Dark Matter - Der Zeitenläufer - Buch-Serien-Vergleich

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Foto: "Dark Matter - Der Zeitenläufer" von Blake Crouch - Copyright: Penguin Random House Verlagsgruppe
"Dark Matter - Der Zeitenläufer" von Blake Crouch
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Bereits im Jahr 2016 veröffentlichte der Buchautor Blake Crouch, der schon mit seiner "Wayward Pines"-Trilogie von sich Reden machte (zur gleichnamigen Serie: "Wayward Pines"), seinen Roman "Dark Matter". Drei Jahre sollte es dauern, bis auch die deutsche Fassung unter dem Titel "Dark Matter – Der Zeitenläufer" im Goldmann Verlag erschien. Doch schon bevor das Buch überhaupt für die Öffentlichkeit zugänglich war, entschied sich das amerikanische Filmstudio Sony Pictures im November 2014 auf Basis eines Manuskripts für die Filmrechte und bot dafür immerhin 1,25 Mio. Dollar. Man steckte also große Erwartungen in das Buch, aus dem nun aber kein Film, sondern eine Serie geworden ist, die seit Mai 2024 exklusiv bei Apple TV+ zu streamen ist. Hat es sich gelohnt, den Stoff auf neun Episoden zu strecken? Wir wollen vergleichen, inwieweit sich Roman und Buch dadurch unterscheiden.

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Handlung

Die Adaption des Romans beginnt nahezu identisch wie das Buch selbst. Man wird sofort in die Handlung geworfen und wir lernen Jason mit seiner Familie kennen. Um die Geschehnisse der schicksalhaften Nacht jedoch besser vorzubereiten, beginnen wir einen halben Tag zuvor, um das Familienleben der Dessens etwas einzufangen und zu erklären, warum sich Jason am Abend in die Bar begibt, von der er nicht als er selbst zurückkehrt. Es ist beeindruckend mit wieviel Liebe zum Detail die verschiedenen Figuren, Handlungsorte und auch Szenen aus dem Buch (z. B. das gemeinsame Kochen von Daniela und Jason) eingefangen werden und man sich sofort in der Welt wiederfindet, die man aus dem Buch kennt. Da kann man über die ein oder andere hinzugefügte Sequenz hinwegsehen, da diese keinen Bruch darstellen. Sie greifen vielmehr auf, was man aus dem Buch aus anderen Gesprächen oder Jasons späteren Gedanken bereits kennt. Es wirkt zu Beginn also alles sehr stimmig.

Foto: Joel Edgerton & Jennifer Connelly, Dark Matter - Der Zeitenläufer - Copyright: Apple TV+
Joel Edgerton & Jennifer Connelly, Dark Matter - Der Zeitenläufer
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Hier und da bemerkt man aber auch Veränderungen: So bspw. Jasons Flucht vor Velocity Labs. Einiges wirkt gekürzt, anderes hinzugefügt. Da wir aber seine Ich-Erzähler-Stimme, die uns im Roman durch seine Gedankenwelt führt, nicht haben, war es wohl notwendig, die Ankerpunkte ein wenig anders zu setzen, um seine Verwirrung und Angst besser zu verdeutlichen. Dazu kommt, dass wir tiefer in das Innenleben der anderen Figuren blicken können. Während man aus dem Buch nur Jasons Perspektive kennt, zeigt man hier auch Szenen, die im Buch gar nicht vorkommen, aber das Verhalten der anderen vielleicht besser erklären. So sieht man bspw. Leightons Reaktion auf den Mord an Daniela und auch wie er sich immer wieder einredet, dass er sich dazu gezwungen sah, diese Schritte zu unternehmen, um das große Ganze zu beschützen. Und auch Amanda erklärt, dass Leighton keine Vertrauensbrüche duldet. Dazu kommt in Folge 3 die Szene mit Detective Martinez, die zu hinterfragen beginnt, was bei Velocity Labs passiert und die Fälle vermisster Personen mit Vorkommnissen im Labor in Verbindung bringt. Dieser Teil der Geschichte kommt im Buch überhaupt nicht vor, erklärt aber dem Publikum den enormen Druck, unter dem Leighton steht und somit ggf. seine Beweggründe. Dass Leighton Jason und Amanda aus Verzweiflung in den Würfel folgt, ist im Buch überhaupt kein Thema mehr, da die beiden nach ihrer Flucht vor ganz anderen Problemen stehen. Die Figur kommt nach den ersten Kapiteln einfach nicht mehr vor, aber das wollte die Serie wohl nicht so einfach hinnehmen. Da die Erzählweise verschiedene Perspektiven erlaubt, erfahren wir, was nach der Flucht passierte und auch wie bspw. Leighton Vance und Jason Dessen in der Welt von Jason1 zueinander stehen, die nun von Jason2 eingenommen wurde.

