Bewertung

Review: #4.22 Luzifer erhebt sich

"Carry On Wayward Son" läutet das Staffelfinale ein und man fühlt sich als Fan der Serie sofort zu Hause. Der Vorspann reicht, um für Nervenkitzel zu sorgen, jetzt müssen nur noch Erwartungen erfüllt werden. Und das werden sie auch. Denn "Supernatural" fährt einmal mehr alle Geschütze auf, um die Spannung der Folge gekonnt bis in die nächste Staffel zu ziehen.

Sam

Es ist schon erstaunlich: Gerade in dem Moment, in dem sich Sam endgültig dafür entscheidet, seinen Bruder zu verlassen und seinen eigenen Weg zu gehen, wird der Junge mir endlich wieder sympathisch. Vermutlich liegt das daran, dass man endlich wieder sieht, was man die ganze Zeit vermissen musste – Sam hat noch Gefühle und nicht irgendwelche, sondern genau die, die wir von ihm gewohnt sind.

Umso erschreckender ist es, dass er sich so einfach von Ruby manipulieren lässt und sogar die Krankenschwester tötet, obwohl diese ihn anfleht, sie gehen zu lassen. Und es ist nicht so, dass er das nicht gekonnt hätte. Einfach austreiben. Die Sache wäre schnell und ohne große Verluste erledigt gewesen. Die Ruchlosigkeit der Realität hätte ich von Sam trotz all seiner Blindheit im Bezug auf Lilith nicht erwartet. Und doch – der kleine Bruder Deans, den wir so sehr dafür lieben, dass er lieber grübelt als kämpft, ist noch da und lässt sich nach langer Zeit endlich wieder einmal sehen.

Er zweifelt an sich, an seinem ganzen Leben. Er will alles wieder in Ordnung bringen und schafft es doch nicht, aus seinem eigenen Schatten zu treten, was ihn nur noch mehr in einer Spirale nach unten treibt, aus der er nicht mehr heraus kommt. Mir hat es fast das Herz gebrochen, als er die manipulierte Nachricht auf seinem Anrufbeantworter abhörte und dachte, dass Dean ihn für ein Monster hält. Die Verzweiflung am Ende der Folge, als er endlich erkennt, was er sich selbst, seinem Bruder und der ganzen Welt angetan hat, wirkt so stark, dass man Sam am liebsten umarmen möchte und ihm sagen, dass alles gut wird.

Dean

Dean hingegen ist in seiner Persönlichkeit so stark, wie ich ihn schon lange nicht mehr gesehen habe. Bis jetzt hat er in der vierten Staffel stets so lange eine harte Fassade präsentiert, bis der Zusammenbruch kam. Und er kam jedes Mal so sicher, wie das Amen im Gebet. Man musste sich ständig irgendwie um sein Seelenheil sorgen. Und jetzt, ganz plötzlich, ist nicht nur der alte Sam wieder da, sondern auch sein großer Bruder – Dean ist wütend, wie wir es gewohnt sind, verzeiht seinem Bruder, wie wir es gewohnt sind und kämpft wie ein Löwe für Sam und die Welt – alles wieder beim Alten. Auch wenn er dafür einen Stoß in die richtige Richtung braucht.

Die Moralpredigt, die Bobby Dean verpasst, in der endlich gesagt wird, was eigentlich klar auf der Hand liegt – "You are a better man then your daddy ever was" – ist ebenso ein absoluter Höhepunkt der gesamten Staffel, wie die Diskussion zwischen Dean und Castiel ein wenig später.

Eine der berührendsten Momente dieser Folge zeigt sich beinahe versteckt in einem einzigen Wort – es ist das "Sammy" aus Deans Mund ganz am Ende der Folge. Denn kein überkitschiger Dialog hätte auch nur ansatzweise so viel gut machen können, wie der Spitzname, mit dem nur sein große Bruder Sam anreden darf. Mit nur einem einzigen Wort hat man mir als Zuschauer das Gefühl gegeben, dass noch lange nicht alles verloren ist. Solche Momente sind so selten wie genial und für mich genug wert, um (fast) alle Schwächen der Staffel zu verzeihen.

Ruby, Azazel und Lilith

Oh mein Gott, Ruby spielte also die ganze Zeit ein falsches Spiel, wer hätte sich das gedacht… Ich hoffe der Sarkasmus ist gerade angekommen. Nein, ganz im Ernst, dass Ruby nicht ganz uneigennützig handelt, dürfte den meisten klar gewesen sein, weshalb es auch keine Schande ist, dass sie jetzt auch, hoffentlich für immer, Geschichte ist. Dass sie allerdings so durchtriebene Pläne verfolgt, hätte ich nicht geglaubt, selbst, wenn ich des Öfteren über diese Möglichkeit nachgedacht habe. Viel mehr vermutete man irgendwelche persönlichen Rachegelüste hinter der Hilfsbereitschaft der Dämonin. Ich hätte ihr zugetraut, nach Liliths Tod selbst das Ruder übernehmen zu wollen und so gesehen ist die Loyalität Rubys am Ende doch eine ziemliche Überraschung.

