Bewertung

Review: #1.03 Alle abenteuerlustigen Frauen haben das

Foto: Zosia Mamet, Girls - Copyright: 2012 Home Box Office, Inc. All Rights Reserved.
Zosia Mamet, Girls
© 2012 Home Box Office, Inc. All Rights Reserved.

Drehte sich die letzte Folge im Kern um das Thema Abtreibung und steifte nebenher noch das Thema Geschlechtskrankheiten, geht es in der dritten Folge merklich ruhiger, aber keineswegs weniger witzig oder ehrlich-direkter zu. Das bemerkenswerte an dieser Folge ist insgesamt auch weniger die Handlung selbst, die insgesamt recht überschaubar ausfällt, sondern die Gestaltung der einzelnen Handlungselemente, die wieder mit viel Verve und einigen, kleinen, aber feinen wunderbaren Einzelmomenten eine zutiefst unterhaltsame und mit starken Dialogmomenten überzeugende Folge darbieten, die eine konsequente und qualitativ nicht minder überzeugende Fortführung dieses Serienkleinods darstellt.

"Try and give less of a shit."

Für Marnie beginnt die dritte Folge sogleich mit einem Schock, präsentiert ihr Charlie doch seine neue Kurzhaarfrisur, die er sich aus Solidarität für eine an Krebs erkrankte Kollegin hat schneiden lassen. Was auch in den ersten beiden Folgen immer und immer wieder deutlich wurde, manifestiert sich auch in dieser kleinen Szene: Charlie ist ein grundanständiger, lieber, sich um andere Personen bemühender Mensch, dessen positive Attribute es aber gerade sind, die Marnie zunehmend langweilen und anöden, die ihr keine Aufregung, keine unvorhergesehenen Abenteuer, sondern vielmehr nur beständige Gutherzigkeit bieten. Selbst das völlige Abrasieren der eigenen Haare ist da kein revolutionärer, mutiger Akt purer Wildheit, sondern nur eine nette solidarische Geste, die damit sehr gut ins Muster dieses Charaktertyps passt.

Im Kontrast zu dem netten und sich stets bemühenden Charlie steht der in dieser Folge eingeführte charismatische Künstler Booth Jonathan, den Marnie auf der Eröffnung einer Kunstausstellung ihrer Galerie kennenlernt und der all das bietet, was Charlie ihr beim besten Willen nicht bieten kann: Er strahlt eine Lässigkeit, Coolness und Ungezwungenheit aus, weiß stets das richtige zu sagen und macht einen fast erhabenen, über den Dingen stehenden Eindruck. Er ist kein lieber und netter Junge von Nebenan, sondern ein angesehener Künstler, der sich wie selbstverständlich in der Glitzer- und Glamourwelt der New Yorker Kunstszene bewegt und ein eher archaisches Männlichkeitsbild verkörpert. Er strahlt eine mehr altmodische, weniger verweichlichte oder verwaschene Form der Männlichkeit aus und bringt Marnie gerade damit zu höchster Erregung, die sie vollkommen überwältigt.

Diese Gegenüberstellung des alten und neuen Männlichkeitstypus gelingt in dieser Teilgeschichte ausgesprochen gut und zeigt überaus deutlich auf, woran es Marnie in ihrer langjährigen Beziehung wirklich mangelt. Schon in der letzten Folge hat Charlie mehr ironisch versucht, ein wenig härter und weniger lieb und nett zu wirken, mit wenig Erfolg. Dies zu erzwingen ist auch nicht wirklich möglich, was die Beziehung zwischen Marnie und Charlie in Zukunft auch auf eine harte Bewährungsprobe stellen wird. Marnie sehnt sich nach einem anderen Typus Mann, der ihre beziehungsinterne Leere auszufüllen vermag. Charlie gelingt dies momentan nur marginal und obwohl sie ihn auf bestimmten Ebenen sicherlich sehr liebt, ist das Ende der Beziehung wohl nur noch eine Frage der Zeit.

"Can I hug you goodbye?"

Hannah steckt unterdessen weiterhin in ihrer ganz eigenen, nicht klar definierten Beziehung mit Adam, der sich auch in dieser Folge wieder seinem bisher vorgestellten Charaktertypus entsprechend verhält. In den seltensten Momenten verhält sich Adam wirklich in irgendeiner Form sympathisch, trotzdem freut man sich jedes Mal, wenn er in einer Szene auftaucht, da sein ganzer Typ, sein zur Schau gestelltes Desinteresse, seine einzigartige Coolness einfach die Wirkung nicht verfehlen und so versteht man irgendwie auch, warum Hannah sich so viel Mühe mit diesem Typen gibt, der sich ihr gegenüber selten revanchiert. Und so verkleidet sich Hannah als eine Art Gothic-Hexenbraut und überrascht damit einen sichtlich begeisterten Adam, der sich von dieser Art von sexuellen Rollenspielen weiterhin schwer begeistert zeigt. Trotz dieses von Hannah betriebenen Aufwands verhält er sich aber trotzdem wenig einfühlsam und reagiert geradezu zickig, als Hannah ihn mit ihrer Geschlechtskrankheit und der Möglichkeit, dass er der Überträger ist, konfrontiert. So wirklich weiterentwickeln tut sich diese Beziehung also nicht, trotzdem ist die Dynamik zwischen Hannah und Adam auf eine ganz besondere Art spannend anzusehen.

