Bewertung

Review: #3.09 Jetzt oder nie

Wieso genau wurde man noch mal Fan von "Homeland"? Diese Frage hat sich im Verlauf der aktuellen Staffel wohl so mancher Zuschauer gestellt. Zweifelsohne wurde dessen Loyalität mit den bisherigen Staffelentwicklungen mehr als einmal auf die Probe gestellt. Doch trotz aller Frustration macht es sich am Ende oftmals doch bezahlt, am Ball geblieben zu sein. #3.09 Jetzt oder nie ist der perfekte Beweis dafür. Stießen die ersten Folgen der aktuellen Staffel nicht bei jedem auf Gegenliebe, scheint die zweite Hälfte (jedenfalls bis jetzt) all jenes wett zu machen, was zuvor weniger rund lief. Schon seit der letzten, vielleicht auch der vorletzten Episode ist zu merken, dass die Macher von "Homeland" nicht verlernt haben, wie gutes Storytelling geht. In der aktuellen Episode präsentiert sich die Serie nun endlich einmal wieder von ihrer besten Seite.

"Please. No more. I'm done."

Im Zentrum von #3.09 steht Brody. Der Zuschauer wird Zeuge seines Heroin-Entzugs. Und das auf ziemlich drastische, eingängige, ja, fast brutale Art und Weise. Der Brody, den wir hier zu Gesicht bekommen, hat rein gar nichts mehr mit dem Brody zu tun, den wir aus den ersten beiden Staffeln kennen. Er ist ein gebrochener Mann. "A man who's dug himself into a hole so deep, common sense would tell you there's no way out." Er kann nicht mehr. Er will nicht mehr. Er hat mit seinem Leben abgeschlossen. Doch nicht einmal sterben lässt man ihn. Und als Zuschauer leidet man mit. Denkt man genauer darüber nach, ist Brody schon seit Beginn der Serie nichts weiter als eine Marionette. Immer sind es andere, die die Fäden ziehen: Als US-Marine ist er abhängig von seinen Vorgesetzten, als Kriegsgefangener von Abu Nazir, auf seiner Flucht nach dem Langley-Attentat von zwielichtigen Venezuelanern, die aus ihm einen Heroin-Junkie machen. Und jetzt, nachdem er vermeintlich aus deren Fängen 'befreit' wurde, zieht Saul die Strippen. Und der hat mit ihm alles andere im Sinn, als ihm seinen Willen zu gewähren und ihn einfach so dahinsiechen zu lassen. Brody kann also nicht einmal mehr selbst entscheiden, wann er genug hat und aus dem Leben scheiden will. Nicht einmal diese Freiheit hat er noch. Damian Lewis' großartigem Spiel ist es dabei zu verdanken, dass man Brody die Wandlung vom vermeintlichen Terroristen hin zum lebensüberdrüssigen Drogenabhängigen voll und ganz abkauft. Egal, welches Extrem man ihm abverlangt, egal durch welches tiefe Tal die Autoren die Figur schicken, Damian Lewis liefert ab – und trägt damit erheblich zur Glaubwürdigkeit dieser Achterbahnfahrt bei. Wie es mit der Figur nun allerdings zukünftig weitergehen soll? Noch mehr Leid, noch mehr Drama, noch tiefere Abgründe kann ein Mensch doch gar nicht durchleben… Möchte man jedenfalls meinen.

"I have a play. It involves Brody."

Eine andere Figur, die man seit Staffel 3 kaum noch wiedererkennt, ist Saul. Seit er den Vorsitz der CIA übernommen hat, zeigt er Seiten, die so gar nicht zu ihm passen wollen. Immer wieder sieht man ihn in Situationen, in denen er jegliche Form von Moral vollkommen über Bord zu werfen scheint. Und das in dieser Episode im wortwörtlichsten Sinne: Man mag seinen Augen kaum glauben, als er Brody allen Ernstes ins Meer werfen lässt, nur um zu testen, ob tatsächlich kein Funken (Über-)Lebenswillen mehr in ihm steckt. Was sind das bitte für Methoden??? Die erwartete man von Abu Nazir oder Javadi, aber doch nicht von Saul! Er überschreitet eine Grenze nach der anderen. Wohin soll das noch führen? Als dann auch noch Brodys Entzug nicht schnell genug voranschreitet, beschließen Dar Adal und Saul, Brody ein Mittel verabreichen zu lassen, das den Entzug beschleunigen soll - ganz egal, welche herben Nebenwirkungen Brody nun ertragen muss. Und warum das Ganze? Weil Saul einen Plan hat. Mal wieder. Carrie spricht dann auch aus, was sich der Zuschauer denkt: "You told me Javadi was the play." Offensichtlich war dieser jedoch nur ein Teil des Plans und Saul hat noch ein weiteres As im Ärmel. Und das klingt fast zu gut, um wahr zu sein: Brody soll als vermeintlicher Langley-Bomber in den Iran eingeschleust werden und den Kopf der iranischen Revolutionsgarde, Javadis Boss General Akbari, ausschalten. Javadi soll daraufhin dessen Posten übernehmen. Und wie wir seit #3.07 Der Fluch alter Männer wissen, arbeitet dieser inzwischen dank Sauls gewiefter Erpressungsmethoden als Doppelagent für die CIA. Ginge Sauls Plan auf, hätten die USA an der Spitze des Iran also einen ihrer eigenen Leute. Ein äußerst, vielleicht auch zu ambitioniertes Vorhaben, für das Saul mehr Zeit braucht. Wie gerufen kommt da, dass Miras Ex-Liebhaber Alan Bernard (leider das typische Klischee erfüllend) nicht etwa um Miras Willen mit ihr zusammen war, sondern weil er übergeordnete Ziele verfolgt hat. Er spionierte Saul aus und das für keinen geringeren als Senator Lockhart! Wirklich überraschend ist das nicht. Lockhart wirkte immer schon ziemlich zwielichtig und, im Gegensatz zu Saul, wie jemand, der tatsächlich über Leichen gehen würde, um an sein Ziel zu gelangen. Saul nutzt sein neu erlangtes Wissen, um Lockhart zu erpressen. Allerdings nicht, um sich selbst den Posten an der Spitze der CIA zu sichern, sondern um seine Iran-Pläne weiterverfolgen zu können. Hier kommt endlich einmal wieder der gewohnte Saul zum Vorschein: Er sieht nicht seinen eigenen Vorteil, sondern hat das große Ganze im Blick. Alles, was er von Lockhart will, ist ein bisschen mehr Zeit bis zu dessen tatsächlicher Ernennung zum CIA-Chef. Zeit, die Saul benötigt, um Brody für seinen CIA-Einsatz fit zu machen. Denkt man in der einen Szene noch, Saul wäre eiskalt und skrupellos, zeigt er sich in der nächsten wieder von seiner gewohnten, sympathischen Seite. Zum Glück, denn sonst würde man sich wirklich fragen, was mit ihm los ist. Ob sich die Autoren einen Gefallen damit tun, Sauls Figur derart widersprüchlich zu zeichnen!? Es funktioniert zwar irgendwie. Aber der fade Beigeschmack lässt sich nicht leugnen.

