Bewertung
George C. Wolfe

Ma Rainey's Black Bottom

Foto: Ma Rainey's Black Bottom - Copyright: David Lee/Netflix
Ma Rainey's Black Bottom
© David Lee/Netflix

Inhalt

Es herrscht eine angespannte Stimmung an einem heißen Sommertag im Jahr 1927 in Chicago, als die 'Mutter des Blues ', Ma Rainey (Viola Davis), mit ihrer Band eine Platte aufnehmen soll. Sie muss sich dabei mit ihrem weißen Manager Irvin (Jeremy Shamos) und dem Produzenten Sturdyvant (Jonny Coyne) herumschlagen sowie mit ihrem aufsässigen Trompeter Levee (Chadwick Boseman), der seine Musik für moderner hält. All die Konflikte treffen aufeinander, bis es zu einer Katastrophe kommt.

Kritik

"Ma Rainey's Black Bottom" basiert auf einem Theaterstück von August Wilson, der es sich in seiner Karriere zur Aufgabe gemacht hatte, die Erfahrungen von Afroamerikanern im 20. Jahrhundert zu verarbeiten. Der Autor ist 2005 gestorben und seitdem macht es sich der bekannte Schauspieler Denzel Washington zur Aufgabe, dessen Werke verfilmen zu lassen. "Fences" ist 2016 mit ihm und Davis in den Hauptrollen verfilmt worden, nun also "Ma Rainey's Black Bottom", für das er erneut Davis gewinnen konnte, während er selbst diesmal nur als Produzent fungiert. In dem Theaterstück geht es konkret um die Blues-Sängerin Ma, die sich am Ende ihrer Karriere befindet, da eine gewisse Bessie Smith ihr den Rang abzulaufen droht. Daher wagt sich aus ihrer Komfortzone der Südstaaten in den Norden, nach Chicago, um dort eine Platte aufzunehmen. Viele Schwarze haben wie sie diesen Weg gewagt, nur um festzustellen, dass sie auch dort mit Vorurteilen zu kämpfen haben, wenn nicht sogar mehr, weil sie dort im Verhältnis neuer sind. Diese Ausgangssituation bietet natürlich viel Konfliktpotenzial, auch wenn ich betonen muss, dass das sehr eng erzählte Geschehen konstruiert wirkt. Dafür ist in den 90 Minuten zu viel geballt, um realistisch so passiert zu sein. Aber diese Machart ist für Theaterstücke nicht unüblich und sie erzielt auch ihren Effekt, den es hallt wie eine Explosion nach.

Der besondere Kern dieser Verfilmung sind sicherlich die beiden Figuren Ma und Levee, die die Liebe zur Musik eint, die sich aber ansonsten in völlig unterschiedlichen Phasen ihres Lebens befinden. Das restliche Geschehen ordnet sich um die beiden herum. Ma ist eben eine schwarze Frau, die wegen ihrer Hautfarbe und ihres Geschlechts eigentlich doppelt schlechte Voraussetzungen hat, aber sie hat sich ihren Erfolg erarbeitet und damit ist eine gewisse Arroganz entstanden, die sie auch bis zum bitteren Ende auslebt, denn ihr ist klar, eine verweichlichte Handlungsart würde ihre Karriere sofort in Schutt und Asche legen. Daher verhält sie sich gegenüber den glotzenden weißen Menschen besonders provozierend und deswegen genießt sie es auch, mit ihrem Manager und ihrem Produzenten spielen zu können. Dabei wirkt sie nicht sonderlich sympathisch, aber man merkt auch deutlich, wie sehr sie sich ihrer Verantwortung gegenüber ihrer Leute bewusst ist. Aber es gibt Grenzen und das ist Levee, der ihr gerne den Rang ablaufen würde und der ihr somit gar nicht ins Bild passt.

Levee ist sicherlich noch tragischer als Figur, weil er anfangs völlig aufgekratzt mit neuem Schuhwerk daherkommt und voller Selbstbewusstsein davon ausgeht, dass heute noch sein musikalischer Stern aufgehen wird. Seine Energie ist ansteckend und obwohl er völlig naiv in seinen Ansichten wirkt, wünscht man sich als Zuschauer, dass er bekommt, was er sich ersehnt. Spätestens mit der Offenbarung seiner tragischen Familiengeschichte wünscht man sich das, aber die Geschichte nimmt eine tragische Wendung. Der ganze Film nimmt eine tragische Wendung, als schließlich alle Blues-Musiker durch Weiße ersetzt werden. Ich hätte mit so einem Ende nicht gerechnet, weswegen es mich umso härter mitten ins Mark trifft. Auch wenn es sicherlich etwas überspitzt in der Endlösung konzipiert wurde, so ist es doch das alte Lied der Afroamerikaner. Es ist natürlich clever, das am Blues abzubilden, denn es ist die Musikrichtung der Afroamerikaner, ihre Art sich auszudrücken und dass diese ihnen genommen wird, treibt die Tragik auf die Spitze.

Um diesen tragischen Effekt noch mehr zu betonen, war es natürlich wichtig, die entsprechenden Schauspieler zu finden. Davis hat schon oft ihr unglaubliches Talent beweisen dürfen, weswegen es wenig überraschend ist, dass sie alles in die Darstellung von Ma Rainey gepackt hat. Zudem lässt sich auch freiwillig 'entstellen', um so nah wie möglich an dem tatsächlichen Vorbild der Rolle zu sein. Gerade mit dem enormen Make-Up sieht sie als Ma fast wahnsinnig aus, aber das macht das Schauspiel auch wahnsinnig gut. Nichts anderes kann man über Levee-Darsteller Chadwick Boseman sagen. Es hat innerlich in mir gebrannt bei dem Gedanken, dass es tatsächlich die letzte Rolle ist, die er jemals auf Erden gespielt haben wird. Aber andererseits ist es so passend. Es mag Einbildung gewesen sein, aber ich meinte zu spüren, wie bewusst er sich diese Rolle ausgesucht hat und dass er wirklich noch einmal alles herausgeholt hat, was ging. Der Kampf für die Stellung der Afroamerikaner in der Gesellschaft, die bedingungslose Lebensfreude und gleichzeitig diese immensen Glaubenszweifel. Diese Themen werden zeitlos für ihn gewesen sein und da sie damals wie heute eine Rolle spielen, wird auch er überdauern mit seinem Talent, das steht in jedem Fall fest.

Fazit

"Ma Rainey's Black Bottom" wirkt an einigen Stellen konstruiert in der thematischen Verdichtung, aber die Themen selbst sind absolut zeitlos und werden wirklich packend dargestellt. All das gelingt aber nur, weil der Cast mit Davis und Boseman von zwei Schauspielern angeführt wird, die alles mit sich reißen. Am Ende haben wir nur einen kleinen Ausschnitt erlebt, der aber für so viel mehr steht.

Lena Donth - myFanbase
03.01.2021

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