"So you're gay?"

Hannahs Infektion mit der übertragbaren Geschlechtskrankheit HPV führt zu einer interessanten und besonders für Hannah aufschlussreichen Konfrontation mit ihrem Ex-Freund Elijah, welche in einem wunderbaren, mit tollen und herrlich unterhaltsamen Dialogpassagen gespickten verbalen Schlagabtausch in einem Restaurant mündet, in dem herauskommt, dass Elijah schwul ist. Hannahs enorme Selbstbezogenheit führt sofort dazu, dass sie dieses Geständnis auf sich selbst projiziert und sich in ihrem persönlichen Selbstverständnis angegriffen fühlt, auch deshalb, weil Elijah Hannah noch dafür lobt, dass ihre Beziehung ihn schließlich zu seinen wahren Gefühlen und seiner Persönlichkeitsstruktur geführt hat. In dieser ganzen Gesprächspassage kommen die geschliffenen, pointierten und von Lena Dunham mit viel verbaler Schlagkraft geschriebenen Dialoge ausgezeichnet zu Entfaltung. Auch die Darsteller wissen viel mit diesen Dialogen anzufangen und kreieren starke, kleine Einzelmomente, bei denen deutlich wird, dass manchmal das "Wie" bedeutender ist als das "Was". Hannah kehrt schließlich mit dem Wissen nach Hause zurück, dass nicht nur ihr ehemaliger fester Freund, mit dem sie zwei Jahre zusammen war, schwul ist, sondern dass Adam sie höchstwahrscheinlich die Geschlechtskrankheit betreffend angelogen hat - und einen Job hat sie auch immernoch nicht gefunden. Kanalisieren tut sie diese ganzen Enttäuschungen in einer wilden Tanzeinlage, in die schließlich auch noch Marnie einsteigt und die einen als Zuschauer leicht euphorisiert zurücklässt. Die Power und authentisch-ungezwungene Stimmung dieser Serie springt in dieser letzten Szene schließlich auch noch komplett auf den Zuschauer über.

"Maybe your taste is awful."

Da sich ihr Schwangerschaftsproblem in der letzten Folge von selbst gelöst hat, kann sich Jessa nun auf andere Dinge konzentrieren und es scheint fast so, als ob dieses fast existenzialistische Problem der eigenen Schwangerschaft sie ein wenig hat reifen lassen, bringt sie mit Annahme eines Babysitterjobs doch nun ein wenig Struktur in ihr Leben. Die Einbeziehung Jessas in das Familienleben einer relativen erfolgreichen Dokumentarfilmerin wird wohl auch noch in den nächsten Folgen Thema bleiben. Das Highlight dieser Storyline war die kurze Erzählung eines der zu beaufsichtigten Kinder, in der es sich unter anderem um Alkoholismus drehte. Das Künstlermilieu und das Aufwachsen mit einer Mutter, die plötzlich in die Armut geratene Menschen filmisch begleitet, sind auch an diesen Kindern nicht spurlos vorbeigegangen. Diese schräge, artifizielle künstlerische Parallelwelt sorgt also weiterhin für amüsante Zwischenmomente. Weiterhin trifft Jessa auch auf den Vater der Kinder, der wohl arbeitslos zu sein scheint, mit dem Jessa sich auf Anhieb extrem gut versteht und der wohl in Zukunft auch noch eine zentralere Rolle einnehmen wird. Jessas Storyline war insgesamt aber eher ein ganz amüsantes und weitere Storylines vorbereitendes Intermezzo.

Fazit

Die Serie bleibt auch in der dritten Folge dem ganz eigenen Ton und Stil treu und kreiert wieder einige bemerkenswerte, schräg-unterhaltsame Momente, die größtenteils von den stark geschriebenen und schauspielerisch authentisch herübergebrachten Dialogpassagen und den einzigartigen und komplexen Charakteren leben. Die Serie scheint ihren ganz eigenen Rhythmus überraschend frühzeitig gefunden zu haben.

Moritz Stock - myFanbase

Die Serie "Girls" ansehen:


Vorherige Review:
#1.02 Vagina Panik
Alle ReviewsNächste Review:
#1.04 Hannahs Tagebuch

Diskussion zu dieser Episode

Du kannst hier mit anderen Fans von "Girls" über die Folge #1.03 Alle abenteuerlustigen Frauen haben das diskutieren.