Sweet Tooth - Review Staffel 1

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Seuche, Testungen, Abstandshaltung, Masken tragen, Heilmittel. Wenn man sich diese Begrifflichkeiten anschaut, mit denen sich der Zuschauer und die Zuschauerin bei "Sweet Tooth" konfrontiert sehen, ist es kein Wunder, warum die neue Netflix-Serie ausgerechnet mitten in einer Pandemie ordentlich an Fahrt in der Produktion aufgenommen hat. Niemand geringeres als Iron Man-Darsteller Robert Downey Jr. und seine Frau Susan sind am Produktionsteam beteiligt. Jedoch sollte die Comic-Vorlage zunächst für Hulu entstehen, doch im April letzten Jahres ging der Zuschlag doch noch an Netflix, vermutlich weil die Parallelen zur aktuellen Weltlage nicht zu verkennen waren. Dennoch kann ich direkt vorab beruhigende Worte finden, denn "Sweet Tooth" mag eine Ausgangslage haben, die an Corona erinnert, doch die konkret erzählte Geschichte stellt keine Konfrontation mit dem Alltag, sondern eine Flucht aus diesem dar. Erfahrt hier, warum genau.

Foto: Sweet Tooth - Copyright: 2021 Netflix, Inc.; Courtesy of Netflix
Sweet Tooth
© 2021 Netflix, Inc.; Courtesy of Netflix

"Sweet Tooth" hat ohne Frage eine ernste Ausgangslage, denn verknüpft mit der Seuche, die über die Menschheit kommt, sind auch Fragen zum Klimawandel und was der Mensch der Natur antut und ob dieser die Seuche ausgelöst hat? Damit sind auch an dieser Stelle enorme Parallelen zu unserer aktuellen Lebenswelt zu entdecken, auch wenn Klimawandel und Verantwortung der Menschheit aktuell nicht den Diskurs bestimmen, so sind sie doch stets unterschwelliger Begleiter. Jedenfalls musste ich bei der Tier-Armee unter der Führung von Bear (Stefania LaVie Owen) doch unweigerlich an 'Fridays for Future' und prägende Figuren wie Greta Thunberg und Luisa Neubauer denken, da die Argumentation zur Seuche und zu den Hybriden doch sehr auf die Ohnmacht der heutigen Jugend zu beziehen ist, die fürchtet, wie lange der Planet Erde noch bewohnbar sein wird. Dennoch habe ich trotz dieser ganzen Bezüge den fantastischen Aspekt der Serie als durchweg dominant empfunden. Damit verbunden sind viele zwischenmenschliche Themen wie Freundschaft, Elternschaft, Verantwortung, Mut, Mitgefühl, Zusammengehörigkeit und diese Liste ließe sich endlos fortsetzen, denn immer wieder ist im Miteinander der Figuren etwas Neues zu entdecken. Daher habe ich abschließend eher den Eindruck gewonnen, dass "Sweet Tooth" vor allem Unterhaltung ist und höchstens nebenbei das Nachdenken anregen will. Lektionen lassen sich eben auch spielerisch besser verteilen.

Das absolute Highlight der Serie sind definitiv die Hybride. Schon beim vorab veröffentlichten Trailer ging mir mein Herz auf, denn die faszinierend animierten Hybrid-Babys rühren etwas in mir an, wogegen ich mich gar nicht wehren kann. Auch wenn sie im kindlichen Alter wie Gus (Christian Convery) dargestellt werden, ist mit viel Liebe zum Detail gearbeitet worden und da wird mit minimalen Mitteln eine Charakteristik gezeichnet, die erinnerungswürdig ist. Insgesamt gesehen bleiben zu den Hybriden in der ersten Staffel viele Fragen offen. Auch wenn zum Ende hin die ersten Tendenzen ersichtlich sind, so bin ich mir dennoch sicher, dass die Serie noch genug Überraschungen in petto hat. Denn wie genau hängen Hybride und Seuche nun tatsächlich zusammen? Warum sind die einen Hybride mehr Tier als Mensch und warum ist es bei anderen umgekehrt? Wie sehen spezielle Fähigkeiten bei den Hybriden bei anderen Arten aus? Gus kann besser hören, sehen und riechen, aber welche Vorteile haben andere? Den Fragenkatalog könnte ich fleißig fortsetzen, was definitiv meine Begeisterung für die Idee zum Ausdruck bringt. Die Hybride sind eben das 'neue' Konstrukt in "Sweet Tooth" und erwecken dementsprechend die größte Faszination.

