Carême - Review Staffel 1

Der Eindruck der ersten Episode von "Carême", der französischen Historienserie von Apple TV+, ist noch frisch, und meine Review des Piloten noch stark von meinen Erwartungen an die Serie geprägt. Nach einem rasanten Trailer und einer turbulenten Auftaktfolge war man bereits darauf vorbereitet, dass "Carême" viel mehr werden würde als das Porträt eines berühmten Koches. Doch wie ereignisreich diese erste Staffel werden würde, das war in der Form tatsächlich nicht abzusehen. Aber eins nach dem anderen.
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Eine Serie, die den Namen der Hauptfigur im Titel trägt, schürt gewisse Erwartungen daran, dass man erfährt, wie diese Person sich diesen Namen machen konnte. Wenn man sich ein wenig mit Marie-Antoine Carême (hier dargestellt von Benjamin Voisin) und seiner Geschichte befasst, wird vor allem seine Bedeutung für die Französische Küche hervorgehoben. In seinem Werdegang finden sich die Königshäuser seiner Zeit, es war also abzusehen, dass wir zu sehen bekommen, in welchen Kreisen er wandelt. Diese Dramaserie führt die Geschichte jedoch noch ein wenig weiter. Carême soll nicht einfach nur ein herausragend talentierter Koch gewesen sein, der mit seinen kreativen Interpretationen teils einfacher, aber dennoch exquisiter Gerichte oder ebenso außergewöhnlich gestalteten Kreationen von sich reden machte. Die Serienmacher Ian Kelly und Davide Serino zeigen auch seine zweite Seite: das Leben als Spion, in das er mehr oder weniger unfreiwillig hineingerutscht ist. Man muss sich in Erinnerung rufen, dass es für diesen Teil der Geschichte keine stichfesten Belege gibt, sondern lediglich Gerüchte und Vermutungen, die seit seiner Zeit bis heute anhalten. Aber hätte es wirklich Serienpotential gehabt, Carême ausschließlich bei seiner Arbeit in der Küche oder den kurzen Aufeinandertreffen mit Europas Adel zu zeigen? Ist es nicht viel spannender, einen Marie-Antoine Carême zu sehen, der für seine Liebsten kämpft und dabei auch hinterhältige Dinge tun muss?

© Apple TV+
Der Spannung dieser Serie hat es sicherlich gut getan, die zweite Seite von Carême zu beleuchten. Dennoch hätte ich mir an der ein oder anderen Stelle gewünscht, man hätte sich mehr Zeit gelassen, auch seine Kochkünste zu zeigen. Zwar bekommen wir in jeder Episode seine Arbeit in der Küche präsentiert oder zumindest angedeutet und es gibt immer wieder einzelne Szenen, in der er zur Improvisation gezwungen wird und dadurch neue Erfahrungen für die Verkostenden schafft. Aber insgesamt ist mir dieser Aspekt doch etwas kurz gekommen bzw. es wurde mir zu sehr "nur" angedeutet und nicht tatsächlich gezeigt, wie er auf seine Ideen kommt oder diese ausführt. Gerade nachdem er in der ersten Episode zu sehen war, wie er akribisch an seiner Pyramide arbeitet oder das Tischfeuerwerk für Napoléon Bonapartes (Frank Molinaro) Gesellschaft entwickelt, hätte ich mir in den darauffolgenden Episoden mehr erhofft als nur die Ergebnisse auf den Tellern zu sehen.

