Bewertung

Review: #5.22 Ein seltsames Jahr

Foto: Matt Czuchry, Good Wife - Copyright: Paramount Pictures
Matt Czuchry, Good Wife
© Paramount Pictures

"What a weird year." Die fünfte Straffel von "Good Wife" war für die handelnden Personen wahrlich ein seltsames Jahr, was ihnen in der Retrospektive wohl immer mit einem komisch bis ungutem Gefühl in Erinnerung bleiben wird. Für uns Zuschauer bedeutete dieses Jahr der Umbrüche aber die beste Staffel der Serie, in der jeder Status Quo innerhalb des Serienuniversums aufgebrochen wurde, die Figuren und die Beziehungen untereinander alle in ein neues Licht gerückt wurden und passender Weise schließt man diese Staffel nun ebenfalls in einem Zustand ab, bei dem man nicht wirklich weiß, wie es in Staffel 6 dann konkret weitergehen soll.

Lassen wir aber noch einmal rekapitulieren, was in nur 22 Folgen hier alles passiert ist: Cary und Alicia verlassen Lockhart/Gardner und gründen ihre eigene Firma, Diane verliert den Anspruch auf die Richterrolle am Obersten Gericht, die Beziehung zwischen Alicia und Will implodiert und der größte Schocker von allen war dann natürlich der plötzliche Tod Wills. Infolge dessen befinden sich die beruflichen Liaisons alle in einem komplett neuen Zustand, Alicia und Peter trennen sich zudem und am Ende der Staffel steht nun Lockhart/Gardner komplett vor der Auflösung (beziehungsweise der Umwandlung in eine Art evil law firm unter David Lee und Louis Canning). Das ist ordentlich viel Stoff für nur eine Staffel, und besonders beachtlich ist es, dass "Good Wife" alle diese Veränderungen optimal genutzt hat um Spannung, Komik und eben einfach gute Unterhaltung zu generieren. Zwar gab es auch die ein oder andere misslungene Storyline (auf eine werde ich später hier noch genauer eingehen), beziehungsweise Handlungsstränge die einfach im Boden versandet sind(die Aufdeckung der Wahlfälschung von Peters Team, Damian Boyles kurzes Gastsspiel, Marilyn Garbanza), ohne wirklich zu etwas zu führen. Aber der wirklich positive Gesamteindruck dieser Staffel überwiegt deutlich.

Und wo verbleiben wir nun nach diesem Staffelfinale? Die wohl wichtigsten inhaltlichen Punkte sind sicher Dianes Angebot an Florrick Agos, sowie Elis Vorschlag an Alicia, selbst für den Posten der Obersten Staatsanwältin zu kandidieren. Gerade Dianes Schachzug hat mich persönlich wenig überrascht, denn einen derartigen Schritt konnte man doch schon eine Weile kommen sehen, denn schließlich hält Diane nicht mehr viel bei Lockhart/Gardner, seit Will tot ist und sie außer Kalinda keine wirklichen Verbündeten von Bedeutung mehr in der Kanzlei hat. Um dieses Schritt aus ihrer Position der Macht bei LG heraus zu tätigen, musste aber natürlich einiges passieren, denn bei Florrick Agos steht sie sicher nicht man an Nummer 1 innerhalb der Hierarchie. Aber sie hat Menschen um sich, mit denen sie doch auch bei allen Differenzen einiges verbindet, vor allem natürlich mit Alicia und aber auch Cary. Die Frage für die nächste Staffel bleibt jetzt nun, wie sich das Machtgefüge innerhalb der Firma nun verändert, denn Diane wird es sicher nicht leicht fallen, nun Anweisungen entgegen zu nehmen, während Cary sicher nicht ohne weiteres akzeptieren wird, Diane auf gleiche Stufe mit ihm und Alicia zu stellen.

Zumal die Beziehung zwischen den Gründungspartner hier auf einem absoluten Tiefstand angekommen ist. Auch wenn es hart war, Cary und Alicia so streiten zu sehen, mag ich es doch, wenn die beiden als eine Art harmonische Kernbeziehung fungieren, musste ich doch meinen Hut ziehen, vor der sehr gelungenen Referenz auf Will und Diane. Cary und Alicia sind die neuen Will und Diane, mit allen Höhen und Tiefen und wir haben in den guten alten Zeiten nicht nur Momente der Harmonie, sondern eben auch erbitterste Feindschaft zwischen Will und Diane gesehen. Die beiden waren zwei ausgeprägt spezifische Persönlichkeiten mit enormen individuellen Machtwillen, und Alicia und Cary spiegeln dies auch weiterhin wieder. Und am Ende muss ich mich in diesem speziellen Streit wohl auf Carys Seite schlagen, denn er wird immer im Schatten von Alicia stehen, die diesen kleinen aber feinen Bedeutungsunterschied zwischen ihnen aber wohl nie erkennen wird. Nun ist die Frage, wie sich Dianes Anwesenheit auf die auch so schon sehr fragile Machtbilanz auswirkt und genau diese Thematik verspricht einen aufregenden Auftakt für die sechste Staffel.

