Bewertung

Review: #1.06 Sic Mundus Creatus Est

Foto: Oliver Masucci, Dark - Copyright: Stefan Erhard/Netflix
Oliver Masucci, Dark
© Stefan Erhard/Netflix

Man kann diese Episode in zwei Aspekte aufteilen. Da haben wir zum einen die Erzählung um die wachsenden Erkenntnisse von Ulrich und Jonas, zum anderen gibt es da die Trauerbewältigung von Familie Nielsen und deren jahrelanger Zwist mit Regina, der aufgrund falscher Tatsachen entstand. Während Jonas und Ulrich dem Geheimnis der Windener Höhlen immer näherkommen, kann man den schon beinahe epischen Hergang der Geschichte sehr gut genießen. Etwas abfallen tut dagegen der restliche Teil der Episode, der durch großen emotionalen Ballast zu überzeugen versucht, dabei aber eine Spur zu dick aufträgt.

Sic Mundus Creatus Est

Von jetzt auf gleich an das Übernatürliche glauben? Hinnehmen, dass der eigene Vater als Kind durch die Zeit gereist ist? Die Balance aus logischer Skepsis gegenüber den Worten seines Vaters und der Erkenntnis, dass an ihnen etwas Wahres dran sein muss, gelingt Jonas sehr gut. Man merkt ihm deutlich an, wie er versucht das Gelesene zu verarbeiten und kurz davor ist, seine Mutter einzuweihen. Zaghaft fragt er, wie sie und Michael sich kennengelernt haben und schreckt dann doch davor zurück, Hannah in Michaels Geheimnis einzuweihen. Da man ihm nicht glauben würde, versucht er, der Geschichte noch einmal selbst auf den Grund zu gehen und es verschlägt Jonas erneut in die Höhlen. Mit dem Werkzeug des Fremden ist er dort wesentlich erfolgreicher als bei seinem ersten Versuch und man fiebert mit ihm, als er durch die immer enger werdenden Gänge kriecht. Die vielverheißenden Worte auf Latein, die die Erschaffung der Welt ankündigen, lassen den Zuschauer – genau wie Jonas – ehrfürchtig innehalten, bevor der Junge die Hand nach dem Griff ausstreckt. Zum wiederholten Mal kommt es zum mysteriösen Flackern aller Lichter, das die siedende Stimmung sehr gut widerspiegelt. Nun wissen wir zudem auch, was es mit dem Flackern auf sich hat, denn es ereignet sich jedes Mal, wenn jemand zwischen den Jahren reist und die Tür mit dem lateinischen Schriftzug öffnet. Voller Anspannung verfolgt man, wie Jonas die Höhlen wieder verlässt. Gleichzeitig hofft man, dass ihm die Reise durch die Zeit gelungen ist, man hat aber auch Angst vor den Konsequenzen, die der Trip in ein Winden von vor 33 Jahren mit sich bringen wird. Es ist im Jahr 1986 tatsächlich wie in einer Parallelwelt, doch statt der Bilder von Mikkel sind es die von Mads, die überall aushängen. Auch dass Jonas zuerst auf Hannah trifft, mit deren 33 Jahre älterem Ich er gerade noch am Tisch gesessen hat, greift dieses Gefühl wieder auf.

Ebenso mitreißend gestaltet sich die Suche, die wir gemeinsam mit Ulrich durchleben. Genau wie in #1.05 Wahrheiten gibt man dem Zuschauer die Antwort auf die Frage, die am Ende geklärt wird, bereits mit auf den Weg. Tatsächlich hatte ich mich während der ersten Staffelhälfte schon ein paar Mal gefragt, ob es sich bei dem gefundenen Jungen nicht um Mads handeln könnte, schließlich stellte er die einzige Brücke zu einem Vermissten aus dem Jahr 1986 her. Doch da Ulrich die Leiche nicht erkannte, schob ich den Gedanken wieder von mir. Auch wenn man sich nun natürlich fragt, weshalb es so lange gedauert hat, bis Ulrich die Leiche als die seines Bruders identifizieren konnte, macht es auch Sinn, dass Ulrich nicht früher darauf gekommen ist. Ähnlich wie Charlotte in der letzten Episode ahnt Ulrich eben nicht, dass diese Möglichkeit überhaupt in Betracht zu ziehen ist, weshalb es umso packender ist, ihn auf dem Weg der Erkenntnis zu begleiten. Die vielen Kleinigkeiten wie der Pfennig aus dem Jahr 1986, das Anti-Atomkraft-Shirt und der Walkman lassen sich nun endlich zu dem Schluss vereinen, dass es sich bei dem Toten um Mads handelt. Es ist gleichermaßen befriedigend, dem Jungen nun endlich einen Namen geben zu können, wie niederschmettern, dass die Familie nun traurige Gewissheit darüber hat, dass ihr Sohn tatsächlich tot ist.

