Will Trent - Review Staffel 1
Karin Slaughter ist eine extrem erfolgreiche Krimi- und Thriller-Autorin, bei der es bei mir aber nie wirklich Klick machen wollte. Nicht, dass ich die wenigen Bücher, wo ich sie mal ausprobiert hatte, per se schlecht fand, aber es fehlte doch das gewisse Etwas, um wirklich immer ihre Neuerscheinungen auf dem Schirm haben zu wollen. "Ein Teil von ihr" wurde beispielsweise schon durch Netflix adaptiert, nun also "Will Trent", zu dem Slaughter schon eine zweistellige Anzahl von Bänden geschrieben hat. Beeindruckend, aber begegnet ist er mir deswegen noch nicht. Nun habe ich schon vorab gelesen, dass für die Serie einiges abgeändert wurde, dem ich absolut entspannt gegenüberstehe, weil ich die Vorlage wie gesagt nicht kenne und mich daher so oder so auf eine völlig neue fiktionale Welt einlasse. Viel spannender fand ich dagegen, dass es vorab Diskussionen zwischen ABC und Produktionsteam gab, ob "Will Trent" wirklich eine Procedural-Serie werden soll oder doch Fälle lieber über mehrere Episoden hinweg zieht. ABC hat letztlich Procedural durchgedrückt, was ich doch ungewöhnlich finde, weil ich da eher CBS als klassische Heimat dieser Formate benennen würde. Aber die Broadcast-Sender müssen sich angesichts des Drucks von Streamingdiensten auch umgucken. Ist nun "Will Trent" eine Serie, die in Erinnerung bleiben wird?
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Fangen wir mal mit der Erzählweise der Serie an. Ja, es ist eine Procedural-Serie geworden, wobei es offenbar dennoch einen Kompromiss gegeben hat, denn die ersten beiden Episoden umschließen eine Ermittlung und auch die letzten beiden Episoden behandeln einen Fall. Zudem ist auch bei der persönlichen Entwicklung der Figuren ein wirklich klarer roter Faden zu erkennen, was ich nicht einfach als Lückenfüller sehen würde, sondern tatsächlich der Hauptschwerpunkt der Serie. Interessiere ich mich nur für Kriminalfälle und möchte fleißig mitraten und sonst nichts, dann ist "Will Trent" nicht die Serie, wo ich einschalten würde. Denn viele der Fälle haben eine sehr persönliche Note und wenn es nicht direkt auch in die Ermittlung einfließt, so ist es dann auf privater Ebene dennoch offensichtlich. Diese Mischung gefällt mir wirklich gut und da passt es auch gut, so einen kleinen Hauptcast zu haben. Da können wirklich die Fälle UND die Figuren ihren Anteil an Erzählzeit einsacken. Einen Kritikpunkt habe ich aber definitiv. Die Serie lebt davon, dass GBI und APD in einem Gebäude sitzen und bei den Hauptrollen sind sie auch auf die beiden Behörden verteilt. Zwangsweise muss es also auch um beide Behörden gehen, sonst würde die eine Seite überflüssig werden. Das ergibt dann in der Folge, dass wir stellenweise zwei Fälle pro Episode haben. Die Titelfigur (Rámon Rodríguez) und Faith Mitchell (Iantha Richardson) sind als Special Agents für das FBI tätig und Angie Polaski (Erika Christensen) und Michael Ormewood (Jake McLaughlin) kochen als Cops der Mordermittlung ihr eigenes Süppchen. Da nun mal Will Trent der Star der Serie ist, ist es wenig verwunderlich, dass die Fälle des APDs öfters untergegangen sind. Das fand ich also leider manches Mal unglücklich gelöst. Es war dann jedes Mal um Welten besser, wenn GBI und APD eine Überschneidung hatten und sich zusammen arrangieren mussten. Genau dann werden auch die Gegenteile der Figuren super ausgespielt. Die zweite Staffel ist von ABC schon bestellt, also wird es neues Spielfeld zum Austoben geben. Da würde ich mir wirklich wünschen, dass man für das Miteinander bessere Lösungen findet.

