Bewertung

Review: #4.16 Nichts ist, wie es scheint

Foto: Fringe - Grenzfälle des FBI - Copyright: Warner Bros. Entertainment Inc.
Fringe - Grenzfälle des FBI
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Am Anfang dieser Episode musste ich ja doch sehr schmunzeln. "Mir persönlich war die Mischung aus Philosophie und Wissenschaft in dieser Folge einfach zu viel und an dieser Stelle habe ich mir das erste Mal wirklich gewünscht, dass man sich wieder ein wenig auf die Quintessenz der ersten Staffeln zurückbesinnt", schrieb ich in einem Absatz der Review zur letzten Episode. Da wurde ich wohl ein wenig zu wörtlich genommen. Mit #4.16 Nothing As It Seems bekamen wir nicht nur eine Episode zu sehen, die sich tatsächlich mehr auf die Quintessenz der ersten Staffel zurückbesinnt, sondern eine Episode, die gleich einen kompletten Fall aus der ersten Staffel wieder aufgreift. Und weil es die Autoren ja nur gut meinen, bekam man nicht nur einen Fall aus der ersten Staffel wieder aufgetischt, sondern auch gleich die identischen Anfangsminuten aus der entsprechenden Episode. Wenn schon, denn schon, meint ihr nicht?

"I like porcupines. It shows that God has a sense of humor."

Ja, theoretisch hätte man den Autoren von #4.16 Faulheit oder Einfallslosigkeit vorwerfen können, denn irgendwie war man zu Beginn doch sehr ratlos, weshalb man uns, für die ersten Minuten, exakt die gleiche Ausgangssituation samt der gleichen Anfangsszene lieferte, wie in der Staffel 1-Episode #1.13 Conrad. Gleichzeitig hatte das ganze aber einen recht positiven Nebeneffekt, da man von Beginn an ziemlich interessiert daran war, welchen Sinn es hat, dass die Autoren ausgerechnet den Fall um das Mittelchen wieder auskramen, das aus Menschen bestienähnliche Kreaturen macht.

Eine 1:1-Kopie von #1.13 war natürlich von vorneherein auszuschließen, doch ging man davon aus, dass wir es mit #4.16 nur mit einer zusammenhangslosen Fall der Woche-Episode zu tun haben werden, in der noch einmal der Zeitebenenwechsel ausgenutzt wird, um einen alten Fall zu rekonstruieren, aber diesmal in andere Richtungen entwickeln zu lassen. Zu meiner Freude musste man dann aber nicht allzu lange warten, bis sich herausgestellt hat, dass "Fringe" wieder einmal in bester #3.02 Der Kasten- oder #3.06 6955 kHz-Manier eine Brücke zwischen dem auf den ersten Blick belanglosen Fall und einem wichtigen Handlungselement geschlagen hat, nämlich der Story um David Robert Jones. Tatsächlich brachte uns die Folge so weit, dass wir nun auch endlich durchblicken, was Jones' eigentlicher Plan ist. Bisher war ja nie so wirklich klar, was der charismatische Bösewicht denn in dieser Staffel plant, aber bereits sein Wirken in #4.12 Welcome to Westfield ließ ja durchaus erahnen, dass die beiden Universen nicht unbedingt von seinen Plänen profitieren würden.

