Bewertung

Review: #4.12 Seelenfrieden

Foto: Walton Goggins, Justified - Copyright: Frank Ockenfels/FX
Walton Goggins, Justified
© Frank Ockenfels/FX

"Nothing can bring you peace but the triumph of principles." – Diese Aussage des US-Lyrikers Ralph Waldo Emerson, die Boyd zu Beginn rezitiert, bringt das zentrale Thema von #4.12 Peace of Mind brillant auf den Punkt. Es geht darum, die richtige Entscheidung zu treffen, diejenige Entscheidung, die man mit dem eigenen Gewissen vereinbaren kann. Dabei ist diese Folge von einer außergewöhnlichen Introspektivität geprägt und setzt sich mit den jeweiligen Gewissensfragen der einzelnen Charaktere genauestens auseinander. Dadurch wird zwar einiges an Tempo rausgenommen, doch das war nach der endgültigen Festnahme Drew Thompsons nicht nur zu erwarten, sondern auch nötig und schadet der Qualität der Episode nicht im Geringsten, im Gegenteil.

Der erste, der versucht, inneren peace of mind zu finden, ist Drew selbst. Wie bereits in den vergangenen Folgen klar wurde und jetzt noch deutlicher wird, hat Drew das Herz am rechten Fleck und vergisst, trotz seiner überaus prekären Lage, nicht das Wohl seines Schützlings Ellen May. Und so sieht Raylan sich dazu berufen, noch ein letztes Mal auszurücken und Ellen May in Gewahrsam zu nehmen, um den Fall ein für alle mal zu schließen. Dabei ergibt sich erstmal ein großartiges Gespräch zwischen Raylan und Art, eine Dynamik, die einfach nie ihren Charme verliert, da Art so wunderbar lässig ist ("Suspendees don't get to choose when they get suspended. That would be called a vacation.") und Raylan so herrlich großspurig ("I drive down to Harlan, find the girl, I bring her back, I sit her in front of this asshole and I say 'Here, asshole.' He talks, we let her go, it's happiness all around."). Bei dem Gespräch wird aber auch klar, wie versessen Raylan auf seinen Job ist, wie dringend er ihn braucht und dass dieser Job das Einzige ist, was ihn wirklich ausfüllt ("Don't take away the one thing I know how to do."). Obwohl Raylan sich aus seinem Tief gehievt hat, selbst an einem guten Punkt in seinem Leben angekommen ist mit beruflichem Erfolg und privatem Vaterglück, so muss er immer noch einen Schritt weiter gehen, muss die Dinge immer selbst in die Hand nehmen.

Womit wir zum zweiten wichtigen Entscheidungsträger kommen: Ellstin Limehouse. Der von Mykelti Williamson wie immer fantastisch gespielte Anführer von Noble's Holler stellt unter Beweis, dass auch er noch ein Restgewissen hat und deshalb nicht dazu in der Lage ist, ein unschuldiges Mädchen wie Ellen May dem Tod auszuliefern. Obwohl seine Gemeinde in finanzieller Not steckt, lässt er Ellen May laufen, verzichtet auf das Blutgeld und fragt Ava ganz zu Recht: "Are you gonna have peace of mind when this is all over?" Denn Ava hat sich wirklich verändert, sie ist rücksichtsloser, gnadenloser und bestimmter geworden und hat ihr Gewissen schon so manches Mal über Bord geworfen. Das muss sie letztlich auch selbst erkennen, als wiederum ihr die Verantwortung über Ellen Mays Leben zugespielt wird: "Peace comes from doing what your heart tells you is right", sagt Ava zu Ellen May und deshalb kann sie den Abzug nicht drücken. Dies ist ein wichtiger Moment für Ava, aber auch für Ellen May (an dieser Stelle ein überfälliges Lob für Abby Miller), die selbst im Angesicht des Todes an ihren Prinzipien festhält und Ava vergibt.

Der finale Showdown findet schließlich zwischen Tim und Colt statt, ein Antagonistenpaar, das man zwar etwas forciert hat, das aber dennoch, gerade nach der letzten Folge, eine sehr interessante Kombination bildet. Wir haben hier zwei Kriegsveteranen, den einen auf der Seite des Gesetzes, den anderen auf der Seite des Verbrechens, aber beide gezeichnet von ihren Erfahrungen im Irak. Es ist bezeichnend, dass Colt über Mark sagt, dass ein Teil von ihm bereits in Kandahar gestorben sei, denn dies ist eine Aussage, die er eigentlich über sich selbst trifft. Das entschuldigt oder rechtfertigt natürlich keinesfalls Colts Taten und Brutalität, doch es lässt sie in einem anderen Licht erscheinen. Die Konfrontation zwischen Colt und Tim wird von einer unwahrscheinlichen Spannung getragen, da ganz klar ist, dass hier jemand sein Leben lassen wird, nur wer, das ist kurzzeitig wirklich unsicher. Wie Colt da seelenruhig seine letzte Zigarette raucht und dann Tim prinzipiell dazu zwingt, ihn zu erschießen, ist ein erinnerungswürdiger Moment und ein würdiger Abgang für einen bemerkenswerten Charakter. Doch besonders für Tim ist es eine starke Szene, als er Colts Sonnenbrille einsteckt, ein kleines Zeichen dafür, dass er erstmal wohl keine Seelenruhe haben wird.

Diese Episode ist auch wieder ein Paradebeispiel dafür, wie gut "Justified" mittlerweile darin geworden ist, alle Charaktere unter einen Hut zu bringen und jedem Raum zur Entfaltung zu geben. Es gibt einfach so viele gute Szenen: Da wäre Boyds phänomenaler Aufmarsch bei Augustine, als er mit erhobenen Händen ein ironisches "Why would you wanna legislate gun control?" in den Raum ruft; Augustines wiederum herrlicher Sarkasmus gegenüber Boyds eloquenter Ausdrucksweise ("I'm gonna need Google translator on my phone if I'm gonna keep talking to you."); die Konfrontation der Marshals mit Limehouse und wie Rachel sich knallhart Respekt verschafft ("She's outta control, you saw her back there."); überhaupt die wunderbare Chemie zwischen Raylan, Tim und Rachel, die als Trio immer besser funktionieren ("Did you not wake up this morning thinking that today was another opportunity to mess up some bad guy's day? I did."); und nicht zu vergessen die perfekte Eingangsszene, in der Raylan von seinen Kollegen Applaus bekommt, während er gleichzeitig erfährt, dass er Vater einer Tochter wird ("I don't know shit about girls."). Diese Folge quillt über vor tollen Momenten und wichtigen Entwicklungen.

Das Ende der Episode entlässt den Zuschauer allerdings mit allem anderen als peace of mind: Nach dem rührenden Wiedersehen zwischen Thompson und Ellen May endet die Folge mit der schwangeren Winona, die völlig unwissend einen von Augustines Männern in ihr Haus gelassen hat. Und da bei "Justified" bekanntermaßen mit allem zu rechnen ist, wird es nun hochspannend, was im Finale passieren wird. Raylans Entscheidung, den Job immer vor alles zu stellen, könnte noch fatal für ihn enden. Zudem müssen Boyd und Ava sich mit Colts Tod, Johnnys Verrat, Augustines Männern und Delroys Leiche auseinandersetzen. Damit gehen wir mit einer ungeheuren Spannung ins Finale, das, sieht man sich die enorme Qualität der letzten fünf Episoden an, mit Sicherheit nicht enttäuschen wird.

Maria Gruber - myFanbase

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