Ganz anders Lilith. Bei ihr ist alles so ausgegangen, wie man es sich erwartet hat und obwohl ich natürlich immer hinter Sam und Dean stehe, werde ich das kleine Dämonenmädchen, das selbst noch in erwachsenen Körpern ihre kindlich morbiden Spielchen nicht lassen konnte, irgendwie vermissen. Auf jeden Fall hat sie sich in meiner persönlichen "Hall of Fame" der "Supernatural"-Bösewichte ganz klar einen Ehrenplatz verdient.

Ein ebensolcher Platz ist ja schon von Anfang an für Azazel reserviert und dessen Anfänge zu beobachten, war für mich ein würdiger Abschied von meinem Lieblingsdämon. Und siehe da – er ist so herrlich durchtrieben und böse, als wäre er nie weg gewesen. Azazel, der gelbäugige Dämon, der sehnsüchtig die Ankunft Luzifers erwartet – da könnte man beinahe vergessen, dass es sich bei dem heiß ersehnten Vater um den Teufel handelt und dass für das "Ferngespräch" dutzende Nonnen regelrecht geschlachtet werden mussten. Nun ja, vielleicht ist meine Liebe zu hinreißenden Antagonisten auch ein wenig zu ausgeprägt, aber Azazels Auftritt war für mich das Tüpfelchen auf dem „i“ einer sehr grandiosen Leistung aller Bösewichte dieser Folge.

Castiel, Anna und Zachariah

Die Frage nach der Zukunft belastet mich aber in anderer Hinsicht viel mehr, weil ich weder weiß, was mit Anna geschehen ist, noch wie es genau mit Castiel weitergehen wird. Um beide täte es mir wahnsinnig leid, denn Anna scheint im Moment als einzige den Durchblick über die Gesamtsituation zu haben und bringt zusätzlich als Charakter noch einiges mit, was sich sehen lassen kann. Und Cas, was soll man dazu noch anderes sagen, ist einfach Cas. Ihn irgendwann zu verlieren, wäre ein Verlust sondergleichen für die Serie, nicht nur, aber auch, weil er in seiner Streitbeziehung zu Dean so wunderbar mit diesem harmoniert, wie sonst nur Sam und Bobby. Und jetzt, da er sich für die "richtige" Seite entschieden hat, sind alle Weichen für eine ziemlich verstrickte Storyline rund um den Engel gestellt.

Interessant könnte es auch noch mit Zachariah werden, sollte dieser endlich seine Farblosigkeit verlieren, durch die er schlichtweg grobschlächtig und unsympathisch wirkt und so ein wenig den restlichen Charakteren im Niveau ein wenig hinterher hinkt. Allerdings kann man ihm zugutehalten, dass er viele Aspekte für die Zukunft der Geschichte mit ins Spiel gebracht hat – die Rebellion im Himmel, ein abwesender Gott und vor allem Lucifer als neuer Antagonist bieten mehr als genug Potential für die fünfte Staffel und letzten Endes kommt es nur darauf an.

Lucifer

Womit man auch schon am Ende und damit dem großen Fragezeichen für die nächste Folge wäre. Denn dem wahrscheinlich größten Bösewicht aller Zeiten, auf den die ganze Staffel Stück für Stück hingearbeitet wurde, wird in diesem Finale nur ein Satz ansatzweise gerecht. Und dieser Satz ist gleichzeitig auch der letzte der ganzen Staffel: "He's coming."

Fazit

Was genau sind die Merkmale eines überragenden Staffelfinales? Eine temporeiche Handlung, Charaktere in Hochform, überraschende Wendungen und eine Schlusssequenz, bei der man den Bildschirm verprügeln möchte, weil er den Nachspann zeigt, während man doch eigentlich wissen möchte, wie es jetzt weiter geht. Es gibt in Folge also nur eine richtige Beschreibung für diese Folge und sie liegt auf der Hand: Ein überragendes Staffelfinale, das jede Sekunde Sendezeit wert ist.

Eva K. – myFanbase

Die Serie "Supernatural" ansehen:


Vorherige Review:
#4.21 Wenn der Damm bricht
Alle ReviewsNächste Review:
#5.01 Mein Name ist Luzifer

Diskussion zu dieser Episode

Du kannst hier oder in unserem Forum mit anderen Fans von "Supernatural" über die Folge #4.22 Luzifer erhebt sich diskutieren.