Die beste Miniserie 2008/2009
Generation Kill

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"Generation Kill" ist eine Miniserie aus dem Hause HBO, die von Juli bis August des vergangenen Jahres auf dem Pay-TV-Sender ausgestrahlt wurde. Damit setzte HBO die Tradition von qualitativ hochwertigen selbstproduzierten Miniserien dort fort, wo sie unter anderem mit "Band Of Brothers" oder "John Adams" begann. "Generation Kill" basiert auf dem gleichnamigen Buch von Evan Wright und wurde von David Simon und Edward Burns, die beide die Serie "The Wire" entwickelten und produzierten, sowie Evan Wright für das Fernsehen adaptiert. In insgesamt sieben Episoden begleitet der Zuschauer Evan Wright als Reporter bei dem 1. Reconnaissance Battalion des United States Marine Corps während der ersten Phase des Irakkrieges 2003.

"Gentlemen, from now on we're going to have to earn our stories."

Bereits die allererste Episode macht vor allem eines klar: "Generation Kill" ist keine Serie, die man sich mal so eben ansehen kann. Der gesamte Pilot beginnt und endet in blankem Chaos und es ist praktisch unmöglich, die Vielzahl unterschiedlicher Charaktere und Storylines auseinander zu halten, geschweige denn zu merken. Von den zahlreichen militärischen Begriffen, mit denen man regelrecht bombardiert wird, mal abgesehen. Damit soll nicht der Zuschauer absichtlich verwirrt werden, sondern es soll vor allem ein Gefühl der Konfusion vermittelt werden, das ein unsicherer Neu-Marine empfindet, wenn er irgendwo in der Wüste ist und erst einmal nicht weiß, was er dort macht, wann es losgeht und wofür das alles eigentlich gut ist.

Diesen Umstand kann man getrost als den ersten von vielen folgenden Geniestreichen bezeichnen, der durch die eindrucksvolle Regie Susanna Whites so wunderbar in Szene gesetzt wird. Auch in den folgenden Episoden ist die Regiearbeit schlicht und ergreifend perfekt und erzeugt beim Zuschauer nicht nur aufgrund so mancher Bilder unheimliche viele emotionale Reaktionen. Aber manchmal reicht eben auch einfach der atemberaubende Blick auf die Wüste.

Doch der Geniestreich, der nicht hoch genug angerechnet werden kann, ist die Realität. Was die einzelnen Charaktere tun, wie sie miteinander umgehen, was sie sagen, all das hat sich nahezu eins zu eins so während des Aufenthalts des echten Evan Wright so zugetragen: Das Verhalten junger Männer, die es nicht erwarten können, zum ersten Mal zu töten (und der Kick oder der Horror, wenn sie es dann getan haben), wie die Langeweile sich mit dem Kampf um Leben oder Tod abwechselt und die Kriegsführung des mächtigsten Militäarapparates der Welt und wie er täglich von schlechter Planung, ungenügender Versorgung mit Lebensmitteln im weitesten Sinne oder überhöhtem Selbstbewusstsein von Einzelnen unterminiert wird.

Damit zeigt "Generation Kill" ähnliche Ambitionen wie Simons und Burns' Vorgängerwerk "The Wire". Ihnen geht es nicht darum, irgendetwas zu zeigen, sondern darum, damit zu erklären, weshalb manche Dinge so sind wie sie sind und weswegen diese oder jene Fehlentwicklung nicht mal so eben behoben werden kann. Zahlreiche Charaktere und ihre Geschichten werden im Sinne des "großen Ganzen" daher nur angeschnitten, andere, vor allem die aus dem unmittelbaren Umfeld Evan Wrights während dieser Zeit, ausführlich genug gezeigt, um als Zuschauer mit ihnen fühlen zu können, ohne allerdings eine Charakterstudie zu werden. Trotz all der großartigen zwischenmenschlichen Szenen, vor allem zwischen Sgt. Brad Colbert und Corporal Josh Ray Person, ist "Generation Kill" kein Charakterdrama, sondern wählt bewusst eine weitere Perspektive, um die eigenen Ambitionen zu visualisieren.

Auch Humor ist an den richtigen Stellen zu finden, um so manche bittere Pille leichter schlucken zu können. Vor allem in Form des vorlauten Corporal Josh Ray Person und seinen fast schon legendären Sprüchen wird hier oft durch zynische und sarkastische Kommentare so manche vollkommen aus dem Ruder gelaufene Situation erklärt und aufgelockert. Die Darsteller selbst machen ihre Sache außerordentlich gut, allen voran Alexander Skarsgård, James Ransone und Lee Tergesen. Auch diesmal wird, für Simon und Burns typisch, der Cast durch reale Vorbilder der einzelnen Figuren aufgefüllt, und so kann unter anderem Sgt. Rodolfo 'Rudy' Reyes sich selbst spielen. So mancher (Ex-)Marine findet sich aber auch in einer etwas anderen Rolle wieder. Einige Marines, die als Berater, Schauspieler oder in anderer Tätigkeit an "Generation Kill" mitgewirkt haben, wurden übrigens aufgrund der teilweise sehr kritischen Haltung der Serie vom Marine teilweise sehr harsch angegangen und mussten sich nicht selten nach Ausstrahlung eine neue Anstellung suchen.

Was bleibt, ist eine komplexe Serie, bei der man schon einmal drei Episoden braucht, um sich überhaupt die Namen von zwei Charakteren merken zu können, die aber, wenn man sich darauf einlässt und auch bereit ist, dafür etwas zu investieren, gleichzeitig real, lustig und traurig sein kann. Vor allem deswegen wird sie daher auch weiterhin so relevant sein und nicht nur als Darstellung eines kleinen Ausschnittes der Erfahrungen von ein paar Soldaten während des Irakkrieges gelten. Es gibt nur sehr wenige Serien, die innerhalb kürzester Zeit ein derartiges Erzählniveau erreichen, Miniserien schon dreimal nicht.

Andreas K. - myFanbase

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