Bewertung

Review: #6.01 Grenzüberschreitungen

Foto: Matt Czuchry, Good Wife - Copyright: Paramount Pictures
Matt Czuchry, Good Wife
© Paramount Pictures

Bei keiner Serie war meine Vorfreude auf die neue Staffel in diesem Sommer so hoch wie bei "Good Wife". Die vergangene Staffel war nahezu durchweg auf allerhöchstem Niveau und das in ihrem bereits fünften Jahr. Die Latte für die neue Season lag also sehr hoch und was soll ich sagen, ich wurde nicht enttäuscht. Im Gegenteil, der Auftakt konnte nahtlos an die zuletzt gebotene Qualität anknüpfen und das auch noch im wahrsten Sinne des Wortes, denn wir befinden uns wieder im Gespräch von Alicia und Eli, der sie gerade mit der Frage konfrontiert, ob sie nicht für das Amt des Bezirksstaatsanwaltes kandidieren wolle.

Dieser Cliffhanger aus der letzten Folge hatte mich schon damals etwas ratlos zurückgelassen, weil ich mir nicht sicher war und noch immer bin, ob ich dieser Storyline etwas abgewinnen kann. Ich kann mir Alicia eigentlich nur als Anwältin vorstellen. Gerade auch nach der eben erst gewonnenen Selbständigkeit fällt es schwer zu glauben, sie würde dies gleich wieder aufgeben bzw. eintauschen wollen. Zumal auch die Entwicklung ihrer Ehe mit Peter eigentlich dagegen sprechen sollte, dass sie sich jetzt öffentlich von ihm unterstützen lässt. Von meinen persönlichen Vorlieben in dieser Sache einmal abgesehen, war das aber vor allem in Bezug auf Eli sehr unterhaltsam. Zu schön, wie es ihm immer wieder gelingt, mit seinen kleinen Manipulationen die von ihm gewünschte Wirkung zu erzielen. Einmal mehr wurde James Castro ausgespielt und schon war auch Peter von seiner Idee überzeugt und ist nun für die Kandidatur seiner Frau. Das i-Tüpfelchen bildete dann noch der Besuch von Elis Tochter Marissa, die ich zugegebenermaßen schon wieder verdrängt hatte, die mit ihrer etwas ordinären, direkten aber keinesfalls dummen Art noch für den ein oder anderen Lacher sorgen konnte. Die Wiederaufnahme der Geschichte um Peters Praktikantin Lauren hätte ich ansonsten allerdings nicht gebraucht, aber das ist wirklich nur ein kleiner Kritikpunkt einer ansonsten gelungenen Inszenierung dieses Handlungsstranges.

