The Bear - Review Staffel 2

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Im Sommer ist die Serienlandschaft traditionell ausgedünnter, doch das heißt nicht, dass neue Serien es automatisch leichter haben, ein breites Publikum zu begeistern. Deswegen hat sicherlich auch das Produktionsteam von "The Bear" nicht damit gerechnet, quasi aus dem Nichts einen solchen Hit zu landen. Nun haben wir wieder Sommer, befinden uns zusätzlich noch unter den Eindrücken eines Doppelstreiks, und Staffel 2 geht an den Start. Schon nach Staffel 1 habe ich mich gefragt, wie man das nächste Kapitel wohl gestalten wird und Antworten bekommen wir jetzt.

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The Bear: King of the Kitchen
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Das erste Kompliment geht an das Produktionsteam raus, das sich für Staffel 2 nicht nur auf die Qualitäten von Jeremy Allen White verlässt, nachdem dieser schon bei einigen Preisverleihungen als bester Hauptdarsteller Comedy abräumen konnte. In Bezug auf Staffel 1 hatte ich schon betont, dass der Star die Küche ist und dementsprechend war es nie Carmy alleine. Folglich hätte es der neuen Staffel sicherlich nicht gut getan, sie alleine auf dem Rücken von White auszurichten. So erwartet uns nun ein neuer Schwerpunkt, denn die Küche muss erst fertig werden, um wieder der Star zu werden. Erst in den letzten beiden Episoden der Staffel finden wir wieder die Atmosphäre vor, die wir aus dem Vorgänger kennengelernt haben. Die restlichen acht Episoden stellen für "The Bear" Neuland dar, was ich aber sehr gut fand, denn eine Kopie des Bekannten wäre wohl zu langweilig geworden. Mit der ersten Episode habe ich mich insgesamt dennoch schwer getan, weil die typischen Charakteristiken erstmal fehlten und ich mich in der neuen Ausgangslage zurechtfinden musste. Nachdem aber klar war, dass das neue Restaurant mit exquisiter Küche auf die Beine gestellt wird, lässt sich immer deutlicher die Grundprämisse der zweiten Staffel erkennen. Hierfür ist der Fokus auf viele verschiedene Figuren verteilt, so dass wir ihnen nach und nach mehr hinter die Fassade gucken können. Auch wenn die Küche und deren Alltag als Rahmung niemals verloren geht, wird so unterstrichen, dass die Figuren zur Küche als ihrer Heimat finden, gleichzeitig aber auch außerhalb überleben können müssen.

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Carmy, Sydney (Ayo Edebiri) und Richie (Ebon Moss-Bachrach) waren sicherlich die Figuren, die einem in Staffel 1 prominenter präsentiert worden sind. Diese leichte Tendenz ist immer noch zu erkennen, aber ich habe alle viel besser kennengelernt und bin oft berührt worden. Dennoch fange ich erstmal mit diesen dreien an. Bei Carmy ist das wohl wichtigste Thema der Staffel, dass er eine eigene Liebesgeschichte außerhalb der vier Küchenwände bekommt. Sicherlich hätte man noch Staffel 1 auch annehmen können, dass sich zwischen Carmy und Sydney mehr entwickeln könnte, aber nachdem die beiden Darstellerinnen White und Edebiri auf der Pressetour mehrfach betont haben, dass es eine platonische Beziehung ist, fand ich es gut, dass diese Linie so konsequent umgesetzt worden ist. Zwar gab es von Sydneys Seite her vielleicht Verhaltensweisen, die man als klassische Eifersucht hätte auslegen können, aber mir hat es sehr gut gefallen, wie die Serie das nicht als Klischee eines Liebesdreiecks hat stehen lassen, sondern es für die Betonung der komplexen Beziehung zwischen Carmy und Sydney zu nutzen. Die beiden sind eben nicht nur beruflich gleichberechtigte Partner, sondern sie haben auch einen privaten Draht, der alle Grenzen verwischen lässt, ohne dass jede Reaktion gleich auf einer sexuellen Ebene gedeutet werden muss. Claire (Molly Gordon) als Neuzugang hat mir wirklich gut gefallen, weil sie eine lange Vergangenheit haben und sie Carmy daher schon auf eine Weise kennt, die ihm gut tut. Die ganzen Probleme, die er mit sich rumschleppt, deren Gründe kennt sie im Grunde schon und dennoch verurteilt sie ihn nicht. Sie ist eine sehr unterstützende Freundin und generell mit ihrer ruhigen Art eine große Bereicherung für diese Staffel. Dennoch passt es letztlich, dass Carmy sich selbst manipuliert. Er hat das erste Mal in seinem Leben locker gelassen, was ihm sichtlich gut getan hat, aber es hat sich bei ihm noch nicht setzen können, dass er das auch wirklich verdient hat. Ich hätte mir für ihn einen optimistischeren Schlusspunkt gewünscht, aber die Staffel hat eben auch immer wieder unterstrichen, wie viel in dieser Familie über die Jahre kaputt gegangen ist und dass es noch viel Heilung braucht.

