Bewertung

Unverblümt - Nichts ist privat

Nothing Is Private

Foto: Copyright: EuroVideo Bildprogramm GmbH
© EuroVideo Bildprogramm GmbH

Inhalt

Jasira Maroun (Summer Bishil) beginnt, erwachsen zu werden. Ihre überforderte Mutter (Maria Bello) kommt damit schwerlich zurecht und schickt sie zu ihrem Vater (Peter Macdissi), der in einer netten Vorstadtsiedlung in einem schöne,n kleinen Haus wohnt. Nun sieht sie sich nicht nur mit ihrem strengen, konservativen Vater konfrontiert, sondern auch mit dem Nachbarn Travis Vuoso (Aaron Eckhart), auf dessen Kind sie in ihrer Freizeit aufpassen muss und der Interesse an dem viel zu jungen Mädchen zu finden scheint. Noch viel komplizierter wird es, als Jasira eine Beziehung mit einem ihrer Mitschüler (Eugene Jones III) anfängt, der – zum Missfallen ihres Vaters - afroamerikanischer Abstammung ist.

Kritik

Alan Ball hat einen neuen Film gemacht? Der Alan Ball, der das Drehbuch zur meisterhaften, oscarprämierten Vorstadtsatire "American Beauty" schrieb, der sich für eine der besten US-Serien der letzten zehn Jahre in Form von "Six Feet Under" verantwortlich zeigte und der nun mit dem Vampirdrama "True Blood" abermals Seriengeschichte schreibt? Alan Ball hat leider keinen neuen Film gemacht, sondern der Film, um den es hier geht, ist bereits drei Jahre alt, wird aber erst jetzt verspätet auf DVD veröffentlicht, bekommt also keinen Kinostart, was schade ist, aber auch irgendwie verständlich, denn Ball hat sich für sein Regiedebüt einen gewagten, sehr kontrovers diskutierten Roman als Vorlage genommen und aus diesem einen ebenso sperrigen Film gemacht, der sich im Kino wohl schwer vermarkten ließe.

Die Geschichte eines 13-jährigen Mädchens, dass sexuell zu erwachen beginnt und dies vor ihrem strengen Vater, der mit dem beginnenden Erwachsenwerden seiner eigenen Tochter nicht zurechtkommt oder besser gesagt sich damit erst gar nicht erst auseinander setzen will, vermischt Ball mit einer bissigen Vorstadtsatire und einer Momentaufnahme des amerikanischen Mittelstands zur Zeit des Irakkriegs.

Die Erwachsenen, die einem Mädchen in einer emotional so aufwühlenden Zeit wie der Pubertät Halt geben sollten, stellt Ball als gestörte, ignorante Schwächlinge dar. Da wäre zunächst ihr Vater, der plötzlich Verantwortung für seine Tochter übernehmen muss, damit aber überhaupt nicht umgehen kann. Nie zeigt er auch nur einen Hauch von Mitgefühl oder Empathie, Probleme versucht er wegzuschreien oder wegprügeln zu wollen, eingehen tut er auf seine unsichere Tochter nie. Einzig am Schluss des Filmes, an dem ihm bewusst wird, was seine Tochter alles zu erleiden hatte und wie sehr er als Vater versagt hat, kommt er ein wenig zur Besinnung.

Eine weitere zentrale Figur ist die des Nachbarn, brillant verkörpert von Aaron Eckhard. Ein engstirniger, republikanischer Familienvater, der ein vordergründig perfektes Leben in seinem Vorstadthaus führt, in seinem inneren aber ein zutiefst verstörteres menschliches Individuum ist, welches sein Leben verabscheut und die 13-jährige Nachbarstochter für seine krankhafte Sucht nach Nähe und Zuneigung missbraucht. Wie Eckhard diesen immer zwischen makelloser Freundlichkeit und brutalen sexuellen Übergriffen hin und her pendelnden gebrochenen Menschen darstellt, ist beeindruckend. Dass der Zuschauer oftmals sogar Mitleid mit einem Mann hat, der sich mehrmals an einem verwirrten, jungen Mädchen vergeht, ist allein Eckhards differenziertem Spiel zu verdanken.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Skizzierung des Befindens der amerikanischen Gesellschaft zurzeit des Irakkriegs, die vor allem von Entfremdung geprägt ist: Da stehen sich Menschen verschiedener Kulturen gegenüber, die sich allesamt als Amerikaner fühlen, die auch ähnliche Ansichten vertreten, die sich aber trotzdem distanziert und ablehnend gegenüber stehen. Es wird ein gespaltenes Amerika gezeigt, dass geprägt ist durch Vorurteile und gegenseitigem Ressentiment. Diese Skepsis gegenüber dem Fremden wirkt auch auf die jüngere Generation weiter, die mit Fremdenhass aufwächst und diesen dann auch weiter transportiert.

In dieser komplizierten und schwierigen Zeit muss die junge Jenna erwachsen werden, eine eigene Identität herausbilden und ihren Platz in der Gesellschaft finden. Der Film zeigt diese Phase des Erwachsenwerdens und dem damit verbundenen Erwachen und Entdecken der eigenen Sexualität in schonungsloser Offenheit, ungeschönt und durchaus realistisch. Dieses von ihren Gefühlen und Bedürfnissen gefangen genommene, noch sehr junge Mädchen, das ihrem eigentlichen Alter aber immer schon ein Stück voraus ist, verkörpert die noch recht unbekannte Darstellerin Summer Bishil ausgezeichnet, auch wenn sie für die Rolle im Grunde schon ein wenig zu alt war.

Fazit

Alan Balls Regiedebüt ist beißende Gesellschaftskritik und authentisch erzähltes Coming-of-Age-Drama gleichermaßen. Auch aufgrund der tollen Darsteller sehr zu empfehlen.

Moritz Stock - myFanbase
28.05.2011

Diskussion zu diesem Film