"[W]e're gonna have to find a way to trust each other again. Or at least come up with a really great plan for faking it."

Was ganz offensichtlich nicht mehr funktioniert und seit dem Bomben-Anschlag auf die CIA-Zentrale einen herben Rückschlag erlitten hat, ist das Vertrauensverhältnis zwischen Saul und Carrie. In dieser Folge entlädt sich das Misstrauen der beiden noch einmal so richtig. Keiner der beiden vertraut dem anderem – ganz besonders nicht, wenn es um Brody geht. Beide enthalten Informationen oder belügen sich. Sie wissen nicht mehr, was sie voneinander halten sollen. So wird jetzt auch endlich einmal klar ausgesprochen, dass Saul Carrie nicht abkauft, Brody nach dem Langley-Attentat nicht zur Flucht verholfen zu haben. Es wäre auch ziemlich naiv, wenn er das täte. Da Saul selbst jedoch keinen Weg findet, um zu Brody durchzudringen, muss er zwangsläufig Carrie in seinen Plan einweihen, damit diese Brody zu einer Kooperation überredet. Ihr Wiedersehen mit ihm verläuft jedoch alles andere als erwartet. Sofern man Erwartungen daran hatte… Es ist unterkühlt. Sie haben sich kaum etwas zu sagen. Brody hat Carrie nichts zu sagen. Und das kommt ziemlich überraschend, schließlich war immer sie diejenige, die einen Draht zu ihm hatte und ihn dazu gebracht hat, sich zu öffnen. Und jetzt? Nichts. Brody hat sich verändert. Carrie hat sich verändert. Wie ihre anscheinend ungewollte Schwangerschaft hier hineinpasst, bleibt abzuwarten. In jedem Fall haben die "Homeland"-Macher ihrer Liebesgeschichte einen sehr realistischen und glaubhaften Dämpfer verpasst. War Carrie bislang immer Brodys Anker, stößt er nun auch sie von sich. Nichts scheint ihm mehr wichtig genug zu sein, um am Leben bleiben zu wollen. Dennoch muss Carrie einen Weg finden, um Brody in das Hier und Jetzt zurückzuholen. Und das macht sie geschickt: Sie bringt Dana ins Spiel. Wohlwissend, wie stark das Band zwischen Brody und seiner Tochter früher einmal war. Und damit setzt sie auf das richtige Pferd. Denn sie weiß, was er am meisten braucht: Vergebung. Und zwar von Dana. So ist sie dann auch die einzige, die Brody aus seiner Lethargie befreien kann. Als er erfährt, wo sich seine Tochter aufhält, sucht er sie auf, um sie um Vergebung zu bitten. Diese will davon aber überhaupt nichts wissen. Und wer kann es ihr verdenken? Dennoch wird hier noch einmal deutlich, wie sehr Brodys Leben aus den Fugen geraten ist. Nichts ist mehr so, wie es einmal war. Seine Familie hat sich von ihm abgewandt, er ist/war drogenabhängig, Carrie und er sind so weit voneinander entfernt wie nie zuvor und das einzige, was ihn nun noch retten kann, ist, sich irgendwie von seiner Schuld rein zu waschen. Wie auch immer das gehen soll. Am Ende der Episode ist er wieder auf Vordermann gebracht, wenn sicher auch längst nicht der alte. Er geht für die CIA auf 'geheime Mission' – und die endet hoffentlich nicht, wie von Carrie befürchtet, in einer "suicide mission".

Fazit

Mit #3.09 Jetzt oder nie präsentiert "Homeland" ganz sicher keine leichte Kost. Brodys Entzug mit anzusehen, ist harter Tobak. Aber genau darin liegt die Stärke der Folge. Lange hat man auf Brodys Rückkehr warten müssen. Und wurde dafür belohnt. Wohin sich seine Figur allerdings noch entwickeln soll, ist fraglich. Ist sie nicht längst auserzählt? Wie viel soll ein Mensch noch ertragen? Die nächsten Folgen werden zeigen, was die Autoren mit ihm vorhaben. In jedem Fall stellt #3.09 einen idealen Auftakt für ein spannendes Ende von Staffel 3 dar. Vorausgesetzt, die weiteren Episoden können das hier abgelieferte hohe Niveau halten.

Franziska G. - myFanbase

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