Review: #5.01 Suche nach der Unbekannten
Neues Jahr, neuer Sender, neuer Sendetag, neues "Nashville"? Der Staffelauftakt findet darauf inhaltlich noch keine finale Antwort, dennoch gibt es Anzeichen, die auf Veränderungen schließen und gleichzeitig hoffen lassen, dass die Serie in der neuen Heimat nach erzählerischem Stillstand wieder aufblühen kann.
Der reisende Fremde
Es wird poetisch zu Beginn der Episode. In der ersten Szene erleben wir Rayna bei einem Tankstellenstopp, bei dem sie auf einen blinden, alten Mann trifft, der den Song "The Wayfaring Stranger" auf einem Banjo spielt und dazu singt. Ein unerwarteter Einstieg in die Staffel. Wo hält sich Rayna eigentlich auf? Wie viel Zeit ist seit dem letzten Staffelfinale vergangen? Fragen, die mir zuerst durch den Kopf gingen, aber auch die Beobachtung, dass eine seltsame Stimmung über der gesamten Szene schwebt. Die Situation wirkt bedrückend und Rayna vermittelt einen etwas eigenartigen, undurchsichtigen Eindruck. Dennoch gefiel mir das, was ich da sah und wollte mich gerade auf diese ungewohnte Atmosphäre einlassen, als das inzwischen in Serien fast unvermeidlich verwendete "three weeks earlier" eingeblendet wurde und mich total aus der Grundstimmung riss.
Die Auflösung des Cliffhangers folgte und mal ehrlich, wer hat ernsthaft daran geglaubt, dass Juliette bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen wäre? Einen Crash gab es tatsächlich und ich nehme jetzt auch einfach einmal hin, dass Juliette die einzige Überlebende ist. Ich würde nur ungern auf ihren Charakter verzichten wollen und immerhin ist sie nicht schon nach wenigen Augenblicken wieder quicklebendig auf den Beinen, sondern wir werden damit konfrontiert, dass sie auf den Rollstuhl angewiesen ist. Ich bin versucht zu sagen, natürlich mit der Aussicht auf Genesung. Aber wir sind in einer Drama-Serie und dazu gehört eben auch eine solch dramatische Situation, nicht nur für Juliette, sondern auch für die Angehörigen, insbesondere Avery, der sich erwartungsgemäß rührend und aufopferungsvoll um sie kümmert. Und da ist sie auch wieder, die alte Juliette: stur, abkanzelnd, gefühlskalt und mit negativer Sichtweise. Doch wir erleben auch Momente, in denen die neue Juliette aufblitzen durfte, nämlich immer dann, sobald Cadence ins Spiel kam und ein Lächeln über ihr Gesicht huschte. Das war schön zu sehen. Der Zufall, oder besser das Drehbuch, will es so, dass zum Folgenende bereits die Konfrontation mit ihrer vagen Erinnerung, ihrer Vision erfolgt und Juliette in einem Gospelgottesdienst ihre Lebensretterin erblickt. Vielleicht war doch alles göttliche Fügung? Ich bin froh, dass man diese Begegnung nicht folgenlag hinaus gezögert hat. Nun stellt sich die Frage, ob die Frau im weiteren Staffelverlauf noch eine Rolle spielen oder ob man sich auf Juliettes Situation im Rollstuhl konzentrieren wird. Auch beides scheint möglich. Im Umfeld dieser Handlung gefielen mir zwei Dinge. Zum einen zeigte man anfangs wie auch die weiteren Protagonisten vom Absturz erfahren und gebannt vor dem Fernseher bangen, zum anderen sehen wir eine gemeinsame Szene von Rayna und Juliette, in der wir von wiederholten Besuchen Raynas im Krankenhaus erfahren. Zumindest zum Auftakt der Staffel gibt es also eine schöne Rückbesinnung auf den Serienbeginn, als eben genau diese beiden im Zentrum standen. Damals als Rivalinnen, heute als Freunde.
"You should let yourself sing. Singing is good for the soul. You might find the joy you’re looking for."
Überhaupt legte die Folge ihren Fokus neben Juliette auch auf Rayna. Eine schöne Idee, sich wieder einmal nur ihrer Person allein zu widmen. Rückblickend erscheint mir aber nicht alles in diesem Erzählstrang nachvollziehbar. Ja, sie hat in der jüngeren Vergangenheit sowohl privat als auch geschäftlich viel um die Ohren gehabt. Dabei sind sie selbst und ihre eigene Musik tatsächlich zu kurz gekommen. Der wohlhabende Fan aus dem Silicon Valley hat Rayna im Gespräch erst darauf aufmerksam gemacht und umso mehr die Episode voran schritt, desto mehr wurde es ihr selbst klar. Unverständlich und mir zu sehr aus dem Nichts kommend, waren stattdessen aber die Panikattacken, die sie mehrfach bekam. Die Situationen, in denen es ihr die Luft abzuschnüren schien. Dies allein mit Flugangst nach den Geschehnissen um Juliette erklären zu wollen, erscheint nicht nur mir, sondern auch Rayna selbst unwahrscheinlich. Dabei könnte das Zitat des blinden, alten Mannes den Nagel auf den Kopf treffen. Singen ist gut für die Seele. Genau das könnte Rayna in ihrer aktuellen Lage helfen und gut zu Gesicht stehen. Ihre Frage, woher er wisse, wonach sie suche, bleibt unbeantwortet. Da war sie wieder, die anfangs beschriebene Schwere und zugleich Poesie in der Inszenierung. Irgendwie betörend schön und fast schon etwas mystisch. Für mich unpassend, aber die in diesem Handlungszusammenhang stehenden Panikattacken, wie auch Deacon sie treffend nennt. Übrigens ein ganz toller Liebesbeweis, als er plötzlich vor ihrer Hotelzimmertür stand. Leider durfte Deacon in der Folge nicht mehr als der liebende Ehemann sein, dennoch schön, dass die beiden wieder so verliebt und vertraut wirken. Rayna ist also nun alleine auf der Reise, um sich selbst fremd. Sie ist damit die Verkörperung des Songs, der sie einst die Country Musik lieben lernte. Bill Monroes Version von "The Wayfaring Stranger" ist damit nicht nur ihr Leitbild, sondern im wahrsten Sinn auch titelgebend für diese Auftaktepisode. Ich bin zwar nicht hundertprozentig überzeugt von der Erzählweise der Geschichte, aber inhaltlich durchaus interessiert, welchen Einfluss all das auf Rayna in den kommenden Folgen haben wird. Jedenfalls durfte Connie Britton über weite Strecken endlich wieder einmal ihr schauspielerisches Potential ausschöpfen und Raynas nachdenklich, verletzliche Seite zeigen und damit auch mein Interesse an ihrer Figur wieder wecken. Es wird sich zeigen müssen, wie die Autoren dies nun unter Berücksichtigung der Ankündigung, dass Connie die Anzahl ihrer Auftritte in der Staffel reduzieren will, umsetzen werden.