Foto: Dayo Okeniyi, Dark Matter - Der Zeitenläufer - Copyright: Apple TV+
Dayo Okeniyi, Dark Matter - Der Zeitenläufer
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Eine der Veränderungen, die mir besonders ins Auge gefallen ist, ist der Moment, an dem sich Amandas und Jasons Wege schließlich trennen. Während sie ihn im Buch mit einer kurzen Abschiedsnotiz und den restlichen Ampullen in einem schäbigen Hotel zurücklässt, um ihm den Weg zurück zu seiner Familie zu ermöglichen, hat man es in der Serie ganz anders inszeniert. Dass die beiden eine Art Date haben und Amanda ihre Beweggründe erklären kann, schätzt die gemeinsame Entwicklung dieser beiden Figuren wert. Während sie in der Buchvorlage von einem Moment auf den anderen verschwunden war, erhält sie hier einen wunderschönen und hoffnungsvollen Abschied, auch wenn sie ein bisschen Angst vor dem hat, was ihr bevorsteht, und sie Jason vermissen wird. Diesen Moment, wie auch einige andere Veränderungen innerhalb des Handlungsverlaufs der Serie, fand ich hervorragend gelöst, schließlich hat man einige Wochen mit diesen beiden Figuren verbracht und sie hat vieles zusammen geschweißt. Ein abruptes Ende eines Charakterstrangs wie es im Buch nicht nur bei Amanda vorkam, hätte hier in meinen Augen einfach nicht gepasst.

Foto: Alice Braga & Joel Edgerton, Dark Matter - Der Zeitenläufer - Copyright: Apple TV+
Alice Braga & Joel Edgerton, Dark Matter - Der Zeitenläufer
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Erzählweise

Der Roman von Blake Crouch wird aus der Ich-Perspektive der Hauptfigur Jason Dessen erzählt. Da sich sowas in einer Serie nur schwer umsetzen lässt, ohne die ganze Zeit eine Erzählstimme mit Jasons inneren Gedanken einzuführen, musste die Erzählweise geändert werden. Dadurch erhält man auch die Möglichkeit in die Entwicklung der anderen Charaktere tiefer einzutauchen. Man springt zwar ähnlich wie in der Buchvorlage ins Leben von Jason, aber schon an einzelnen Szenen wie Danielas Treffen mit ihrer Freundin Blair in Episode 1 wird deutlich, dass wir Zuschauenden verschiedene Blickwinkel der Geschichte zu sehen bekommen werden. Wir bleiben sozusagen nicht nur bei Jason, auch wenn hier der Fokus der Erzählung liegt, sondern wechseln zwischen den Figuren. Dadurch erfährt man außerdem mehr Details über die Suche nach ihm.

