Bewertung

Review: #1.12 Alles zerbrochen

Die vorangegangene Folge versprach ein spektakuläres Staffelfinale. Nun stehe ich vor der Frage, ob dieses Versprechen auch tatsächlich gehalten wurde. Ich bin mir da nicht sicher. Diese letzte Folge der ersten Staffel von "Defiance" bietet viel, wirkt zugleich aber irgendwie unfertig. Eine Menge Dinge passieren Schlag auf Schlag, während so manche wichtige Themen vollkommen ausgespart werden. Am Ende stehen viele Unklarheiten und der Wunsch, dass diese Folge nur der erste Part eines zweiteiligen Finales wäre. Dem ist aber nicht so. Das Warten auf die zweite Staffel beginnt.

Nachdem wir uns die ganze Season über gefragt haben, was es mit dem goldenen Artefakt, das einige Zuschauer liebevoll "Goldene Bretzel" getauft haben, und mit Irisas Visionen auf sich hat, bekommen wir gleich zu Anfang dieses Finales, fast schon beiläufig, die Antworten. Das Artefakt ist einer von zwei Schlüsseln für ein 3000 Jahre altes, sehr mächtiges Raumschiff, das in den Minen versteckt liegt. Irisa trug seit sie ein Kind war den zweiten Schlüssel, das silberne Artefakt, in sich. Während Doc Yewlls Eingriff hat sich das silberne Artefakt mit der Goldbretzel verbunden. Somit besitzt Irisa nun beide Schlüssel. Selbstverständlich fehlen uns noch sehr viele Informationen, die dieses Raumschiff betreffen, aber wir wissen plötzlich deutlich mehr, als in den 11 Episoden zuvor. Das fühlt sich fast schon merkwürdig an.

Datak gewinnt nicht überraschend die Bürgermeisterwahl, kann sich aber kaum mehr als ein paar Augenblicke darüber freuen. Er muss feststellen, dass er für die Republik Erde nur ein Werkzeug war und überhaupt keine Kontrolle besitzt. Die Frage aus meiner letzten Review, wer eigentlich wen ausnutzt und am Ende übervorteilt, wird damit unmissverständlich beantwortet. Datak ist der Republik auf den Leim gegangen. Colonel Marsh und seine Leute wissen von dem Raumschiff in den Minen und haben Dataks Gier ausgenutzt. Man kann als Zuschauer nicht umhin, einen Hauch Schadenfreude zu empfinden. Datak hat sich nach all den schmutzigen und brutalen Tricks, die er angewendet hat, um die Karriereleiter zu erklimmen, diese Lektion verdient. In seinem verletzten Stolz tötet er Colonel Marsh und macht sich und Stahma damit zu Gejagten. Das Streben nach Macht hat dieses Paar an den Abgrund geführt.

In den Abgrund gestürzt wird Kenya. Sie erliegt, so scheint es zumindest, einem Giftanschlag von Stahma. Die Möglichkeit, dass Kenya von Stahma nur außer Gefecht gesetzt wurde, um Datak Glauben zu machen, sie wäre tot, ist durchaus noch gegeben, aber im Moment sieht es eher so aus, als sei Kenya nicht mehr am Leben. Die Szene zwischen Kenya und Stahma im Wald ist eines der Glanzstücke dieses Finales. Es ist verstörend, traurig und seltsam romantisch, wie Stahma die entschlafende Kenya in den Armen hält, ihr vorsingt und sie als "schöner kleiner Mensch" bezeichnet. Zu Beginn von "Defiance" habe ich Alak und Christie noch als stereotypisches Romeo & Juliet-Pärchen abgetan, nie hätte ich gedacht, dass der Gifttod, eines der berühmtesten Motive aus Shakespeares Geschichte, am Ende bei Kenya und Stahma eine Rolle spielt.

Über Stahma könnte man Unmengen von Seiten schreiben. Sie hat viele Facetten und erinnert immer wieder an Figuren aus klassischen Dramen, wie etwa an Lady Macbeth, mit der ich sie ja schon mehrfach verglichen habe. In dieser Episode sehen wir etwas, dass wir bei ihr noch nie zuvor gesehen haben: nackte Angst. Sie fürchtet sich panisch vor Datak, nachdem er hausgefunden hat, dass sie eine Affäre mit Kenya hatte. Stahma weiß, dass sich die Eigenschaften, die sie an Datak liebt, die Grausamkeit und der unbändige Stolz, jederzeit gegen sie selbst richten können. Damit, dass sie für Datak Intrigen spinnt, schützt sie also auch ein Stückweit sich selbst. Andere sollen Dataks Opfer werden, nicht sie. Und auch nicht Kenya.

Noch emotional mitreißender als die Szenen zwischen Stahma und Kenya bzw. Stahma und Datak, ist der Moment, in dem Nolan in Irisas Armen stirbt und sie ihm sagt, dass sie ihn liebt. Man weiß gar nicht, was man als Zuschauer zuerst tun soll, sich die Tränen aus den Augen wischen oder den Mund zuklappen, der weit offen steht, weil gerade der Hauptheld der Serie das Zeitliche segnet. Die emotionale Wucht dieser Szene lässt im Nachhinein dadurch, dass Nolan durch Irisas Opfer wieder zum Leben erweckt wird, etwas nach, aber immerhin bleibt so die Hoffnung bestehen, dass wir in der zweiten Staffel noch mehr tolle Vater-Tochter-Momente zwischen Nolan und Irisa sehen werden. Ob Irisa ihr Opfer für Nolan überlebt, wissen wir zwar noch nicht, aber ich halte es für ziemlich wahrscheinlich. Das sie schlicht tot ist, wäre viel zu einfach nach all den Mysterien.

Zu den Aspekten, die in diesem Finale völlig außen vor sind, gehören Alaks Verhältnis zu seinen Eltern, und auch Quentins Verbleib. Er wurde zuletzt nicht einmal mehr erwähnt. Wir lernen zudem mit Jonah Keller, besser bekannt als Black Jonah, einen neuen Schergen der Republik Erde kennen. Was ist mit Olfin Tennety passiert? Sie war doch schon sehr schön als Miststück in Position gebracht, warum ist sie jetzt nicht dabei? Weiß sie gar nichts von dem Raumschiff?

Rynns Rolle in diesem Staffelfinale fällt auch sehr viel harmloser und unbedeutender aus als ich es nach ihrer überraschenden Rückkehr am Ende der Vorfolge erwartet habe. Sie stellt keine Gefahr für Irisa dar, sondern hilft ihr, um damit Sukar zu ehren, und bringt nur verbal zum Ausdruck, dass sie Nolan nicht verzeihen will. Für jemanden, der aus Rache schon riesige Mörderkäfer losgelassen hat, ist das ein bisschen wenig. Da Defiance nun in der Gewalt der Republik Erde ist, könnten die letzten verbliebenen Spirit Riders einschließlich Rynn aber wieder wichtig werden für eine Befreiung der Stadt.

Man kann diesem Staffelfinale keine schweren Fehler vorwerfen, aber auch nicht die Klasse bescheinigen, die möglich gewesen wäre. Letztlich aber ist das wichtigste Ziel erreicht: der Zuschauer wartet sehnsüchtig auf Staffel 2.

Maret Hosemann - myFanbase

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