Bewertung

Review: #5.12 Erinnerung

Über weite Strecken fühlt sich die Episode wie ein Neuanfang der Serie an. Rick und seine Gruppe kommt in eine neue Umgebung und ganz plötzlich verändert sich die Dynamik der Serie entscheiden. Die Alexandria Safe Zone, oder einfach nur Alexandria, wie sie hier in der Serie heißt, hätte das Potential, sich zu weit mehr als nur einem kurzfristigen Schauplatz für die kommenden Folgen zu etablieren. Allerdings wirkt im Moment vieles noch immer zu gut, um wahr zu sein.

"I want you to help us survive."

Eine Episode ohne besonders viel Drama gab es schon lange nicht mehr. Der erhoffte Silberstreif am Horizont hat sich als durchaus interessante Möglichkeit für die Gruppe entpuppt, um endlich zur Ruhe zu kommen und so etwas wie ein normales Leben zu führen, doch keiner traut sich, wirklich daran zu glauben, dass sie hier hinter den großen Mauern sicher sind. Natürlich haben sie Recht, misstrauisch zu sein, denn zu oft sind sie bereits von Menschen enttäuscht worden.

Auf den ersten Blick wirkt Alexandria wie ein verschlafenes, kleines Nest, das den Zombieausbruch nicht so recht mitbekommen zu haben scheint. Natürlich wissen die Bewohner über die Bedrohung Bescheid, doch wirklich in Kontakt mit Beißern sind hier anscheinend nur wenige gekommen. Das spricht zum einen für die Sicherheit der Umzäunung, zum anderen lässt es jedoch auch erkennen, dass im Falle eines Falles die Anwohner es schwer haben werden, sich zu verteidigen.

Deanna, die Anführerin der Gemeinde Alexandria, scheint eine recht kompetente Führungspersönlichkeit zu sein, die ihre Schäfchen unter Kontrolle hat. Natürlich könnte man anbringen, dass sie keinen blassen Schimmer hat, was im Falle eines wirklichen Angriffs von Zombies oder anderen feindlich gesinnten Gruppen zu tun ist, aber das macht sie nicht zu einer weniger autoritären Person. Sie verkörpert eben einen Führungsstil, der in einer Welt, so wie wir sie in den letzten viereinhalb Jahren kennen gelernt haben, aufgehört hat zu existieren. Innerhalb der Mauern von Alexandria funktioniert er jedoch.

Dass Rick und die anderen skeptisch sind ob dieser anscheinenden Blauäugigkeit der Bewohner, die regulären Arbeiten nachgehen und sich ihres Lebens freuen, ist verständlich. Und dass nicht alles eitel Sonnenschein in Alexandria ist, wird auch früh angedeutet, wobei ich sagen muss, dass Deannas vorlauter Sohn nicht zu einem guten Antagonisten für den Rest der Staffel taugt. Dazu ist er zu aufbrausend, handelt zu unüberlegt und ist zu wenig gefährlich. Wesentlich interessanter kommt der nur im Halbschatten zu erahnende Ehemann der guten Seele und ehemaligen Friseurin Jessie daher, der Rick in der Nacht kurz anspricht und halbherzig in der Stadt willkommen heißt. Nicht umsonst ist er in dieser zwielichtigen Atmosphäre eingeführt worden; ich glaube also, dass sich hier vielleicht ein möglicher Konflikt zwischen Rick und Ron anbahnt, gerade weil Rick mehrere, nette Szenen mit seiner Frau hatte.

Der Rest der Bewohner von Alexandria bleibt verständlicherweise noch recht blass. Es gibt einige Jugendliche in der Gemeinde, die jedoch recht oberflächlich wirkten. Lediglich Enid, ein Mädchen von "draußen", wie sie genannt wird, scheint etwas mysteriöser zu sein und bietet gerade für Carl eine möglicherweise spannende neue Storyline.

"This place is going to make us weak."

Die Sache mit den aufgezeichneten Interviews finde ich spannend, weil gerade durch die direkte Hinwendung zu den Zuschauern noch einmal herausgestellt wird, wie sehr Glenn, Daryl und Carol mittlerweile verstört sind. Man traut den Menschen in Alexandria nicht, man traut den Mauern darum nicht, die Bewohner zu schützen.