Foto: Joel Edgerton, Dark Matter - Der Zeitenläufer - Copyright: Apple TV+
Joel Edgerton, Dark Matter - Der Zeitenläufer
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Dazu kommt, dass die Serie deutlich langsamer erzählt wird, als das Buch. Dort hetzt man nahezu durch die Kapitel, weil die Spannung so stark aufgebaut wird, dass man unbedingt wissen will, wie es weitergeht. Es fällt einem schwer, das Buch zur Seite zu legen. In der Serie nimmt man sich sehr viel Zeit, die Grundlagen zu erklären. Wir haben einen ziemlich verwirrten Jason, der ähnlich wie das Publikum in eine Situation hineingeworfen wird, die er nicht versteht. Nach und nach erhält er jedoch genau wie die Zuschauenden Informationen über sein vermeintliches bisheriges Leben und die Forschung, die er betrieben hat, die nun zu all dem Chaos geführt hat. Gerade die Forschung und die komplexen physikalischen Phänomene wie Dunkle Materie, Stringtheorie oder parallele Dimensionen sind für Menschen, die keinen wissenschaftlichen Bezug haben, viel zu Abstrakt, um sie einfach als gegeben hinzunehmen. Daher ist es gut und hilfreich diese Dinge anhand von Beispielen wie Schrödingers Katze oder dem Fisch im Teich zu verdeutlichen und sich dafür auch immer wieder Zeit zu nehmen, die Besonderheiten des Würfels, der Welten oder auch die Existenz der verschiedenen Jasons zu erklären.

Foto: Oakes Fegley & Jennifer Connelly, Dark Matter - Der Zeitenläufer - Copyright: Apple TV+
Oakes Fegley & Jennifer Connelly, Dark Matter - Der Zeitenläufer
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Als Publikum hat man in der Serie den Vorteil, auch die andere Seite von Jasons Leben zu sehen. Wir sehen, was ihm genommen wurde und wie es dort für seine Liebsten und Freunde weitergeht. Wenn ich mich recht erinnere, gab es im Buch nur ein einziges Kapitel, das zeigt, wie Daniela sich über das Verhalten ihres Mannes wundert, doch der Rest wurde für die Serie komplett neu geschrieben. Diese Parallelität der Handlungen ist also neu und sorgt für eine ganz andere Erzählweise der Geschichte, die aber dennoch absolut stimmig ist und dem Publikum hilft, auch ohne Jasons Gedanken das Ganze sinnvoll und stimmig zusammen zu setzen. Es eröffnet auch anders als das Buch dann viel mehr Möglichkeiten, die Geschichte fortzusetzen. Immerhin ist inzwischen bekannt, dass es eine zweite Staffel geben wird. Wenn man nur das Buch liest, fühlt es sich eher wie eine abgeschlossene Geschichte an.

Figuren

Die veränderte Erzählweise ermöglicht es, dass die anderen Charaktere aus "Dark Matter" mehr Tiefe erhalten. Zwar behalten sie ihre grundsätzlichen Charakterzüge und Lebensgeschichten, aber durch einzelne Sequenzen wird deutlich, dass wir sie mehr kennen lernen werden. So werden Dinge gezeigt, die im Roman nur in Jasons Erinnerungen und Gedanken vorkommen. Und dadurch, dass die Perspektive nicht nur auf Jason liegt, gibt es unheimlich viel Potential auch die Gefühls- und Lebenswelten der anderen einzufangen.

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Alice Braga & Joel Edgerton, Dark Matter - Der Zeitenläufer
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Die größte Veränderung nimmt man zu Beginn der Serie bei Amanda Lucas wahr. Während wir im Buch erst nach einer Weile erfahren, dass sie und Jason in ihrer Welt eine Beziehung geführt haben, ist bereits das erste Aufeinandertreffen der beiden von einer Intimität ihrerseits geprägt. Im Roman habe ich das Ganze distanzierter wahrgenommen. Ich kann aber verstehen, dass es innerhalb einer Serie spannender ist, hier eine Art Liebesdreieck heraufzubeschwören, auch wenn Jason sich seiner Vergangenheit mit ihr nicht bewusst ist.