Nichts gelernt haben die Autoren leider offenbar aus dem Desaster der Maddie-Handlung in Staffel vier. Den bockigen Teenager, der sich von niemanden etwas sagen lässt, will doch nun wirklich niemand mehr sehen. Ich frage mich ernsthaft, warum man diesen Fehler nun noch einmal begeht und Maddie genau dieses Verhalten gegenüber Daphne äußern lässt. Der freundschaftliche Rat von Scarlett ist gut gemeint und führt zwar zur Lösung des Konflikts, von dem ich aber nun nicht noch weitere Aufgüsse brauche. Im Prinzip hätte es die ganze Story überhaupt nicht benötigt, schließlich wäre Maddie damit nicht die einzige Figur gewesen, die in der Folge keine eigene Geschichte bekam.
Scarlett und Gunnar wurden zwar in Maddies Handlung am Rande eingebaut, hatten ansonsten aber auch keinen größeren Beitrag. Wahrscheinlich war den Autoren einfach daran gelegen, den Fans zum Auftakt möglichst viele der bekannten Personen zu präsentieren und sie damit zu beruhigen, dass diese auch in der neuen Senderheimat ihren Platz gefunden haben. Zumindest dieser Eindruck wurde für mich erfüllt und außerdem war es auch schön, sie als Paar so vertraut und glücklich miteinander zu sehen. Will und Glenn waren beispielsweise jeweils nur in einer kurzen Szene zu sehen, so dass man sich als Zuschauer noch gar keinen Eindruck darüber verschaffen konnte, was die weitere Serienzukunft für sie bereithält. Dass Kevin beim Anruf von Will nicht im gleichen Bett lag, hat hoffentlich nicht zur Folge, dass deren Beziehung schon wieder beendet ist, bevor diese überhaupt eine Wiederauflage beginnen konnte.
Bleiben noch ein paar Randnotizen und kleine Details, die nicht unerwähnt bleiben sollen. So wird am Rande von Bucky erwähnt, dass Highway 65 offenbar in (finanziellen) Problemen steckt. Das wäre ja nicht das erste Mal, würde mich aber grundsätzlich auch nicht stören, wenn ein guter Ansatz gefunden wird, diese Geschichte spannend weiter zu erzählen. Im Musikbusiness erscheinen mir Höhen und Tiefen bei einem Label auch nicht unwahrscheinlich.
Kleine musikalische Insider-Details hat die Folge ebenfalls zu bieten. Ich hatte bereits angesprochen, dass der Episodentitel auf einem gleichnamigen Country Song beruht. Mit Blick auf den Titel der anschließenden Folge zwei scheint das nun ein durchgängiges Merkmal zu sein, handelt es sich bei "Back in Baby’s Arms" doch um einen Country Song von Patsy Cline. Ich finde das eine schöne und vor allem eine naheliegende Idee für eine Serie wie "Nashville". Ein weiterer Country-Insider ist die Besetzung von Garth Shaw als blinden, alten Mann, auf den Rayna trifft. So war dieser nämlich früher Road Manager von Country Star Kenny Rogers, dessen Name selbst in Deutschland ein Begriff sein sollte.
Fazit
Der Staffelauftakt bemüht sich erzählerisch um Kontinuität und bewegt sich zeitlich nah am Cliffhanger der letzten Staffel. Der Auftritt vertrauter Figuren, wenn auch zum Teil nur kurz, schafft Vertrauen und ist wahrscheinlich auch der Staffellänge und damit verbundener Kostenreduzierungen geschuldet. Mitunter entsteht der Eindruck, dass der Look der Serie nicht mehr ganz so sehr auf Hochglanz poliert ist und ein wenig rauher daherkommt. Das wirkt authentisch, mag aber vielleicht auch subjektiv sein. Viel Musik, wenn auch bruchstückhaft, lässt darauf hoffen, dass die neue Senderheimat auch Einfluss auf dieses Thema genommen hat. Insgesamt hatte die Folge aber noch mehr von einem Abschluss von Staffel vier als von einem Auftakt in neue Geschichten, so dass die zweite Episode wahrscheinlich mehr Aufschluss darüber geben wird, wohin die weitere Reise geht.
Jan H. - myFanbase
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Informationen zur Episode
Englischer Titel: The Wayfaring StrangerErstausstrahlung (US): 05.01.2017
Erstausstrahlung (DE): kein Termin
Erstausstrahlung (Pay-TV): 06.06.2017
Regie: Callie Khouri
Drehbuch: Callie Khouri
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