Im Mittelpunkt stand als absolutes Highlight jedoch eine ganz andere Geschichte, nämlich die um Carys Verhaftung. Diese kann in ihrer Gesamtheit in dieser Review ja auch noch gar nicht bewertet werden, da sie noch zu gar keinem Abschluss gekommen ist. Ich bin mir noch nicht einmal sicher, ob das hier zum Staffelstart ein Zweiteiler werden wird oder ob die Autoren nicht weiter den inzwischen gar nicht mehr so schleichenden Prozess zur Entwicklung der Serie vom einstigen Procedural mit Charakterentwicklung hin zu einem fast schon lupenreinen Serial zur Umsetzung bringen. Aber auch wenn die Handlung um Cary noch keine Auflösung erfahren hat, war diese einfach nur stark und dass in jeder Beziehung. Stark war zunächst einmal die Leistung von Matt Czuchry, dem man das Leid seines Charakters Cary in jeder Szene nicht nur ansah (man denke nur an die Szene mit der Hand), sondern auch völlig abnahm und dazu noch bewundern musste, wie er zum Beispiel bei Kalindas Besuch im Gefängnis, auch noch seinen (Galgen-)Humor bewahren konnte. Stark war aber auch, wie diese Geschichte überhaupt aufgezogen wurde. War man anfangs noch völlig im Dunkeln, was hier überhaupt passiert, entspann sich mit der Rückkehr von Lemond Bishop, einer meiner absoluten Lieblings-Nebencharaktere, erst nach und nach die Tragweite von Carys Schicksal. Das wurde nebenbei so geschickt und natürlich mit den Entwicklungen bei Lockhart/Gardner oder der Einbindung von Finn Polmar verwoben, dass es mir beim Schreiben schon selbst schwer fällt, auf alle Aspekte überhaupt und noch dazu geordnet einzugehen. Besonders hervorheben will ich hierbei noch Kalindas Rolle in alldem. Das erste Mal seit langem hatte ich nämlich das Gefühl, dass sie ehrlich um Cary besorgt ist. Sofort ermittelt sie auf eigene Faust, besucht Cary und unterstützt ihn mit wertvollen Tipps. Da kann ich auch gut darüber hinwegsehen, dass es zu Beginn der Folge erst einmal danach aussah, Kalinda ginge es erneut nur um Sex, sei es nun mit Cary oder der zurückgekehrten Sophia, die sie im weiteren Verlauf letztendlich auch zu ihren oder besser gesagt Carys Gunsten einzuspannen wusste. Interessant war dabei aber auch, wie die sonst so taffe Ermittlerin Bishop und dessen Einfluss Respekt zollt. Sie weiß also sehr wohl, wem sie gewachsen und wem sie unterlegen ist. Das gefiel mir insgesamt sehr gut und so darf sich ihr Charakter auch weiterhin gerne präsentieren.

Auch wenn die Chemie zwischen Alicia und Finn seit dem ersten Aufeinandertreffen stimmte, so hat sie mich hier im Staffelauftakt sogar noch mehr überzeugt. Ich war nach dem plötzlichen Ende seiner Kandidatur am Ende der letzten Staffel durchaus etwas beunruhigt, wie man ihn zukünftig wohl in die Handlung einbinden wird, aber das gelang hier gleich ganz hervorragend und auch mit einem Augenzwinkern. Da bittet ihn Alicia um Hilfe, im nächsten Moment sind sie Gegner vor Gericht und Alicia fällt beim Anklagepunkt und der von ihm geforderten Kaution aus allen Wolken. Da hat Finn sie ganz schön überrumpelt und es war einfach schön zu sehen, wie die beiden trotzdem freundschaftlich miteinander umgehen können und dies auch untereinander thematisieren. Ob diese Harmonie letztendlich auch in einer Beziehung münden wird, werden wir sicher noch erleben. Aktuell freut es mich einfach zu sehen, dass Alicia eine Person gefunden hat, der sie zu vertrauen scheint und die sie auch wieder lachen lässt. Auch hier gilt: bitte gerne mehr davon.

Die Ereignisse um Cary haben die Verhandlungen von Florrick/Agos mit Diane über deren möglichen Eintritt in die Kanzlei natürlich erst einmal in den Hintergrund rücken lassen. Dennoch spielte Diane in der Folge eine nicht unerhebliche Rolle, die verschiedene Aspekte aufbrachte. Zunächst einmal ist ihr nämlich nicht entgangen, dass Alicia und Cary bezüglich ihres Einstiegs nicht einer Meinung sind. Ob sie Alicia allerdings mit dem Motto "Frauen an die Macht“ zu überzeugen weiß, da bin ich mir doch etwas unsicher. Zwar musste sich Alicia in ihrem Leben immer wieder auch gegen Peter behaupten, aber als eine Hardlinerin in Sachen Feminismus habe ich persönlich sie bisher nicht erlebt. Carys Vorbehalte könnten aber nach der ganzen Sache, auch verflogen sein, sollte Diane es schaffen, ihn von der ganzen Sache unbeschadet vor Gericht freigesprochen zu bekommen. Es war jedenfalls eine kluge Überlegung der Autoren, das Drehbuch dahingehend zu gestalten, dass Alicia sich gezwungen sieht, Diane um Carys Vertretung zu bitten. Wie gesagt, das fühlte sich alles so harmonisch an, wie hier die Handlungsstränge ineinandergriffen, ohne dabei aufgesetzt zu wirken. Das gilt auch für David Lee und Louis Canning, die aufgrund der vielen Schauplätze quasi zu Nebenfiguren avancierten. Hallo, Michael J. Fox nur als Nebenfigur in einer Folge? Die Gewichte haben sich verschoben bei "Good Wife“ und das bahnt sich inzwischen seit Längerem auch bei Lockhart/Gardner an. Meines Erachtens war es allerdings nicht besonders geschickt von Diane, ihren Rückzug aufs Altenteil zu verkünden. Das musste Lee und Canning ja geradezu misstrauisch machen. Als dann auch noch Alicia bei ihr in der Kanzlei wegen der Hilfe bei Cary auftauchte, machte es das auch nicht subtiler. Nun geht also auch noch das Rennen um Dianes Klienten los und David Lee weiß dieses Spiel natürlich besonders schmutzig zu spielen. Das wird uns sicher noch das ein oder andere Mal in nicht allzu ferner Zukunft beschäftigen und dürfte für gute Unterhaltung sorgen.