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Dazu kommt, dass suggeriert wird, dass er zwar ein kreativer Kopf ist, der viel Ahnung von seinen Zutaten und ihrer Kombination hat, das tatsächliche Kochen aber anderen überlässt bzw. überlassen hat. Er konnte zwar schon von Weitem erkennen, ob ein Stück Fleisch auf den Punkt zubereitet wurde, hat hier und da probiert, um die Geschmäcker genau aufeinander abzustimmen, und am Ende die Teller so angerichtet, dass sie etwas Besonderes waren, aber es wird auch demonstriert, dass die tatsächliche Arbeit von Personen wie Agathe (Alice Da Luz) oder Noël (Gabriel Elkaïm) durchgeführt wurde. Daraus lässt sich herauslesen, dass Carême ohne seine Sous-Chefs und Küchengehilfen nicht zu dem Star-Koch geworden wäre, der er ist. Er mag zwar der Chef in der Küche sein, doch ohne ihre akribische Arbeit und auch ihre kreativen Einflüsse, hätte er sich wohl nicht so entwickeln können. Immerhin müssen wir bis zum Staffelfinale warten, um die Art von Küche präsentiert zu bekommen, die wir heute mit Frankreich in Verbindung bringen. Das Krönungsmal von Bonaparte strotzt nur so von "typisch" französischen, opulenten Gerichten und die Anrichteweise ist unverkennbar. Dazu kommt, dass Carême sich erstmals als "Chef" bezeichnet und die typischen Kochmützen einführt – nicht nur um die Haare vom Essen wegzuhalten, sondern auch um durch die Höhe seine Vormachtstellung in der Küche zu demonstrieren. Bei den Feierlichkeiten erkennen so alle Anwesenden auf Anhieb, wer das Sagen hat und für das traumhafte Essen verantwortlich ist.

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Eine Person, der Carême sein Leben zu verdanken hat, ist sein Ziehvater Bailly (Vincent Schmitt), der ihn bereits als kleiner Junge bei sich aufnimmt und ihm das Handwerk des Konditors beibringt. Zum Koch soll er sich erst dann entwickelt haben, als Carême nach Baillys Festnahme durch Charles-Maurice de Talleyrand-Périgord (Jérémie Renier) zu dessen Koch (und Spion) wurde. Wie sehr die Leben von Carême und Talleyrand miteinander verstrickt sind und welche Abhängigkeit diese beiden Männer voneinander haben, ist ein zentraler Bestandteil dieser ersten Staffel. Neben der beruflichen Entwicklung ist es also die persönliche von Carême, die in dieser ersten Staffel der Dramaserie vorangetrieben wird. Dass er aufgrund seines Talents eine gewisse Arroganz mit sich bringt, ist nicht verwunderlich und so erkennt er teilweise auch erst im Nachhinein, was er anderen zu verdanken hat. Aber wenn seine Liebsten in Gefahr geraten, kommt sein Beschützerinstinkt zum Vorschein, und wenn er sich hintergangen fühlt, sind die Rachegelüste nicht weit.

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Das bereits angesprochene arrogante Auftreten Carême setzt sich auch in seinem Kleidungsstil fort. Er scheint sich dem Erscheinungsbild seiner Zeit nicht fügen zu wollen und kommt mit seinem kurzen wuscheligen Haarschnitt und seiner Kleidung sehr rebellisch herüber. Man betrachte nur seine kurze Jacke mit dem breiten Kragen, dazu der große Ohrring und die Lederhose... Seine Zeitgenossen tragen langes Haar – meist zum Zopf gebunden – und lange Mäntel oder Roben – mit Hut versteht sich. Im Finale setzt er mit seinem leuchtend blauen Anzug noch eins oben drauf und wirkt fast wie ein junger Elvis Presley. Mehr Rock'n'Roll geht wohl nicht. Und genau das gibt der Serie eine gewisse Modernität, die sie nicht zu der typischen Historienserie macht, die wir aus Produktionen wie "Die Musketiere", "Versailles" oder "Victoria" kennen.