Foto: Jeremy Allen White & Ayo Ebebiri, The Bear - Copyright: 2022 Disney and its related entities; Chuck Hodes/FX
Jeremy Allen White & Ayo Ebebiri, The Bear
© 2022 Disney and its related entities; Chuck Hodes/FX

Bei Sydney ist nicht ganz so viel Ballast im Spiel, aber dennoch hat auch sie eine Lernreise vor sich. Im Grunde war es sogar gut, dass Carmy so viel mit sich selbst beschäftigt war, so dass Sydney mehr gezwungen war, in sich zu gehen und sich zu fragen, ob der ersehnte Stern die Risiken wirklich wert ist. In Staffel 1 haben wir Sydney schon als sehr selbstbewusste Figur kennengelernt, die gerne auch mal aneckt, die gleichzeitig aber auch auf ein funktionierendes soziales Gefüge angewiesen ist. Während sie die Kollegen also auf Fortbildungen schickt, damit sie besser denn je zurückkehren, stellt sie sich der Herausforderung, gemeinsam mit Carmy ein neues Menü auf die Beine zu stellen. Mehr und mehr ist sie auf sich alleine gestellt, weswegen sie die Konkurrenz auch solo aufsucht, um von allen Seiten zu lernen. Sydney wird so darauf gestoßen, wie schwer es im Restaurantbusiness ist. Da auch ihr Vater diesen Traum nicht bedingungslos unterstützt, muss sie gegen viele Windmühlen ankämpfen und fühlt sich dabei eben oft alleine gelassen. Im Großen und Ganzen kann man aber wirklich stolz darauf sein, wie sehr sich Sydney als Figur gemacht hat. Wenn es darauf ankommt, zweifelt sie schon mal an sich selbst, aber sie hat sich innerhalb der Belegschaft so ein Standing erarbeitet, dass sie ein schönes Grundvertrauen in sie haben. In Richie dagegen hat niemand so wirklich Vertrauen, weil er kaum strukturiert und immer so furchtbar impulsiv wirkt. Dennoch war ich insgesamt überrascht, wie sehr er sich in dieser zweiten Staffel gemacht hat. Er hinterfragt mehr sich selbst. Zwar zunächst auf eine bedenkliche Art und Weise, aber gleichzeitig zeigt diese Staffel auch, dass Richies enormes Potenzial einfach noch nie richtig ausgenutzt worden ist. Wie gesagt sind einige Figuren in dieser Staffel auf Weiterbildungen, aber die von Richie hat mich überraschenderweise am meisten berührt.

Foto: Liza Colón-Zayas & Edwin Lee Gibson, The Bear - Copyright: 2022 Disney and its related entities; Chuck Hodes/FX
Liza Colón-Zayas & Edwin Lee Gibson, The Bear
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Speziell die dargestellten Fortbildungen der Köche hat viele prominente Gastauftritte mit sich gebracht. Am Ende ist es sicherlich nicht nur Olivia Colman, die Richies Episode noch mal heraushebt, aber ihr Gespräch in ihrer Rolle Terry mit ihm war definitiv ein besonderer Moment. Es war die ganze Art, die einen so aufgekratzten Typen wie Richie dennoch erden konnte, so dass er ihr auch wirklich glauben konnte, dass Carmy in ihn vertraut. Mir hat aber auch die Darstellung des Restaurants, wie dort mit Zetteln und einem engmaschigen System der Laden gewuppt wird, sehr imponiert. Genauso hat mich aber auch Will Poulter in Dänemark überzeugt, der in seiner Rolle von Luca auf eine ruhige Art Marcus (Lionel Boyce) anleitet, und ihn im Bereich des Nachtischs noch einmal ganz neu die Augen öffnet. Genauso haben mich aber auch Tina (Liza Colón-Zayas) und Ebraheim (Edwin Lee Gibson) nicht kalt gelassen, die zusammen weggeschickt werden, aber keine unterschiedlicheren Reisen hätten mitmachen können. Während er von der Professionalität eher eingeschüchtert ist und damit als sensibler Koch, der auch das Vertrauen spüren muss, charakterisiert wird, blüht Tina auf. Sie scheint dem Ganzen nicht recht zu trauen, bis zu ihrem wirklich wunderschönen Solo beim Karaoke, was wirklich jeden von den Socken gehauen hat. Auch Sugar (Abby Elliott) wird für diese zweite Staffel immer wichtiger. Bislang war alles zum Thema Restaurant für sie eher belastend, aber da Carmy und Sydney sie wirklich brauchen, wird sie schließlich die Managerin, die den realistischsten Blick auf das Geschehen hat und vieles zusammenhält. Im Endeffekt ist sie die größte Gewinnerin, weil völlig klar ist, dass es ohne sie niemals zur Eröffnung des Restaurants gekommen wäre. Ich war auch überrascht, wie sympathisch sie rüberkam und wie sie angesichts der neuen beruflichen Herausforderung und ihrer baldigen Mutterschaft, dennoch noch Zeit hatte, alte Dämonen zu bekämpfen.