Ehrlich gesagt bin ich froh, dass man Jones in dieser Staffel wieder zurückgeholt hat. Nicht nur, weil er eben als Bösewicht eine solch tolle Figur abgibt, sondern auch, weil man ihm jetzt ein würdigeres Ende liefern kann. In der ersten Staffel war es ja wirklich enttäuschend, dass der große Plan des so genialen Jones lediglich daraus bestand, auf die andere Seite zu reisen, um William Bell zu töten, da Jones sich von diesem nicht wirklich respektiert gefühlt hatte. Eigentlich eine recht langweilige Geschichte, die noch dazu so gar nicht zu Jones' Charakter passen wollte. Nun in Staffel 4 wartet Jones allerdings mit einem Plan auf, der größenwahnsinniger gar nicht sein könnte und genau deshalb so gut zu ihm passt: Jones will der Gründer einer neuen Welt sein, die von einer neuartigen Art von Menschheit bevölkert werden soll – wenn man jene Bevölkerung denn wirklich noch als Menschheit bezeichnen kann, schließlich würde die neue Weltbevölkerung dann aus zu groß geratenen Stachelschweinen mit Flügeln oder anderen bizarren Kreaturen bestehen. Das jedenfalls ließ der grandiose Cliffhanger dieser Episode vermuten, während dem es mir irgendwie eiskalt den Rücken runterlief.

Natürlich ist diese Entwicklung absolut abgefahren und auch ziemlich radikal, wenn man bedenkt, wie harmlos diese Staffel vor allem zu Beginn war. Aber ich meinerseits bin tierisch gespannt auf die weitere Entwicklung, denn diese Story verspricht wirklich sehr spannend zu werden. Durch die mysteriöse Sekte rund um Jones, deren fanatische Anhänger sich bereit erklärt haben, Kinder dieser neuen Welt zu werden und der ominösen Keilschrift, die diese Mitglieder als Erkennungssymbol benutzen, hatte das ganze auch noch etwas sehr Mystisches und erinnerte sehr stark an #3.06, als das erste Mal der Begriff "Erste Menschen" fiel. Auch hier war übrigens der Buchhändler Markham zu sehen, auf den ja immer wieder zurückgegriffen wird, sobald die Serie irgendeinen pseudomythologischen Stoff thematisiert. Schade, dass das nicht öfter der Fall ist, denn diese Szenen sind definitiv immer eine sehr interessante Angelegenheit und der Charakter Edward Markham zudem noch ein extrem amüsanter Nebencharakter, der auch in dieser Zeitebene nichts von seiner fragwürdig charmanten Art gegenüber Olivia eingebüßt hat. Enttäuscht war ich übrigens von Gina Holdens Gastauftritt als Hicks Freundin Kate. Mit ihr hatte man eigentlich eine Darstellerin in petto, die gerade bei den Jüngeren durch ihr Mitwirken in "Final Destination 3", "Harper's Island" und "Life Unexpected" durchaus keine Unbekannte war, hier aber zu einem völlig profillosen Nebencharakter dritter Klasse degradiert wurde, die immerhin Lincoln ein Paar verpassen durfte. Wirklich punkten konnte Gina Holden in dieser Episode aber definitiv nicht. Schade, dass es kein Interview gibt, in dem ihre durchaus sympathische Art zum Vorschein kommt. Huch, da haben wir ja eins. So ein Zufall.

"If you're sixty percent of the Olivia Dunham that I knew, then you're still better than ninty percent of the agents that I've ever worked with."

Neben dem Fall stand Olivia im Vordergrund, die sich den Konsequenzen ihrer schwindenden eigenen Erinnerungen stellen musste und von Broyles zwangsbeurlaubt wurde, da er sie nicht mehr für einsatzfähig hielt. Zu Beginn war diese Handlung noch recht interessant, besonders wegen der Szene mit der Psychiaterin Dr. Anderson, die wir Zuschauer bereits aus #3.01 Olivia kennen. Leider hatte man bereits von Anfang an so den leisen Verdacht, dass Olivias Beurlaubung nicht allzu lange anhält und sie bereits am Ende der Episode wieder zum Team gehören würde. So kam es dann letztendlich auch, natürlich samt den obligatorischen Lobeshymnen seitens Broyles, sodass diese Nebenhandlung relativ unnütz war.