Wie ich mir die Idee, Alicia in die Politik zu schicken, vorzustellen habe, kann ich aktuell noch nicht wirklich einschätzen. Ich gehe davon aus, dass die Serien im Falle einer Kandidatur diese auch im breiten Umfange begleiten wird, schließlich hat "Good Wife" im Wahlkampfmodus mit Eli als Berater schon immer gut funktioniert, und mit Alicia als Kandidatin gäbe es da sicher einiges zu erzählen. Aber darüber hinaus stehe ich der Sache erstmal abwartend gegenüber. Da interessieren mich momentan doch eher logistische Frage, wie ob man Finn Polmar als Charakter behält und ob David Lee und Louis Canning zentral für die Geschichte bleiben oder eher in die Ränge der gelegentlichen Nebendarsteller zurückgestuft werden.

All diese Fragen werden mit der sehr gelungen Finalfolge #5.22 A Weird Year aufgeworfen, die in Bezug auf das Appetit auf die nächste Staffel machen ihre Aufgabe absolut perfekt erfüllt, als Einzelepisode aber doch auch ein paar Schwachstellen hat. Im Großen und Ganzen war es aber ein sehr gutes Staffelfinale, die Thematik rund um die Überwachung, die gerade im Zusammenhang mit der doch sehr prägenden NSA-Storyline dieser Staffel den zusätzlichen Aspekt aufgreift, wie es für denjenigen ist, der plötzlich andere heimlich belauschen kann. Sowohl die komplexen moralischen Fragen, die keiner der versierten Anwälte wirklich klären konnte, als auch die persönlichen Auswirkungen am Beispiel von Cary wurden hier wirklich wunderbar komplex dargestellt. Dabei hat man auch beeindruckend vieler der Nebendarsteller eingebunden, die zum Inneren Kreis gehören, also Robyn und Carey auf Seite von Florrick Agos, und Howard Lyman und Julius Cain bei Lockhart/Gardner.

Der Fall der Woche war dabei dieses Mal noch hintergründiger als in manch anderen Folge, was aber aufgrund der zahlreichen Vorfälle beim Streit zwischen den Firmen kein Problem war. Dafür konnte die Geschichte rund um Zachs Schulabschluss vor allem dank der beiden Damen Jackie und Veronica absolut punkten, spätestens als dann eine gehörige Portion Rotwein und später auch noch Eli ins Spiel kamen. Auch die kleine Parallele zwischen Alicia und Zach, die beide das Heim direkt nach dem Abschluss verlassen haben, war eine gelungene Geste.

Lediglich mit der Geschichte rund um Kalinda hatte ich wieder einmal meine Probleme. Kalinda als Vertraute und Verbündete von Diane ist eine wunderbare Kombination und man hat hier noch einmal bewiesen, dass es eine großartige Idee war, die beiden Frauen nach Wills Tod öfter zusammen agieren zu lassen. Aber sobald bei Kalinda die Liebe oder sagen wir eher der Sex ins Spiel kommt, wird es dann doch wieder problematischer. Ich weiß nicht wirklich, woran es liegt, mich beschleicht ja langsam die Befürchtung, dass ich Archie Panjabi in intimen Szenen einfach diese nötige Verletzlichkeit nicht abkaufe. Sie wirkt dabei immer derart hölzern und distanziert, dass für mich so gar keine Stimmung aufkommen mag. Und dass die Serie im Allgemeinen Probleme hätte, gute Szenen zwischen Sex und menschlicher Nähe darzustellen, kann man ja nun wirklich nicht behaupten. Aber während Josh Charles und Julianna Margulies in ihren Liebesszenen immer wieder mühelos ein fragiles Gefühl der Verletzlichkeit und eben Nähe zwischen den Figuren darstellen konnten, verpufft dies bei Kalinda immer sofort.

Von Carys Seite her war dies ein wirklich interessantes Dilemma, zumal er sicher nichtunbedingt überrascht davon war, dass Kalinda ihre Beziehung ausnutzt. Aber es ist natürlich noch einmal etwas ganz anderes, eine solche Dynamik vor allen Kollegen und zusätzlich allen Gegner ausgebreitet zu sehen. Die anschließende Bettszene zwischen Cary und Kalinda war dann aber in meinen Augen weder Fisch noch Fleisch. Die Absicht dahinter, dass Cary versucht die Machtdynamik zu drehen und irgendwie über Kalinda zu dominieren ist klar. Aber die Umsetzung konnte mich gar nicht überzeugen. Immer dieses gekünzelte unter der Bettdecke hereinplatzen, ohne dass wir jemals Cary und Kalinda untereinander agieren sehen, wenn sie allein sind, aber eben keinen Sex haben, bringt in meinen Augen keinerlei Erkenntnisgewinn für uns Zuschauer. Und es hat den Nachteil, dass diese Sexszenen einfach furchtbar anzusehen sind. Könnten wir uns der Cary-Kalinda-Beziehung auf eher persönlicher Ebene widmen, bin ich für alles offen. Dominant-passive Sexszenen mit dem Hintergrund des Informationsaustauschs hatten wir dagegen schon viel zu viele.

Abgesehen von diesem Punkt war dies aber ein sehr gelungener Abschluss einer großartigen Staffel. Nun heißt es nur noch, die Zeit bis September herumzubekommen, bis es dann endlich wieder neue Folgen von "Good Wife" gibt.

Cindy Scholz - myFanbase

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