erklären, warum Webber sich gleichzeitig von starken Frauen angezogen fühlt, aber auch so seine Probleme mit ihnen hat.

Stephanie

Stephanie gehört für mich immer noch zu den Figuren mit ungeheurem Potenzial, das jedoch leider immer unter Verschluss gehalten wird, sodass sie kaum Entwicklungsschritte durchmachen kann. Daher hat es mich wirklich gefreut, dass ihr hier die Aufmerksamkeit geschenkt wird, die sie verdient. Als einzige der Ärzte stellt sie sich nämlich selbst vor, als das kleine, chronisch kranke Mädchen, das im Krankenhaus leben musste und immer auf ihre Ärzte angewiesen war. Deswegen hatte sie sich selbst informiert, wie ihre Krankheit verläuft und hatte dadurch gelernt, sich durchzusetzen und auf ihre Wünsche aufmerksam zu machen. Somit schöpft Stephanie, anders als ihre Kollegen und Kolleginnen, ihre Kraft aus sich selbst und schafft es dadurch, sich Gehör zu verschaffen und Meredith und Owen in ihre Schranken zu verweisen. Ich ziehe meinen Hut vor Stephanie und hoffe inständig, dass man endlich mal mehr von ihr zeigt.

Owen

Einige haben diesen Moment befürchtet, andere haben ihn kommen gesehen, aber wahrscheinlich nicht gedacht, dass er so ablaufen würde: Megans erster Auftritt. Aus Erzählungen kennen wir Owens kleine Schwester schon länger, doch in dieser Folge lernen wir sie erstmals kennen und man versteht, warum sie für Owen so wichtig war und weshalb Nathan sie so geliebt hat: Megan ist eine witzige, clevere Person, die sich auch mal über Owen lustig macht oder ihn provoziert, ihm aber auch genau aus der Seele spricht und ihn durch und durch kennt. So wird auch offensichtlich, dass Owen durch Megan niemals seine Patienten aufgeben möchte und dass sie sein Antrieb ist, um härter und besser zu kämpfen, gleichzeitig sie aber auch die Personalisierung seiner Schuld und seines Versagens ist. Kein Wunder, dass sie das Würgen von Cristina oder seine Kinderlosigkeit anspricht – das sind Owens wunde Punkte, die durch ihre erneute Thematisierung in dieser Folge offenbaren, wie verletzlich und gebrochen er immer noch ist. Mir schwebte jedoch während der gesamten Folge noch die Frage im Kopf, ob nun, da mit Bridget Reagan eine Darstellerin für Megan gefunden ist, sie nun auch in der Realität auftauchen wird? Genau das wäre nämlich ein Moment, den ich befürchten und aufgrund seiner Vorhersehbarkeit überhaupt nicht gutheißen würde.

Meredith

Meredith hat es uns in den vorherigen Folgen nicht wirklich leicht gemacht, sie zu mögen. Ihre Unehrlichkeit gegenüber Maggie und ihr lästiges Hin und Her mit Nathan lassen sie momentan nicht wirklich in einem positiven Licht erscheinen. Auch in dieser Folge irritiert sie durch ihre zickige und arrogante Art, mit der sie unter anderem Owen für jeden seiner Schritte im OP kritisiert oder Webber, ihren Mentor, darauf aufmerksam macht, dass sie seine Chefin ist und ihn zurückstutzt. Doch mit dieser Folge demonstriert Ellen Pompeo, wie facettenreich ihre Figur eigentlich sein kann und was für eine großartige und maßlos unterschätzte Schauspielerin sie doch ist.

Meredith erinnert sich nämlich zurück an die Nacht, in der Derek starb. Das heißt: Rückkehr der Jahrmarktmusik, Rückkehr der Ellis-Flashbacks und damit auch Rückkehr meiner Tränen. Denn es ist das erste Mal, das wir sehen, wie Meredith ihren Kindern von Dereks Tod berichtet und mit Merediths tränenerstickte Worte sowie Zolas "You can fix everyone" sorgt man so für den emotionalen Höhepunkt der Folge. Und dann sehen wir auch noch tatsächlich Derek, als weitere Fantasie Merediths und seine kurze, aber liebe Begrüßung und im Hintergrund noch das MerDer-Theme setzen mir nicht weniger als Meredith zu. In Momenten wie diesen vermisst man die Liebesgeschichte von Meredith und Derek einfach und es zerreißt einem das Herz, das Meredith dieses Glück genommen wurde.

Wenn die Autoren auf Merediths Trauer und ihre Familie setzen, können sie nichts falsch machen. Da außerdem suggeriert wird, dass es ihre Kinder sind, die Meredith vorantreiben und Meredith sich ebenfalls bei Webber für ihr Verhalten ihm gegenüber entschuldigt, entschädigt das doch ein Stück für ihr unsägliches Benehmen in den vorherigen Folgen.

Fazit

Insgesamt eine gute und vor allem berührende Stand-Alone-Folge, die durch ihren Fokus auf die vier Charaktere alle in einem großartigen Licht darstellt und allen Schauspielern die Chance gibt, sich zu beweisen und ihr Können zu demonstrieren. Fraglich ist dennoch, warum diese Folge gerade jetzt gezeigt wurde, da die Staffel doch sowieso (noch) nicht in die Gänge kam und nun ein weiterer Spannungsabbau erfolgt ist. Dennoch eine Folge, die mir sehr gefallen hat und die wohl zu meinen bisherigen Lieblingsfolgen der 13. Staffel zählt.

Lux H. - myFanbase

Die Serie "Grey's Anatomy - Die jungen Ärzte" ansehen:


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