Dann gab es noch vermehrt Szenen mit Lincoln, in denen immer wieder klar wurde, dass er offenbar unter den jüngsten Entwicklungen bei Olivia und Peter zu leiden hat. Dass er für Olivia zu schwärmen scheint, wurde bereits immer mal wieder angeschnitten und scheint auch Peter nicht entgangen zu sein. Daher kam es auch zu einer kleinen Aussprache zwischen ihm und Lincoln, die ich noch sehr schön mit anzusehen fand. Leider wurde in dieser Episode aber zu oft angedeutet, dass Lincoln momentan das fünfte Rad am Wagen ist und irgendwann konnte ich seine pessimistischen Blicke auf Peter und Olivia nicht mehr sehen. Überhaupt frage ich mich noch nach dem Sinn des Charakters. Klar, zu Beginn der Staffel war Lincoln dafür da, die Lücke zu schließen, die Peters Verschwinden hinterlassen hatte und er und Olivia gaben auch ein sehr überzeugendes Team ab. Nach Peters Rückkehr wurde aber von Folge zu Folge deutlicher, dass Lincoln leider ein wenig überflüssig wird. Auch er scheint das ja langsam zu merken, weshalb es vielleicht gar keine so schlechte Idee wäre, würde Lincoln dem Team den Rücken zukehren. Schließlich gibt es auf der anderen Seite noch Alt-Lincoln, den man schon seit der dritten Staffel ins Herz geschlossen hat und mir persönlich auch einen größeren Unterhaltungswert aufweist.

Riesigen Spaß machten aber mal wieder die Momente mit Walter, diesmal besonders in Kombination mit Lincoln. Denn wenn dieser mal nicht trauernd in der Ecke saß und ein Gesicht in bester Edward Cullen-Manier auflegte, sorgte er zusammen mit Walter für einige sehr witzige Szenen. Ein herrliches Beispiel sei der Moment, in der Walter Lincoln ganz nebenbei und absolut gelassen mitteilte, dass auch er sich bald in eine Bestie verwandeln könnte und ihn mit einem Erdnussbutter-Bacon-Sandwich zu beruhigen versuchte. Auch einige Oneliner aus dieser Episode gehören definitiv in eine "Best of Walter"-Sammlung, die man sich unbedingt einmal zusammenstellen müsste.

"Creating a human flying porcupine-hybrid was not his end game."

Fassen wir also einmal kurz zusammen: Jones ist im Besitz von Gestaltwandlern, die durch ein neuartiges Serum noch um ein Vielfaches gefährlicher ausfallen als die, die wir vorher kannten (#4.05 Novation), Jones ist im Besitz eines Minerals namens Amphilizit, womit es ihm problemlos gelingt, eine komplette Stadt auszulöschen (#4.12 Welcome to Westfield), Jones ist im Besitz von Cortexiphan, womit er wahrscheinlich nicht nur bei Olivia die gefährlichsten Fähigkeiten hervorrufen lassen kann (#4.14 The End of All Things) und jetzt ist er also auch noch im Besitz von zahlreichen bestialischen und bizarren Kreaturen, mit denen er eine ganze Welt neu bevölkern möchte.

Keine Frage: Spätestens nach dieser Episode ist Jones genau die Art von größenwahnsinniger Bösewicht, die man sich in fast jeder Serie wünscht. Die ein oder anderen werden die Entwicklungen für zu absurd oder abgefahren halten, für mich passt das ganze jedoch viel besser zu "Fringe" als all die philosophischen und metaphysischen Elemente, auf die die Serie in #4.15 A Short Story About Love wieder zurückgegriffen hatte. In #4.16 Nothing As It Seems war von denen wiederum keine Spur zu erkennen, dafür ein zu Beginn belangloser Fall, der jedoch durch das absichtliche Déjà-vu-Erlebnis von Anfang an interessant war und letztlich sogar die Weichen für die letzten sechs Episoden der Staffel richtete. An einigen Stellen wirkte die Episode zwar ein wenig unausgegoren und einige Handlungselemente ein wenig störend, aber unterhaltsamer als die Folge zuvor war #4.16 allemal.

Manuel H. - myFanbase

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