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Foto: Neil Sandilands, Steven Abbot & Adeel Akhtar, Sweet Tooth - Copyright: 2021 Netflix, Inc.; Kirsty Griffin/Netflix
Neil Sandilands, Steven Abbot & Adeel Akhtar, Sweet Tooth
© 2021 Netflix, Inc.; Kirsty Griffin/Netflix

Ansonsten ist die Serie klar nach Handlungsfeldern aufgeteilt, die sich erst in der finalen Episode nach und nach vermischen. Zuerst haben wir Dr. Singh (Adeel Akhtar) und seine Frau Rani (Aliza Vellani). Die beiden stellen die Zivilisation dar, denn auch zehn Jahre später, nachdem so viele Menschen gestorben sind, führen sie noch ein verhältnismäßig normales Leben, auch wenn es das natürlich nicht ist, denn der Zustand von Rani schwebt immer wie eine dunkle Wolke über ihnen. Denn sie ist an der Seuche erkrankt, hat aber durch ihren Mann an Experimenten teilnehmen dürfen, die ihre Symptome immer wieder für einen gewissen Zeitraum unterdrücken. Mit den Singhs bekommen wir ein sich wirklich sehr liebendes Pärchen präsentiert, dennoch ist eine gewisse Diskrepanz in ihrem Charakter nicht zu leugnen. Während Aditya das Herz ist, der sogar seinen Beruf als Arzt aufgegeben hat, weil er es nicht ertragen konnte, wie die Menschen wegen der Suche ausgerottet werden musste, ist Rani mehr der Verstand, die vor allem auch zunehmend alles zu ihrem eigenen Vorteil abwägt. Es war schon heftig mitanzusehen, wie sie in einer Nachbarschaftsgemeinde leben, die wenigen, die noch überlebt haben und warum? Weil jeder mit Symptomen schonungslos im eigenen Haus angezündet wird. Ich konnte es mir an diesem Punkt doch nicht verkneifen, kurz das Szenario zu entwerfen, wenn wir in unserer Pandemielage ähnlich hätten handeln müssen. Da wird man doch wieder schnell demütig. Insgesamt werden mit den Singhs viele ethische Fragen aufgeworfen, die dann darin münden, ob sie ihr Fortbestehen mit dem Töten von Hybriden verbinden wollen. Da die Hybride wie gesagt das Herz berühren, wären sie damit automatisch Antagonisten, aber gerade Dr. Singh hat so viel Mitgefühl und Weitsicht, dass es spannend wird, wie weit er wirklich bereit ist zu gehen und ab wann Rani mit ihrem Denken noch zu tragen ist?

In einem weiteren Handlungsbogen haben wir Aimee (Dania Ramirez), deren Vorgeschichte uns noch einiges schuldig bleibt, aber es wird dennoch deutlich, dass für sie die Seuche wohl das größte Geschenk war. Raus dem langweiligen Therapeuten-Leben hin zu einer mutigen und kämpferischen Frau, die im Einklang mit sich selbst und der Natur lebt und dabei völlig aufblüht. Saß Aimee bei der ersten Begegnung mit ihr noch fast schon bieder auf der Couch, so ist sie zu einer wahren Badass geworden, die innerhalb kürzester Zeit einige Heldenmomente einsammeln darf. Bei ihr wird Hybrid Wendy (Naledi Murray) groß und die beiden sind ein eingeschworenes Team, doch manchmal ist man sich selbst eben nicht genug, weswegen vor allem Wendy die Idee entwickelt, dass sie in ihrem stillgelegten Zoo anderen Hybriden Zuflucht gewähren könnten, doch das öffnet Tür und Hof für neue Gefahren. Auch wenn Aimee hier Sicherheit predigt, so ist sie dennoch keine Frau, die angesichts der Gefahr dann hilflos laufen geht, sondern sie bewahrt einen kühlen Kopf und entwickelt einen neuen Plan nach dem anderen. Sie ist dabei wirklich unheimlich cool und ihr Gespräch mit General Abbot (Neil Sandilands) war ein echtes Highlight. Dennoch glaube ich, dass es zu Aimees früherem Leben noch viel mehr zu entdecken gibt. Viele offene Fragen bietet sicherlich auch der gerade angesprochene Abbot und seine Last Men. Sie sind über die erste Staffel hinweg einfach nur die 'Bösen', was mir angesichts der Ausarbeitung der anderen etwas plump erscheint. Auch hier hoffe ich auf ein differenziertes Bild in der (hoffentlichen) Zukunft.