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Das führt mich zum nächsten Punkt: der Frauenrolle in dieser Serie. Einerseits haben wir, für diese Zeit typisch, eine männerdominierte Welt – sei es in der Küche oder in der Politik. Dass jemand wie Agathe überhaupt eine solch bedeutende Rolle in der Küche einnehmen kann, wäre in Wahrheit wahrscheinlich so nicht gewesen – erst recht nicht als schwarze Frau. Das Publikum wird auch spätestens in Episode #1.05 Der Kochwettbewerb daran erinnert, dass eine Frau niemals als beste Köchin Frankreich ausgezeichnet werden könnte. Es ist also egal, wie modern und gleichberechtigt die Serie daherkommen möchte, es war historisch gesehen nun mal so, dass die Frau eine untergeordnete Rolle hatte. Dennoch ist es schön, dass wir mit Joséphine (Maud Wyler), nicht nur die Ehefrau von Napoléon Bonaparte zu sehen bekommen, sondern auch eine Stippenzieherin, die ihre gesellschaftlichen Kontakte dafür nutzt, politische Entscheidungen zu beeinflussen. Auch die einstige Prostituierte Catherine Grand (Sigrid Bouaziz) versucht ihre Macht gegenüber Talleyrand auszuüben, hat es aufgrund ihres Standes jedoch schwer, von anderen ernstgenommen zu werden. Selbst Henriette (Lyna Khoudri), die als (nicht wirklich) heimliche Affäre von Carême für einige leidenschaftliche Bettszenen sorgt, erhält als Spionin für Joseph Fouché (Micha Lescot) eine weitere Bedeutung, die die Protagonisten vor einige Probleme stellt. Dass die Frauen nicht einfach nur Spielbälle der Männer sind, sondern sich auf die ein oder andere Weise – notfalls auch durch Manipulation – zu helfen wissen, stimmt mich positiv.

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Nun stellt sich mir zum Schluss noch eine Frage, die sich aber vielleicht auch von selbst beantwortet. Die Serie dreht sich um Carême, seine Doppelrolle und sein Umfeld. Die komplette erste Staffel arbeitet aber auch auf einen Höhepunkt hin: Napoléons Krönung zum Kaiser. In Folge #1.01 taucht Napoléon erstmals auf, in Folge #1.02 sehen wir auch kurz sein Gesicht, doch selbst in den beiden finalen Episoden sieht man kaum etwas von ihm, obwohl sich alles um ihn dreht. Alles, was Carême in dieser ersten Staffel als Spion leisten muss, dient dem Ziel, Talleyrand in Napoléons Gunst steigen zu lassen oder sich in sein Umfeld einzuschleichen und unverzichtbar zu machen. Carêmes Kochkünste werden benötigt, um sich mit ihm gutstellen, dabei ist der Mann bei Weitem kein Gourmet, aber sein Umfeld weiß es zu schätzen. Ebendieses Kochtalent wird auch benötigt, um Louis XVIII. (Sharif Andoura) davon abzubringen, weiterhin die Krone Frankreichs zu beanspruchen, oder selbst den Papst (Olivier Rabourdin) davon zu überzeugen, Napoléon zu krönen. Ohne ein gutes und kreatives Mahl scheint nichts zu funktionieren. Nur der Mann, wegen dem dieser ganze Aufwand betrieben wird, taucht wie gesagt fast nie auf – warum? Ich beantworte mir diese Frage so, dass Napoléon eine so zentrale Figur der französischen und europäischen Geschichte ist, über die schon so viel geschrieben und verfilmt wurde, dass es nicht zum Titel der Serie – "Carême" – passen würde, wäre er hier zu sehr im Fokus. Stattdessen lernen wir seine Frau, seine Ziehtochter und seinen Bruder, seine Minister und Hofdamen kennen... Der Mann selbst bleibt jedoch eine Figur am Rande, in Schnittbildern, meist nur von hinten gezeigt. Das ist eigentlich sehr amüsant. Es geht in dieser Serie nun mal nicht um Bonaparte, sondern um Carême, auch wenn sich Carêmes Leben nur um Bonaparte dreht – ob gewollt oder nicht.
Fazit
Diese erste Staffel von "Carême" geht vorbei wie im Flug. Paris und Frankreich sind geprägt von den Folgen der Französischen Revolution und so ganz möchte man auf die Annehmlichkeiten des Adels nicht verzichten. Ausgefallene Gerichte, leidenschaftliche Intrigen und hochbrisante politische Entscheidungen prägen diese erste Staffel der Apple-TV-Serie. So manches Mal hätte ich mir gewünscht, dass Carêmes Arbeit als Koch noch mehr gezeigt wird, doch welche Bedeutung seine Kreationen und sein Talent bereits innerhalb von wenigen Monaten gewonnen haben, wird in dieser Serie in jedem Fall deutlich.
Die Serie "Carême" ansehen:
Catherine Bühnsack - myFanbase
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