Zwei Dinge möchte ich noch kurz erwähnen. Robyn haben wir in der fünften Staffel nicht allzu häufig erleben dürfen, was ich persönlich sehr schade finde, weil sie mit ihrer verpeilten Art einen erfrischenden Gegenpart zu Kalindas Ermittlungsmethoden bietet. In dieser Folge gefiel mir aber auch ihre mitfühlende Seite für Cary, für den sie sogar bereit ist, ihr Gespartes locker zu machen. Das zeichnet sie noch einmal eine Spur sympathischer, als sie es ohnehin schon ist und ich hoffe, dass sie im Zuge der möglichen Entstehung von Florrick/Agos/Lockhart nicht zugunsten von Kalinda auf der Strecke bleibt und somit auch von Cary enttäuscht werden wird. Da fällt mir ein, wo war eigentlich Clarke in der Kanzlei-internen Diskussion über das Aufbringen von Carys Kaution? Gerade er hat doch auch immer ein gutes Verhältnis zu Cary. Bei den vielen genutzten Charakteren in dieser Episode hatten die Autoren vielleicht aber auch das Gefühl, auf ihn verzichten zu können. Und mir fiel sein Fehlen ja auch gerade erst beim Schreiben dieser Review auf.

Was mir an der Folge noch etwas negativ aufstieß, war die Darstellung der Polizei und des Gefängnisses. Ich mag mir eigentlich gar nicht vorstellen, dass in einem zivilisierten Land wie den USA, wirklich so drangsalierend und tyrannisch mit Gefangenen umgegangen wird. Das ging ja schon bei der Art der Verhaftung los, bei der der arme Cary gar nicht wusste wie ihm geschieht und sich ja auch überhaupt nicht wehrte. Auch diese Massenhaltung in der Untersuchungshaftzelle, die so dunkel wie ein mittelalterlicher Kerker wirkte, spiegelt hoffentlich nicht die Realität wieder. Mir fiel es dann beim Anblick von Marty Weaver aus der nach der letzten Season bei ABC abgesetzten Comedy "The Neighbors“ aber auch nicht ganz einfach, dessen Darsteller als gestrengen Wärter zu akzeptieren. Das lockerte die Sache zumindest für mich noch ein wenig auf.

Fazit

Das war wirklich ein starker Staffelauftakt, in dem bereits die Grundsteine für zahlreiche, vielversprechende Handlungsstränge gelegt wurden, die mich umso mehr auf die kommenden 21 Folgen freuen lassen. Äußerst packend war natürlich alles rund um die Verhaftung von Cary. Aber auch Elis Schachzüge, um Peter eine Kandidatur von Alicia schmackhaft zu machen und die tolle Chemie zwischen ihr und Finn boten tolle Szenen. Aufgrund der Fülle an Geschichten war es geradezu schon eine Verschwendung, Louis Canning lediglich als Nebenfigur am Rande einzusetzen. Das kann sich auch nur "Good Wife“ leisten.

Jan H. – myfanbase

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