Bewertung

Review: #2.03 Der Sturm

Foto: Chloe Sevigny, American Horror Story - Copyright: Frank Ockenfels/FX
Chloe Sevigny, American Horror Story
© Frank Ockenfels/FX

Es ist schon ein grotesker Zufall, dass die Ausstrahlung dieser Episode, deren zentrales Motiv ein schweres Unwetter ist, in den USA nur zwei Tage, nachdem die Ostküste des Landes von einem verheerenden Hurrikan heimgesucht wurde, anstand. Da die (Sturm-)Handlung allerdings in den 1960er Jahren spielt, in denen es tatsächlich einige dieser Unwetter gab, kann man den Machern von "American Horror Story" keine prophetischen Kräfte nachsagen. Ein Exorzismus wird also vorerst nicht nötig sein.

Insgesamt hinterlässt diese Episode bei mir den zwiespältigen Eindruck, den auch Horrorfilme häufig bei mir wecken. Auf der einen Seite mangelt es nicht an Szenen, die auf geniale Weise grausig sind und die Lust am Makaberen befriedigen, doch daneben gibt es - und das viel ausgeprägter als in den beiden Episoden zuvor - einige Momente, die eher Stirnrunzeln hervorrufen und nicht so richtig funktionieren. Diese dritte Folge trennt womöglich die Spreu vom Weizen und vertreibt die Zuschauer, denen der Stil der zweiten Staffel schon zum Auftakt zu offensiv und trashig war.

Die Besessene und die Betrunkene

Schwester Jude und Schwester Mary Eunice sind die Dreh- und Angelpunkte dieser Episode und hinterlassen dabei Eindrücke, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Schwester Eunice ist von dem Dämon besessen, der vorher in dem Teenager Jed war, und beginnt damit, diabolische Spielchen zu treiben. Ob es sich bei diesem Dämon tatsächlich um Satan höchstpersönlich handelt, oder um einen von dessen nicht minder teuflischen Abkömmlingen, ist noch nicht klar, doch was auch immer da in der jungen Nonne steckt, empfindet grausames Vergnügen an Schikanen sowie eine sarkastische Neugier an der menschlichen Natur. Lily Rabe spielt die nun durchtriebene Mary Eunice wirklich wunderbar. Man hat den Eindruck, dass sie Spass an dieser Rolle hat, und das überträgt sich durchaus auf die Zuschauer.

Auch Jessica Langes Performance fällt wieder großartig aus. Ihr Charakter Schwester Jude ist momentan das Hauptopfer der Spielchen von Mary Eunice und wird immer wieder an den tragischen Vorfall mit dem kleinen Mädchen erinnert. Ganz stark ist die Szene, in der die betrunkene Jude den Film "The Sign of the Cross" ("Im Zeichen des Kreuzes") ankündigt und dann den Text des Songs "You'll Never Walk Alone" rezitiert. Die Szene hätte mich wahrscheinlich noch mehr beeindruckt, wenn mich "You'll Never Walk Alone" nicht so extrem an Fußball erinnern würde. In Europa ist dieser tolle Song eine gängige Fußballhymne, was der Szene eben auch eine unfreiwillige Komik verleiht.

Zur Skepsis regt der Moment an, als Schwester Jude im Flur einem riesigen Etwas begegnet, das eines von Kits Alienbekanntschaften sein könnte oder auch nicht. Briarcliff ist dank des Dämons in der Nonne, der fragwürdigen Methoden von Schwester Jude und der grausamen Taten des Dr. Arden, zu denen auch die zombieähnlichen Kreaturen im Wald gehören, schon ein extrem unheimlicher Ort, da wirkt die Vorstellung, dass zudem ein Außerirdischer durch die Fluren streift, wie ein Sahnehäubchen zuviel. Allerdings wäre es auch sehr gut möglich, dass sich Jude diese Begegnung der dritten Art nur eingebildet hat, immerhin ist sie unbeschadet davongekommen.

Grausame Behandlung

Die Vermutung, dass wir Dr. Arden noch bei sehr abscheulichen Taten werden beobachten dürfen, bestätigt sich in dieser Episode. Das veränderte Verhalten seiner bisher so unschuldigen, liebreizenden Mary Eunice treibt den Arzt dazu, sich an Shelley zu rächen, die für ihn das Schmutzige und Sündige verkörpert. Er amputiert ihr beide Beine, was an sich schon grausam genug ist, doch da Shelley offiziell als flüchtig gilt und niemand ahnt, dass Dr. Arden sie hat, kann er sie ungehindert weiter quälen. Nichts für schwache Nerven.

Es verdichten sich die Hinweise, dass Dr. Arden eine Nazi-Vergangenheit hat. Vielleicht erinnert er nicht nur an Dr. Josef Mengele, vielleicht ist er sogar dieses historische Monster der Medizin, dem nach Ende des Zweiten Weltkriegs die Flucht gelang. Auf jeden Fall ist Dr. Arden sehr paranoid und fühlt sich von der Stasi und dem KGB verfolgt. Diese Paranoia ist vor allem für Kit lebensgefährlich, denn in ihm sieht Arden einen möglichen Spion.

Drei Bloody Faces

Absolut gar nicht überzeugt hat mich die Gegenwartshandlung. Plötzlich tauchen zwei falsche Bloody Faces auf, die Teresa und Leo, der offenbar ein paar Liter mehr Blut als andere Menschen im Körper hatte und daher einen abgerissen Arm und mehrere Stichwunden überleben konnte, erschießen. Ich übernehme an dieser Stelle allerdings keine Garantie dafür, dass Leo nicht auch noch kugelfest ist. Dann taucht ein dritter Bloody Face auf, der wahrscheinlich der echte ist oder sich für den echten hält, und setzt brutal sein Urheberrecht durch. Okay, als Kind fand ich diese russischen Matrjoschkas, diese ineinander schachtelbaren Holzpuppen, total knuffig, aber das erst ein, dann zwei, dann drei Bloody Faces in diesem einen Gebäude auftauchen, zur selben Zeit, als Teresa und Leo dort Serienkillergedenk-Sex haben wollen, finde ich weniger überzeugend.

Maret Hosemann - myFanbase

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