Foto: Jennifer Connelly, Dark Matter - Der Zeitenläufer - Copyright: Apple TV+
Jennifer Connelly, Dark Matter - Der Zeitenläufer
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Auch bei Daniela2 sind Veränderungen festzustellen. Sie ist zwar genau wie im Buch eine gefeierte Künstlerin, doch sehr viel größer als es im Buch den Anschein machte. Im Roman lebt sie in einer kleinen Wohnung mit Blick auf die Skyline von Chicago, in der Serie ist das Ganze deutlich luxuriöser. Zwar kommt es auch hier zu einer Annäherung mit Jason, doch sie schlafen nicht miteinander wie noch im Buch, denn bevor sie dazu kommen, findet Daniela auf eine recht ähnliche Art und Weise mit einem Schuss zwischen die Augen ihr tragisches Ende. Warum man sich für diese Änderung entschieden hat, wird nicht klar. Man hätte das Eintreffen des Suchtrupps auch auf einige Stunden später verlegen können. Wahrscheinlich wollte man aber noch mehr die Liebe für Jason zur richtigen Daniela verdeutlichen und seine absolute Treue ihr und der Familie gegenüber.

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Oakes Fegley, Dark Matter - Der Zeitenläufer
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Darüber hinaus werden in der Serie komplett neue Figuren eingeführt, die im Roman nicht vorkommen. Da wäre Danielas Freundin Blair oder noch viel auffälliger der zweite Sohn von Daniela und Jason, Max, der bereits als kleiner Junge verstorben ist. Er war Charlies Zwillingsbruder, der bereits mit einem Herzfehler zur Welt kam und der jungen Familie deshalb viel Sorgen und vor allem schon einmal einen Neuanfang abverlangt hat. Da Jason2 nichts über ihn weiß, fällt seiner Frau und seinem Sohn auf, dass er sich ungewöhnlich distanziert verhält, als Charlie sowohl seinen Geburtstag feiert als auch ein Gedenken für den verstorben Max stattfindet, an dem Jason2 gar nicht teilnimmt. Ob die Einführung weiterer Figuren wirklich nötig gewesen wäre, stelle ich aber in Frage. Dadurch, dass die in beiden Formaten vorhandenen Hauptcharaktere neben Jason, also Daniela, Charlie, Amanda, Leighton und Ryan, durch die neue Erzählweise viel häufiger zu sehen sind und mehr mit eigenen (teils auch Parallelwelt-)Handlungen ausgefüllt werden, hätte das in meinen Augen ausgereicht. Aber man wird sich gerade in Bezug auf Blair sicher etwas dabei gedacht haben, ihr dann auch in der Parallelwelt eine so wichtige Rolle zu geben, auch wenn wir das vielleicht erst in Staffel 2 zu sehen bekommen.

Fazit

Als Leser*in des Romans "Dark Matter – Der Zeitenläufer" hat man sich wahrscheinlich gefragt, wie man eine solche Geschichte in Form einer Serie umsetzen würde. Das Buch wird stringent und spannend erzählt, aber einige Charaktere kommen nur zu Beginn vor, andere nur in Erinnerungen und andere erst ganz am Ende. Diesen Figuren Leben einzuhauchen, erforderte es, die Erzählweise der Serie anzupassen. Damit man als Publikum dann aber nicht den roten Faden verliert und insbesondere die komplexen physikalischen Phänomene versteht, die die Basis für die parallelen Geschichten bilden, nimmt man sich in der Serie zu Beginn deutlich mehr Zeit, alle Grundlagen zu erklären. Was im Roman erst in Jasons Gedanken oder Gesprächen im Laufe der Geschichte ans Licht kommt, muss zum Teil in der Serie erstmal als Basis gelegt werden, damit der Würfel und die Parallelwelten einen Sinn ergeben. Die Spannung wird hier also deutlich langsamer aufgebaut, aber sobald man erstmal im Geschehen ist, beginnt man umso mehr mitzurätseln, wo das alles hinführen wird, und sich zu fragen, ob Jason irgendwann den Weg zurück zu seiner Familie findet. Roman-Kenner*innen sind hier natürlich im Vorteil, werden es aber dennoch zu schätzen wissen, wie trotz vieler Ergänzungen zentrale Szenen aus dem Buch auch in der Serie ihren Platz gefunden haben.

Die Serie "Dark Matter - Der Zeitenläufer" ansehen:

Catherine Bühnsack - myFanbase

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