Bewertung

Review: #4.01 Vom Himmel gefallen

Foto: Timothy Olyphant, Justified - Copyright: James Minchin/FX
Timothy Olyphant, Justified
© James Minchin/FX

Man kann Raylan Givens für vieles lieben, für seine Coolness, für sein Selbstbewusstsein, für seine Verschmitztheit, für seine Cleverness, für seine Stilsicherheit, für seinen unglaublichen Charme – vor allem aber für seine sagenhafte Fähigkeit, immer die richtigen Worte für den richtigen Moment zu haben. Und so gibt es wohl kein besseres Zitat als jenes, das Raylan gegenüber seinem Gefangenen Adair erwähnt, das prinzipiell als Kernaussage dieses Staffelauftakts dienen kann: "You run into an asshole in the morning, you ran into an asshole. You run into assholes all day, you're the asshole." Was für ein passendes Zitat, um in das vierte Jahr von "Justified" zu starten.

#4.01 Hole in the Wall ist ein ungewöhnlicher Staffelauftakt für die Serie, geht er seine Sache doch relativ gemächlich an und schlägt teilweise eine Richtung ein, die man sonst nicht so von "Justified" kennt. Das beginnt bereits mit der ersten Rückblicksszene, die den Zuschauer mit vielen Fragezeichen zurücklässt, und geht weiter über die bizarre Bärenkostümgeschichte mit Ellen May bis zum chaotischen Showdown zwischen Raylan, Adair und den zwei Teenagern. Es ist ein ungewöhnlich leichter, ja fast schon heiterer Ton, den diese Folge anschlägt, und an den man sich als eingefleischter "Justified"-Fan etwas gewöhnen muss. Womöglich liegt das auch an der Präsenz von Comedystar Patton Oswalt, der als Constable Bob wie der komödiantische Sidekick für Raylan wirkt. Und dennoch: Seine expositorische Funktion erfüllt dieser Auftakt sehr gut, da trotz des langsamen Erzähltempos doch einige Steine ins Rollen gebracht werden.

Beginnen wir mit Raylan: Der werdende Vater begibt sich auf eine sehr verrückte Odyssee durch halb Harlan County, als er den Flüchtling Adair gefangen nimmt, um sich ein bisschen Geld dazu zu verdienen. Adair und Raylan funktionieren in ihrer Dynamik nicht zuletzt deshalb sehr gut, da sie sich eigentlich gar nicht so unähnlich sind und einfach nur auf den jeweils gegenüberliegenden Seiten des Gesetzes stehen. Denn genauso wie Adair macht Raylan prinzipiell das, was er will, und rechtfertigt seine Taten am Ende damit, dass er gute Intentionen hatte. Auch Adair glaubt, er würde nichts falsches tun, indem er Dealer ausraubt, da diese ja selbst kriminell sind – und damit sind wir mal wieder bei dem Element angekommen, das "Justified" seit Staffel 1 so großartig macht: die vehemente Verweigerung von Schwarz-Weiß-Malerei. Adair ist kein klassischer Badboy, genausowenig wie Raylan ein klassischer U.S. Marshal ist. Und somit sind sie beide die in obigem Zitat beschriebenen assholes, die einfach immer Ärger anziehen und von einer Bredouille in die nächste geraten.

Charakterliche Ambivalenz ist natürlich auch immer eine der besten Eigenschaften von Boyd Crowder gewesen. Dieser scheint sich nun im Oxy-Geschäft etabliert zu haben, mit Ava und Johnny weiterhin an seiner Seite, kämpft aber gegen sinkende Verkaufszahlen. Da kommt es ihm gerade recht, dass sein alter Kumpane Colt in Harlan auftaucht, ein auf den ersten Blick sympathischer, auf den zweiten Blick jedoch eiskalter Ex-Soldat, der nach einem Missverständnis den armen Hiram umbringt, anstatt ihn, wie Boyd angedacht hatte, zu befreien. Hier sieht man mal wieder, wie Boyd doch noch etwas von der absoluten Unmoral trennt, und wie er auf eine verquere Weise irgendwie einen Sinn für Richtig und Falsch hat. Colt hingegen scheint überhaupt kein Gefühl mehr dafür zu haben, was Mord eigentlich bedeutet und könnte vielleicht gerade deshalb ziemlich nützlich für Boyd sein.

Während die Storylines rund um Raylan und Boyd sich also aus einer Kontinuität mit der dritten Staffel heraus entwickeln, so scheint es mit der Last Chance of Holiness Church und dem mysteriösen Waldo Truth zwei große neue Erzählstränge für Staffel 4 zu geben. Man scheint weggehen zu wollen von dem Machtspiel in Harlan County, das in Season 1 durch Bo Crowder, in Season 2 durch Mags Bennett, und in Season 3 durch Robert Quarles und Ellstin Limehouse geführt wurde. Stattdessen könnte es sein, dass man dieses für die Südstaaten so typische Geflecht aus christlichem Glauben und Fanatismus mehr erforscht, was durch den undurchsichtigen Priester Billy St. Cyr interessant werden könnte. Wo man mit Waldo Truth, der geheimnisvollen Tasche und dem Führerschein hin will, steht dagegen noch völlig offen, doch gerade weil Arlo darin involviert zu sein scheint, dürfte die Sache spannend werden.

Auch wenn dieser Staffelauftakt aufgrund seiner etwas ungeordneten Erzählstruktur und seines langsamen Tempos nicht mit den bisherigen drei Openers mithalten kann, so ist #4.01 Hole in the Wall trotzdem eine anständige, oftmals ungewohnt witzige Episode, die für die kommenden 12 Folgen ein solides Grundgerüst stellt. Es hat sich nicht viel verändert in Harlan County und genau das ist es, was wir wollen. Raylan ist zurück, Boyd ist zurück, Ava, Johnny, Arlo und die gesamte Bande, sie sind alle wieder da. Und so kann man sich als Fan der Serie eigentlich nur freuen auf eine mit Sicherheit wieder überaus unterhaltsame und spannende neue Staffel von "Justified".

Maria Gruber - myFanbase

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