Cologne Conference - Interview mit Jon Hamm

Jon Hamm ist atemberaubend. Er sieht so aus wie Don Draper, strahlt aber die Attraktivität eines Mannes aus, der glücklich und zufrieden ist. Zwei Dinge, die seinem Charakter Don Draper fehlen und die er meist mit Arroganz zu kaschieren versucht. Jon Hamm spielt diese Rolle so meisterhaft, das man als "Mad Men"-Zuschauer meint, er sei Don Draper, er spiele ihn nicht nur. Wenn man ihn trifft, erkennt man schnell, dass dies seine große Leistung ist, denn in vielerlei Hinsicht ist Jon Hamm ganz anders als Don Draper. Und doch ist da dieselbe äußere Erscheinung, wenn auch légèrer, und die tiefe, ausdrucksstarke Stimme, die einem einen Schauer über den Rücken jagt.

Foto: Jon Hamm, Cologne Conference 2010 - Copyright: myFanbase/Nicole Oebel
Jon Hamm, Cologne Conference 2010
© myFanbase/Nicole Oebel

Er schließt das Fenster des Hotels Excelsior, durch das man direkt auf das Hauptportal des Kölner Doms schaut, setzt sich an den Tisch und strahlt nichts anderes aus als Charme, Offenheit, Interesse und Neugier. Seine Haare sind locker zurückgekämmt, er ist frisch rasiert, trägt Blue Jeans und ein körpernahes weiß-blau kariertes Hemd, das seine Augen zum Leuchten bringt (Anm.: Auf dem Bild ist er bereits in Abendgarderobe). Die sechs Journalistinnen dieses Roundtable-Interviews werden eingeladen, sich zu Jon an den Tisch zu setzen, sich vorzustellen und jeweils nach der Reihe zwei Fragen zu stellen. Mit einem gut gelaunten "I'm Jon from the US." leitet Jon die Vorstellungsrunde ein, um den anwesenden Damen ein wenig die Nervosität zu nehmen.

Mir kam die Ehre zu, mich nach ihm als erstes vorzustellen, und ich erhielt auf meine kurze Beschreibung unseres Onlinemagazins myFanbase ein "Fantastic!" von Jon. In Anbetracht dessen, dass ich ihm nicht nur als Interviewerin, sondern vielmehr auch als begeisterter Fan der Serie und vor allem seiner Darstellung des Don Draper, gegenübersaß, schlug mein Herz umso schneller, als ich merkte, dass er sich mir und meiner Frage widmete, als säßen wir alleine am Tisch. Er antwortete sehr ausführlich, überlegt, mit Interesse und Humor und schaute mir, während er sprach, ununterbrochen in die Augen. Dies wiederholte er bei jeder der Journalistinnen während der jeweiligen Fragen und Antworten, wodurch sich wahrscheinlich bei jeder einzelnen das wohlige Gefühl breit machte, dass er sich ihr und dem Interview wirklich aufmerksam zuwandte. Durch seine offene Sitzhaltung aber und dem Einbeziehen von Kommentaren, die zuvor schonmal erwähnt wurden, hatte man trotzdem die gesamte Zeit das Gefühl, in einer entspannten Gesprächsrunde zu sitzen.

Foto: Jon Hamm, Cologne Conference 2010 - Copyright: myFanbase/Nicole Oebel
Jon Hamm, Cologne Conference 2010
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Da in den Themenbereichen durch die verschiedenen Fragesteller hin- und hergehüpft wurde, bietet es sich an, mit der Frage einer Journalistin zu beginnen, die aus Portugal angereist war. Sie bat ihn, zu erzählen, wer Jon Hamm eigentlich ist. Er erzählte, er stamme aus dem Mittleren Westen, einer kleinen Stadt namens St. Louis, welches eine sehr neutrale Gegend ist, worin er den Grund sieht, dass die meisten Leute, um sich selbst zu finden, in die großen Städte an den Küsten abwandern. Er selber sei vor 15 Jahren nach L.A. gezogen und – in diesem Moment begann er zu grinsen – dort quasi über Nacht zum Star geworden, nur das dieses "über Nacht" ca. 13 Jahre dauerte. Er ist allerdings dankbar, dass ihn der Erfolg und der damit verbundene Trubel erst im erwachsenen Alter von 39 Jahren erwische, denn manchmal sei es schon eine bizarre Erfahrung, sehr bekannt zu sein. Dieser Zustand, so sagt er, kann trügerisch sein, denn es gebe genug Beispiele, wo die Öffentlichkeit einen Star auch ganz bewusst irgendwann wieder habe fallen lassen. Er habe in jedem Fall eine gesunde Portion Zynismus gegenüber allem, was geschehe, den eine jüngere Person, die plötzlich berühmt wird, noch nicht hat.

Auf die Frage unserer Redakeurin Annika, inwiefern er das Bild der 60er Jahre, das in "Mad Men" gezeichnet wird, als realistisch betrachte, erklärte er, für die dargestellten Figuren sei es so realitsisch wie möglich. Die Serie hat nicht den Anspruch, alle Menschen der 60er Jahre zu repräsentieren, damit rutsche man zu schnell in Generalisierungen ab. Aus der Sicht der Charaktere aber empfindet Jon das Bild als absolut akkurat.

Foto: Jon Hamm, Cologne Conference 2010 - Copyright: myFanbase/Nicole Oebel
Jon Hamm, Cologne Conference 2010
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Meine Fragen bezogen sich auf den Charakter des Don Draper: Gibt es Charakterzüge, die Jon Hamm an Don Draper bewundert, die er vielleicht sogar mit ihm tauschen würde? Jon stellte zunächst mal klar, dass Don Draper sich die meiste Zeit über wenig bewundernswert verhält, und doch sei seine Fähigkeit, sich selbst neu erfinden zu können, herausragend. In seinem Beruf in der Werbung kreiert Don neue Wirklichkeiten, und genauso macht er es in seinem Leben. Wie glatt Don Draper sich Situationen anpassen kann, findet Jon tatsächlich doch bewundernswert. Ob er deshalb mit ihm die Plätze tauschen würde? Ein klares nein. Und gab es etwas, das ihn beim Kennenlernen seiner Rolle schockiert hat? Jon glaubt, dass Don Draper in der Regel mit guten Absichten handelt. Er hatte eine schwere Kindheit, und dies hat bei ihm Spuren hinterlassen. Sicherlich hat Draper schon viele Menschen verletzt, und dies betrachtet Jon als schwer für die Zuschauer, die sehen wollen, dass Draper sich in eine positive Richtung entwickelt. Don Drapers Fehler und Schwächen erzeugen ein gutes Drama, aber es tue weh, dabei zuzuschauen. Auf meine dritte Frage, ob es für ihn auch soviele WTF-Momente bei "Mad Men" gegeben habe wie für uns Zuschauer, stimmt er unumwunden zu. Es habe viele verrückte Momente gegeben, aber ganz oben auf dieser Liste stehe wohl der zentrale Moment aus der Folge "Guy Walks Into an Advertising Agency" (#3.06), und diese Folge hätte den Untertitel "…but he didn't walk out!" tragen sollen.

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