© 2023 20th Television. All rights reserved.; 2022 American Broadcasting Companies, Inc. All rights reserved.; ABC/Matt Miller
Schauen wir jetzt auf die einzelnen Figuren, dann sticht Will einfach raus. Er ist wirklich eine Figur, wo man sofort gedanklich nickt, dass er so eine Serie mit seinem Namen tragen kann, weil er eben nicht in eine Schublade zu pressen ist, sondern ganz eigene Schubladen schreinert. Rodríguez spielt die Rolle aber auch wirklich herrlich, weil Will durch ihn so viele Seiten bekommt, die ich in den 13 Episoden wohl noch gar nicht restlos erkunden konnte. Er hat eine gewisse Arroganz, weil er weiß, was er kann. Aber er hat aufgewachsen im Pflegesystem schon genug Bullshit mitgemacht, dass er ein Kämpfer geworden ist, der sich für den erkämpften Platz im Leben nicht mehr rechtfertigen möchte und muss. Zudem ist diese Arroganz auch eine Attitüde, dass manche nicht näher hingucken, weil er seine Dyslexie verheimlichen möchte. Weiterhin ist er einfach nicht darauf angewiesen, dass er gemocht wird, vor allem dann nicht, wenn er dafür jemand sein muss, der er nicht sein möchte. Faith kommt selbst mit einer Attitüde in ihre neu geknüpfte berufliche Partnerschaft, während wir als Zuschauer*innen neutral sind. Dennoch können wir uns mit Faith auf eine Ebene sehen, weil wir alle nichts über Will wissen. Gemeinsam mit Faith erkundet man ihn also und da kommt ein wirklich sensibler, humorvoller, loyaler und eben verdammt cleverer junger Mann hervor. Eine geniale Sache für seine Charakterisierung ist sicherlich, dass gleich in der Auftaktepisode auch Chihuahua Betty eingeführt wird, die von der verstorbenen Nachbarin stammt. Erst völlig über den Dingen stehend möchte Will sie im Tierheim abgeben, wo er aber gewarnt wird, dass wegen Überforderung und Überbelegung einige Tiere den Tod finden. Auf einmal springt das Herz dann doch an, denn Betty ist damit eine Metapher für sein eigenes bisheriges Leben als Pflegekind und so nimmt er sie bei sich auf. Erst widerwillig, erst genervt, aber dann immer offener dafür, dass am Ende eines Tages zuhause jemand geduldig auf einen wartet. Es gibt Episoden, da ist Betty kaum von Bedeutung. Dann aber wiederum ist sie sehr entscheidend, für andere Figuren oder aber für Will selbst. Eine wirklich geniale Idee und wenn ich in Staffel 2 mehr von Will möchte, dann ebenso auch von Betty, denn die beiden sind ein wirklich tolles Duo. Ich denke zwar auch, dass wir diese Seiten an Will auch ohne Betty entdeckt hätten, auch weil Faith ein ebenso toller Charakter ist und die Seiten ihres Partners auch rausgekitzelt hätte, aber Betty ist eben Betty.

© 2023 20th Television. All rights reserved.; 2022 American Broadcasting Companies, Inc. All rights reserved.; ABC/Kim Simms
Bislang sind zu Will schon einige Sachen angeklungen, aber ich will auch noch ein paar Worte zu seiner Ermittlungsart verlieren. Ein gescheiter Kopf zu sein, das ist man, aber man kann es ganz sicher nicht lernen. Er ist dennoch erheblich davon geschult worden, dass er eben nur schwerlich lesen und schreiben kann und im System immer unter die Räder gekommen ist, so dass er Lösungen finden musste, um durchzukommen. Das hat seine Sinne auf einer ganz anderen Ebene geschärft und das gepaart mit einem klugen Kopf und wir haben den Agent mit der besten Aufklärungsquote des GBIs. Es geht schon stark in die Richtung Sherlock Holmes, aber dennoch muss man sagen, dass es die Serie erfreulich vermeidet, deswegen daraus eine One-Man-Show zu machen. Will mag anders ermitteln als Faith, aber sie hat es genauso auf dem Kasten und die Serie lehrt uns mit jeder Episode mehr, dass es auch ihre Ergänzungen sind. Ich fand die Fälle der beiden immer gut gemacht und sie waren auch von der Machart her sehr unterschiedlich, es wurde also nie langweilig. Dennoch war es eben immer was anderes, wenn sie mit dem APD auch zu tun hatten. Speziell möchte ich da Ormewood nennen. Eine Figur, die eigentlich irgendwo echt ätzend ist, die aber auch auf eine Art das Salz in der Suppe ist, weil sie mit ihrer etwas derben, sexistischen, lauten und verbohrten Art etwas ganz anderes einbringt. Mit Ormewood würde ich privat keine Sekunde verbringen wollen, aber er macht sich. Er wird Angie immer ein loyalerer Partner, aber er wird auch gegenüber Will immer offener, weil er eben etwas bewegt mit seinem Können. Deswegen haben mich auch die gemeinsamen Interaktionen zwischen Will und Ormewood sehr gut unterhalten. Sie sind auch ein guter Beleg für den ganzen Humor dieser Serie. Die Hauptfiguren drücken ihre Sympathien und ihre Anerkennung füreinander einfach etwas ungewöhnlicher aus und die Wortgefechte stellenweise sind einfach herrlich. Und gerade, weil das richtig ausgespielt wird, wenn alle zusammenkommen, will ich auch hier nochmal betonen: mehr Zusammenarbeit in Staffel 2!

