Die besten Staffeln 2009/2010
Platz 5: Treme

Eine Fernsehserie über New Orleans und dessen Musikkultur nach dem verheerenden Hurricane Katrina zu drehen, klingt zunächst nur bedingt vielversprechend, wurden doch in der Vergangenheit zahlreiche meist verfälschende Darstellungen über das Schicksal der Einwohner gedreht und gedruckt, mit dem Ziel, aus dem Leid der Menschen dort möglichst viel Geld zu machen. Wieso also jetzt, fünf Jahre nach dem Hurricane, eine TV-Serie daraus machen? Und vor allem, wieso sollte man sich auch noch darauf freuen? Die Antwort auf die zweite Frage ist relativ simpel, besteht sie doch lediglich aus zwei Wörtern: David Simon. Immerhin sollte eine neue Serie des Masterminds hinter dem Meisterwerk "The Wire" durchaus zu Optimismus verleiten.
"Down in the Treme / Just me and my baby / We're all going crazy / While jamming and having fun"
Für die Beantwortung der ersten Frage muss man sich dessen bewusst werden, was Simon und Overmyer, die zweite treibende kreative Kraft hinter der Serie, eigentlich erreichen möchten. Es geht um das einzigartige Kulturgut, das New Orleans vor allem für die Entwicklung der afro-amerikanischen Musik darstellt, dessen sich viele Außenstehende nicht bewusst sind und das gesichert werden muss. Darauf möchten sie in der Serie hinweisen. Entsprechend konsequent ist daher auch der Anteil, den Musik bei "Treme" annimmt. Wenn also nicht gerade Musik gespielt wird, verfolgt man das Leben von Musikern und ihrem Umfeld. Doch "Treme" ist viel mehr als das, was David Simon mit einem Augenzwinkern als "'Glee', but with a few more black people" beschrieb. "Treme" ist der Gegenentwurf zu "Glee", in jeglicher Hinsicht. Aus musikalischer Sicht wirkt es weniger gekünstelt und sehr viel harmonischer wie das überproduzierte Vollplayback des Megaerfolgs aus dem Hause Ryan Murphy. Jede einzelne Episode dürfte vor allem für Jazz-Kenner ein wahr gewordener Traum sein, treten doch diverse bekannte Persönlichkeiten wie Kermit Ruffins, Allen Touissant oder Dr. John als sie selbst auf. Selbst wenn man nur einen Bruchteil oder überhaupt niemanden der in der Serie anwesenden Musiker kennt, kommt man nicht umhin, mitzuwippen und sich von der dort vermittelten Stimmung anstecken zu lassen.
Darüber hinaus ist es gelungen, eine derart breite Erzählstruktur aufzubauen, dass es schnell um viel mehr als nur Musik geht, sei es um Korruption in der Politik, den Konflikt zwischen der Polizei und den Mardi Gras-Indianern oder die Kontroversen rund um Sozialwohnungen, aus denen zahlreiche Einwohner vertrieben wurden. So ganz ohne (Gesellschafts-)Kritik geht es bei Simon und seinem Team eben einfach nicht, und das ist gut so. Die diversen Versäumnisse der US-Regierung sowie die unterlassene Hilfestellung aus großen Teilen der USA wurde sogar ganz offen in Form von Creighton Bernette (wie so viele Charaktere übrigens basierend auf einer realen Figur) und seiner berühmten "Fuck you, you fucking fucks"-Ansprache geäußert. Aber auch sonst ist offensichtlich, dass neben all der Freuden immer noch einiges im Argen liegt. Das versucht "Treme" glücklicherweise auch gar nicht zu verschleiern oder auszublenden, dafür ist der Anspruch, den die Serie an sich selbst stellt, auch viel zu hoch.
Wegen dieser breit angelegten Erzählstruktur war es absehbar, dass es kaum Storylines geben würde, die einen Großteil der Staffel über präsent sind. Die Suche nach Daymo war dabei wohl die einzige Ausnahme. Trotzdem hatte man nie das Gefühl, von den Ambitionen der Serie überrollt oder allgemein allein gelassen zu werden. Ihren Anteil daran hatten die zahlreichen fantastisch ausstaffierten Charaktere, die mit Toni, LaDonna und Janette die wohl stärksten Frauenfiguren im TV seit einiger Zeit stellen. Auch die Männer wissen zu überzeugen, seien es Antoine, Albert, Davis oder Creighton. Jedem Einzelnen wurde so viel Leben eingehaucht, wurden so viele Eigenheiten und unterschiedliche Motivationen gegeben, dass am Ende im Grunde alle Identifikationspotential bieten und vor allem durch und durch real wirken. Dass dafür auch die Darsteller mitspielen müssen, ist evident. Mit vielen hat Simon bei seinen Vorgängerserien schon gearbeitet, der Rest rekrutierte sich aus angesehenen Schauspielkollegen, Einheimischen und Musikern. Insbesondere Melissa Leo (grandios bei ihrer Reaktion auf Creightons Selbstmord), Khandi Alexander, Wendell Pierce und John Goodman wissen zu glänzen.
Am Ende haben es David Simon und Eric Overmyer geschafft, eine gesamte Stadt zum Leben zu erwecken, mit all ihren Facetten, ihren Charakteren, ihren Beziehungen zueinander, ihren Ambitionen, ihren Ängsten und ihren Freuden. Damit unterscheidet sie sich kaum von Simons Crime-Drama "The Wire", das dasselbe Kunststück vollbrachte, auch wenn sich die Serien inhaltlich natürlich stark unterscheiden. Zweimal hintereinander eine derart breit angelegte Welt zu schaffen, ohne dabei nicht nur die einzelnen Figuren und ihre Schicksale nicht außer Acht zu lassen, sondern sie sogar derart realistisch und vielschichtig zu zeigen, muss einfach belohnt werden mit dem fünften Platz bei der diesjährigen Wertung. Tendenz für das kommende Jahr: steigend.
Andreas K. - myFanbase
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