Bei diesen alten Dämonen und den bereits angesprochenen beeindruckenden Gastdarstellern wären wir dann auch bei der herausragenden sechsten Episode, die Weihnachten bei den Berzattos von vor fünf Jahren erzählt. Diese Episode ist sicherlich so wichtig, weil sie unheimlich viel über die Familie und ihre engsten Vertrauten, wie beispielsweise Richie, erklärt. Während Oliver Platt als Onkel Jimmy schon Staffel 1 unsicher gemacht hat, setzt er dem Ganzen in Staffel 2 noch einmal die Krone auf. Er ist wirklich eine Figur, die gleichermaßen aufregt und dann doch wieder mit überraschender Sensibilität daherkommt. Aber es ist eben nicht nur Platt, der in dieser Episode seine Aufwartung macht, sondern wir sehen weiterhin auch unter anderem Jamie Lee Curtis als Mutter Donna, Bob Odenkirk als weiteren Onkel und auch Sarah Paulson als Cousine. Während in der vergangenen Staffel viele Momente in der Küche für echten Stress sorgen konnten, ist es diesmal dieses Kammerspiel an Weihnachten, das nahezu in Echtzeit abgebildet ist, das mich ein helle Aufregung versetzt hat. Gedanklich habe ich da drei Kreuze gemacht, dass ich ein solches Weihnachtsfest noch nie am eigenen Leibe spüren musste. Der Reiz dieser Episode liegt sicherlich auch darin begründet, dass wir als Zuschauer*innen nicht komplett abgeholt werden, um alles zu verstehen. Stattdessen bekommen wir einen Ist-Zustand präsentiert, der vieles andeutet, aber auch gleichzeitig viel Raum für eigene Gedanken und weitere Betrachtungen in möglichen weiteren Staffeln erlaubt. Da gelobe ich mir auch wieder, dass Serien bei Streaming-Diensten wesentlich flexibler inhaltlich gestaltet werden können. Dann hat diese Episode einfach nahezu die doppelte Lauflänge wie andere folgen und die entsprechende Zeit wird auch sinnvoll komplett ausgenutzt. Ich bin tatsächlich auch schon sehr gespannt, ob diese Weihnachtsepisode für die nächste Saison an Preisverleihungen einige Nominierungen einbringen wird. Es war auf jeden Fall ein einzigartiges Erlebnis.

Die angesprochene Laufzeit einer Episode hat auch viel mit der Genre Einteilung zu tun, da Comedy meist zwischen 20 und 30 Minuten zur Verfügung gestellt bekommt, während Drama ab dort aufwärts sich präsentieren darf. Das bringt mich noch zu einem weiteren Punkt, denn "The Bear" wird als Comedy geführt und ist damit ein Beispiel für einen neuen Trend, dass sich solche Serien auch zunehmend mit viel ernsten Themen auseinandersetzen, weswegen befreites Auflachen nicht immer möglich ist. Ob das unbedingt so geschickt ist, ist wahrscheinlich ein Aspekt, den man gut zu Diskussion stellen kann. Solche Serien, die eher einen Genre-Mix darstellen, sind großartig und haben ihre ganz eigene Qualität, aber ich finde es dennoch schade, dass klassische Comedy dadurch immer mehr verdrängt wird. "The Bear" ist für mich weiterhin eine großartige Serie, aber dort schalte ich nicht ein, um mich stupide berieseln zu lassen. Alleine diese stressige Wirkung, die in gleich drei Episoden dieser Staffel erzeugt wurde, erfordert eine ganz andere Aufmerksamkeit. Natürlich gibt es Humor, aber dieser ist unterschwellig und zum Nachdenken. Das ist gut so, soll aber nicht Anhänger von klassischen Sitcoms in falsche Erwartungen führen.

Fazit

"The Bear" liefert eine tolle zweite Staffel ab, die sich von Episode zu Episode steigert. Mein Anspieltipp sind auf jeden Fall die Folgen 6, 9 und 10. Viel Charakterarbeit, vor allem gleichberechtigt verteilte Aufmerksamkeit für die Figuren, sowie beeindruckende Gastdarstellerauftritte stellen weitere Highlights dar. Das Wichtigste ist aber, dass man sich in der zweiten Staffel noch einmal neu erfunden hat und eben glücklicherweise keine Kopie abgebildet hat.

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Lena Donth - myFanbase

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