Daryl entzieht sich jeglicher Kommunikation mit irgendjemandem aus der Gemeinde und betritt nicht einmal die Dusche, die von allen anderen so herbeigesehnt wurde. Er wirkt, als wäre er jederzeit bereit, zu verschwinden. Er gibt ja offen zu, dass er nur einverstanden war, hierher zu kommen, weil er den Kindern Carl und Judith eine Chance auf ein halbwegs sicheres Leben geben wollte. Er selbst ist jedoch nicht davon überzeugt, dass Alexandria ein sicherer Hafen für sie alle sein könnte.

Während Daryl sich vollkommen abschottet und die Isolation sucht, macht Carol das genaue Gegenteil. Sie will sich schnell in die Gemeinschaft integrieren, in der Hoffnung, so mehr über die Menschen heraus zu finden. Dazu lügt sie in ihrem Interview mit Deanna und schwärmt ihr von ihrem grandiosen Leben mit ihrem Mann Ed vor und degradiert sich von einer starken Frau zu einem schwachen Heimchen, das nur das Glück hatte, von den anderen beschützt zu werden. Interessante Strategie, wenngleich ich Daryl Recht geben muss, ihr Outfit sieht wirklich lächerlich aus.

Michonne hingegen findet sich schnell in die Gemeinde ein und zögert keine Sekunde, als Deanna ihr am Ende anbietet, den Posten eines Constable neben Rick anzunehmen. Für sie ist Alexandria einen Versuch wert, ebenso wie für Glenn, der jedoch bald feststellen muss, dass vor allem die jüngeren Leute von Überleben dort draußen wirklich wenig Ahnung haben.

"We'll make it work. If they can't make it, then we'll just take this place."

Es ist eine andere Episode als erwartet. Sie kommt ohne viel Drama oder Spannung auf (natürlich gibt es den ein oder anderen Gore-Moment), doch letztendlich konzentriert man sich darauf, zu zeigen, wie ein Paar Charaktere sich mit der Idee anfreunden, in Alexandria Fuß zu fassen. Selbst Rick überwindet am Ende scheinbar seine Zweifel und lässt sich zum Constable machen. Dass er längst nicht überzeugt ist, dass die Menschen in Alexandria zu ihnen passen, verrät die letzte Szene, in der er Daryl und Carol klar macht, dass sie zur Not die Gemeinde einfach übernehmen, sollten die anderen nicht in der Lage sein, sie zu schützen. Die Szene erinnert ein wenig an den Gouverneur und arbeitet deutlich heraus, was aus den Menschen wird, die zu lange in einer Welt wie dieser dargebotenen agieren müssen. Aus Vertrauen wird Angst. Aus Angst entsteht Gewalt und aus Leben wird Überleben. Ohne Rücksicht auf Verluste.

Die erste Folge innerhalb von Alexandria war spannend, nicht wegen der Bedrohung, die sich am Horizont abzeichnet, sondern genau deswegen, weil momentan völlig offen ist, was auf die Gruppe, die wir kennen und lieben gelernt haben, nun zukommen mag.

Randnotizen

  • Der Bart ist ab! Ich hab ganz vergessen, wie Andrew Lincoln ohne Zottelbart aussieht und Michonnes Reaktion darauf war herrlich. Es ist tatsächlich eine neue Ära angebrochen.
  • Rick begibt sich hinter die Tore, um seine Waffe zu suchen, die er versteckt hatte, ehe er sich nach Alexandria aufgemacht hat, doch sie ist verschwunden. Bin gespannt, wer dahinter steckt.
  • Carl unter den anderen Jugendlichen – nie hat man sich unwohler gefühlt und es wird auch deutlich, dass Carl sich in dieser Gesellschaft nicht wirklich wohl fühlt. Seine Kindheit hat lange vor dem Moment geendet, in dem er seine eigene Mutter töten musste. Es fällt jedoch erst auf, wenn er mit Gleichaltrigen unterwegs ist.

Fazit

Es ist eine unerwartete, weil sehr ruhige Episode geworden, die immer noch damit spielt, dass niemand dem Frieden in Alexandria traut. Inwiefern sich die Angst der Gruppe als berechtigt herausstellt, müssen die verbleibenden vier Episoden aus Staffel 5 zeigen, doch der Einstieg in einen Handlungsbogen, der sich längere Zeit an einem festen Ort etablieren kann, ist auf jeden Fall vielversprechend.

Melanie Wolff - myFanbase

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