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Foto: Stefania Lavie Owen, Christian Convery & Nonso Anozie, Sweet Tooth - Copyright: 2021 Netflix, Inc.; Courtesy of Netflix
Stefania Lavie Owen, Christian Convery & Nonso Anozie, Sweet Tooth
© 2021 Netflix, Inc.; Courtesy of Netflix

Zuletzt haben wir dann noch Gus und seine Abenteuer, die ohne Frage den Kern der Serie bilden, denn schließlich ist diese ja auch nach seinem Spitznamen benannt. Schon der Auftakt zur Serie war wirklich herzallerliebst inszeniert, weil es wirklich schön mitanzusehen war, wie Gus mit seinem Pubba (Will Forte) aufwächst. All die Szenen bekommen im Nachgang sogar noch eine ganz andere Wirkung, wenn sich im Verlauf der Staffel herausstellt, wer der eigentlich Richard Fox heißende Mann ist. Auch wenn Gus also schon eine starke männliche Bezugsperson in seinem Leben hat, ist es nicht weniger schön und herzerwärmend ihn mit Tommy Jepperd (Nonso Anozie) zu erleben, bei dem man schon auf Anhieb erkennt, mit vielen Dämonen er ausgestattet ist. Die beiden könnten unterschiedlicher nicht sein und dass nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich, aber die beiden sind die Rettung füreinander, weswegen das stetige Wachsen ihrer Beziehung mich tief berührt hat. Mit Bear kommt schließlich noch ein weiterer Faktor hinzu, der aus einem Duo ein Dreiergespann macht. Hatte man erst befürchten müssen, dass die Dynamik von Gus und Jepperd so gestört wird, war Bear tatsächlich eine sinnvolle Erweiterung. Denn sie ist zum einen näher an Gus' Lebenswelt und zum anderen fordert sie Jepperd auf eine ganz spezielle Weise heraus. Die beiden sind sich eigentlich spinnefeind, aber sie erfahren beide Respekt füreinander und knüpfen auch abseits den Jungen, den sie beide liebgewonnen haben, eine eigene Beziehung. Bei Jepperd und Bear darf man auch jeweils in die Vergangenheit blicken, was sicherlich auch dazu beiträgt, dass sie als Charaktere sehr greifbar sind. Für eine Staffel 2 sieht es erstmal so aus, als wäre das glorreiche Trio gesprengt, aber ich kann doch nur hoffen, dass sie wieder zusammengeführt werden, denn sie sind wirklich der Hit der Serie.

Zwar habe ich an einigen Stellen wohl durchscheinen lassen, dass eine gewisse Brutalität und Drastik zu erkennen sind, aber dennoch würde ich Szenen dieser Art als gering einstufen. Zudem merkt man der Produktion an, dass sie bemüht ist, auch brutalere Stelle kinderfreundlich zu halten. Denn allem in allem ist "Sweet Tooth" absolut als Familienserie zu empfehlen, denn vor allem durch die Hybride dürfte eine sehr enge Verbindung an das Geschehen begünstigt werden. Auch abseits davon ist durch die Mischung aus Spannung, Emotionen und geringer Komplexität der Teppich dafür ausgerollt, dass sich viele Altersgruppen sehr gut unterhalten fühlen dürften. Sicherlich ist James Brolin als Erzähler auch noch ein wichtiger Faktor, denn er strukturiert das Geschehen hilfreich und ergänzt den Eindruck eines doch überwiegend der Fantasy zugehörigen Genreprodukts. Möglicherweise ist der Erzähler auch noch eins der Aspekte, die spannend werden könnten. Denn er spricht stetig von einem 'wir', was ihn der Geschichte zugehörig macht. Ob er einer der Charaktere ist?

Fazit

"Sweet Tooth" hat mir wirklich ein herzerwärmendes Seherlebnis beschert, denn die Idee der Hybride ist zuckersüß, verkommt aber dennoch nicht in Klischees, sondern ist mit liebevollen Details ausgearbeitet, die diese Wesen nachhaltig im Kopf behalten lassen. Mit ihnen gelingt es zudem, aktuelle und wichtige Themen, die unserer Lebenswelt berühren, zu verarbeiten, aber nicht in Oberlehrermanier, sondern unaufdringlich und mit vielen Fantasy-Elementen. Das ergibt ein spannendes Endprodukt, das auch für kommende Staffeln noch genug Potenzial bietet.

Die Serie "Sweet Tooth" ansehen:

Lena Donth - myFanbase

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