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Ansonsten verfügt die Serie auch über sehr starke Frauenfiguren. Faith habe ich schon mehrfach angesprochen. Sie hat mich auf jeden Fall auch sehr begeistert. Wenn man so jung Mutter wird, dann ist das Leben oft vorgezeichnet. Nun muss man auch sagen, dass sie ein sehr intaktes Miteinander von Vertrauten hatten, also Jeremy nicht alleine groß ziehen mussten und dennoch hat es auch weiterhin von ihr Akribie und Eifer gebraucht. Sie hat auch ein großes Herz, weswegen ihre anfänglichen Vorbehalte ihm gegenüber dann auch schnell abgebaut wurden, weil sie eben hingesehen hat. Einige persönlichen Verwicklungen bei den Fällen haben auch sie betroffen und hier wurde ihr ganzes Wesen auch toll ausgespielt, denn wie gesagt, es ist nicht nur Will, Faith hat genauso viel zu erzählen. Angie ist als Charakter innerlich sehr viel kaputter. Wenn ich mir wirklich auf der Zunge zergehen lassen, was sie alles überstehen musste, dann verlangt das umso mehr Respekt. Ich bin auch froh, Christensen mal wieder auf dem Bildschirm zu sehen. Sie ist eine formidable Dramaschauspielerin und das kann sie mit Angie sehr gut beweisen. Diese ist eine Figur zwischen den Extremen, denn mal ist sie in sich ruhend und zu allem bereit und dann verliert sie völlig den Halt und überlebt einfach nur irgendwie. Ihre Beziehung zu Will ist ein weiterer großer Faktor der ersten Staffel, denn sie haben sich im Pflegesystem kennengelernt und sich gegenseitig durchgebracht. Ihre Beziehung ist toxisch und eine Rettungsleine zugleich. Ihre Geschichte bringt sie unwiderruflich zueinander, aber gleichzeitig reißt genau das oft genug Wunden auf. Bei Angie wurde diese Vergangenheit auch am konsequentesten aufgezogen, indem sie wieder einem ehemaligen Peiniger namens Lenny (French Stewart) begegnet und das einfach nicht loslassen kann. Angie kann man wirklich nur das Beste wünschen, denn sie ist sicherlich die instabilste Figur der Serie. Amanda Wagner (Sonja Sohn) wiederum bleibt eine lange Zeit der Staffel über eher eindimensional, weil sie eben die 'Chefin' ist, die das auch gerne raushängen lässt. Aber gerade ihre persönlichen Verbindungen zu Will und zu Faith deuten früh an, dass da noch viel mehr schlummert. Über sie erfahren wir dann unheimlich viel am Staffelende und auf einmal sieht man sie in einem ganz anderen Licht. Alles in allem beweist mir das, dass diese Staffellänge sehr angemessen war. Es hat sich bei allen Figuren etwas getan, niemand ist auf der Ersatzbank vergessen worden. Und auch wenn nicht alle Figuren mich gleich berühren können, so sind sie doch fein ausgearbeitet und bergen somit noch viel inhaltliches Potenzial.
Zuletzt muss man sagen, dass sich auch auf der Ebene der Nebenfiguren viel Gutes tut. Nico (Cora Lu Tran) ist eine tolle Ergänzung zu Betty, denn die non-binäre Figur steht auch in einem engen Zusammenhang mit Will und seiner Vergangenheit und verkörpert dadurch einen Teil von ihm, was sich auch in ihrem Umgang widerspiegelt. LisaGay Hamilton ist als Faiths Mutter Evelyn zu sehen, die einst mit Amanda als junge Polizistin Partnerin war. Sie hat ihr eigene Fehde mit Will, aber es ist unterhaltsam gewesen, wie sie das auch immer wieder ihrem Respekt für ihn hintenangestellt hat. Zumal sie eben auch niemand ist, die störrisch agiert. Man kann gut nachvollziehen, warum Faith ist wie sie ist. Ein Franklin (Kevin Daniels) und Captain Heller (Todd Allen Durkin) sind als Figuren austauschbarer, aber da kann ja noch was kommen. Aber ebenso schön war es, dass für mich sehr vertraute TV-Gesichter wie Mark-Paul Gosselaar, Jennifer Morrison und Greg Germann auch kleinere Rollen übernommen haben. Alle drei haben da auch ungewöhnliche Seiten von sich zeigen dürfen. "Will Trent" ist eben nicht aalglatt, sondern alles in allem etwas skurril, wo man sich ganz anders als Schauspieler*in ausleben kann.
Fazit
Ich kann für "Will Trent" eindeutig eine Sehempfehlung aussprechen. Es gibt zwar noch die Schwäche, dass die verschiedenen Fälle nicht immer gerecht verteilt sind und dadurch auch Figuren mal isoliert agieren, aber bei einer Procudural-Serie ist diese Staffellänge auch wirklich ideal. Es kann so mehrere Fälle geben, aber dennoch passiert parallel immer so viel von Bewandtnis, weil unablässig Charakterarbeit geleistet wird. Dadurch kommt die Stilistik auch vorbildlich zur Geltung. Denn neben Humor, sehr gut gespielten dramatischen Momenten bleibt diese Serie einfach mit einigen ungewöhnlichen Eigenschaften im Kopf.
Die Serie "Will Trent" ansehen:
Lena Donth - myFanbase
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Kommentare
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25.11.2025 19:51 von chili.vanilli
Malice: Malice
Hab die Serie jetzt beeendet und schon lange keinen so... mehr






28.11.2025 00:19 von Sonia
F.B.I.: F.B.I.
Es wird immer abstruser... Jetzt sehe ich, dass die FBI... mehr