Die restliche Episode befasst sich mit den Folgen von Hannahs Beschuldigung gegen Ulrich im Jahr 1986, die weite Kreise zieht. Damals ließen Katharina und Ulrich ihren Frust fälschlicher Weise an Regina aus und die Feindschaft, die zwischen ihnen in der Luft liegt, wurde meisterhaft in Szene gesetzt. Mit giftigen Blicken und Worten begegnen sich die beiden Frauen, man weiß gar nicht, mit wem man mehr mitleiden soll. Mit Katharina, weil sie ihren Sohn verloren hat, oder mit Regina, weil sie an Brustkrebs erkrankt ist. Beiden bringt man Mitgefühl entgegen, weshalb der handfeste Streit, der zwischen ihnen ausartet, mir dann doch zu überspitzt war. Zwar ist deutlich erkennbar, wie wenig die Frauen für einander übrighaben, doch die traurige Stimmung, in die uns Martha Monolog zuvor versetzt hat, kann nicht schnell genug in Rage umschlagen, damit man die Schlägerei – die recht einseitig aussieht und unfairer Weise nur von Katharina ausgeht – als gerechtfertigt ansehen kann.

Kurze Eindrücke

  • Kurz habe ich mich noch mit dem Gedanken getragen, ob der Fremde nicht vielleicht auch Mads' erwachsenes Ich sein könnte.
  • Worüber hat Bartosz sich mit Noah unterhalten? Leider wurde dieses Thema noch nicht wieder aufgegriffen.
  • Der Geschwister-Moment zwischen Magnus und Martha hat mir gut gefallen.
  • Peter weiß eindeutig mehr, als er zu sagen bereit ist. Zuletzt wirkte er bei Charlottes Anschuldigung noch vollkommen empört, nun sitzt er jedoch mit Tronte, der sich nicht weniger verdächtig verhält, in dem seltsamen Bunker, in dem es die rote Erde gibt, die an Mads' Leiche gefunden wurde. Was haben die beiden für ein Buch, in dem die exakten Zeiten stehen, zu denen jemand durch die Zeit reist?
  • Die Szene zwischen Hannah und Ulrich war sehr hässlich, spiegelt aber gut die Abscheu wieder, die Ulrich nun vor seiner einstigen Geliebten empfindet. Auch dass Katharina über die Affäre Bescheid weiß, war entlastend, da die Karten nun mehr oder weniger offen auf dem Tisch liegen.
  • Warum deckt Jana ihren Mann?
  • Gab es in den Höhlen noch einen dritten Weg? Das Triqueta-Symbol weißt in dieser Richtung. Werden wir dann noch das Jahr kennenlernen, aus dem der Fremde stammt? Oder führt es uns vielleicht noch weiter zurück in die Vergangenheit?

Fazit

Diese Episode hat ihre Höhen und Tiefen. An sich betrachtet konnten alle Aspekte überzeugen, doch die Anordnung war nicht immer passend, wodurch Handlungen, die durchaus Potential hatten, neben weitaus stärkeren Aspekten der Episode etwas abgefallen sind.

Marie Florschütz - myFanbase

Die Serie "Dark" ansehen:


Vorherige Review:
#1.05 Wahrheiten
Alle ReviewsNächste Review:
#1.07 Kreuzwege

Diskussion zu dieser Episode

Du kannst hier mit anderen Fans von "Dark" über die Folge #1.06 Sic Mundus Creatus Est diskutieren.