Carnival Row - Review des Piloten

Bereits einige Wochen vor Beginn der Ausstrahlung von "Carnival Row" bei Amazon Prime wurde die Fantasyserie um eine zweite Staffel verlängert. Das hat durchaus aufhorchen lassen, da Serien wahrlich selten verlängert werden, wenn ihre Wirkung auf das zahlende Publikum noch nicht getestet wurde. Somit hingen die Vorschusslorbeeren für diese aufwendige Produktion von Anfang an sehr hoch, aber vielleicht hat man sich die Sicherheit geholt, weil an dem Projekt etwa vier Jahre fleißig gefeilt wurde. Anfangs als ein Film unter der Mitwirkung von Guillermo del Toro geplant, wurde letztlich doch eine Serie daraus entwickelt, für die del Toros zeitliche Kapazitäten jedoch nicht mehr ausreichten. Aber auch ohne seinen großen Namen braucht sich "Carnival Row" nicht zu verstecken, da man mit Orlando Bloom und Cara Delevingne bei den zentralen Hauptrollen zwei Hollywoodstars gewinnen konnte. Wie gelingt nun also der Auftakt der viel beworbenen Serie?
Mit "Game of Thrones" ist vor wenigen Monaten die wohl populärste Serie des noch (kurzen) 21. Jahrhunderts zu Ende gegangen. Überall erlebt man immer wieder verzweifelte Serienfans, die sich fragen, was jetzt das große neue Massenphänomen wird, über das man in großer Gemeinschaft diskutieren kann. Zwar ist es noch viel zu früh abzuschätzen, wie groß der Erfolg von "Carnival Row" nun werden könnte, aber alleine schon aufgrund der aufwendigen Machart mit tollen Effekten, der großen Namen im Cast und der intensiven Bewerbung der Produktion kann man davon ausgehen, dass sich die Produzenten viel vorgenommen haben. Es ist nicht bekannt, ob sie einen Vergleich zu "Game of Thrones" überhaupt wollen würden, aber sie wollen definitiv keine Eintagsfliege sei und den riesigen Erfolg würde man wahrscheinlich auch mit Kusshand nehmen.
Ich bin kein großer Fan von Fantasy, da ich zugebenermaßen nur eine geringe Vorstellungskraft habe, so dass gerade in Büchern mein Verständnis für das aufwendige World Building misslingt. Daher bin ich durchaus etwas skeptisch an "Carnival Row" herangegangen. Am Anfang des Pilots wird in wenigen Sätze dargelegt, was in der fantastischen Welt geschehen ist, ehe wir auch schon mitten in diese eintauchen dürfen. Jedoch hat sich zum Glück schnell gezeigt, dass man sich gut in The Burgue zurechtfinden kann. Mit den Fae, Zentauren, Kobolden usw. tauchen auch Spezies auf, die man selbst als Fantasy-Laie kennt, so dass man sich nicht groß fragen muss, ob sie noch gewisse Fähigkeiten oder ähnliches haben. Zudem fällt sehr früh ins Auge, dass der Kern der Serie gar nicht die Fantastik oder das neoviktorianische Setting ist, sondern dass sich die Handlung auch genauso gut im Hier und Jetzt abspielen könnte. Die verschiedenen Spezies stehen für verschiedene Rassen und Kulturen und es geht um Ausgrenzung, Rassismus, Vorurteile und Machtmissbrauch. Aktueller könnte diese Serie also nicht auf die Zeit passen und ich bin gespannt, wie sich die Gesellschaftskritik hier noch entfalten wird.
Der Fokus des Serienauftakts liegt klar auf den beiden Hauptfiguren Rycroft "Philo" Philostrate (Bloom) und Vignette Stonemoss (Delevingne). Zunächst werden ihre Geschichten separat erzählt, so dass man ihre jeweiligen Charaktere bereits gut kennenlernen kann. Vignette ist eine Fae, die sich aufgrund ihrer eigenen schlimmen Erfahrungen in ihrem Heimatland Tirnanoc, das sich nun in den feindlichen Händen von Menschen, die sich gegen übernatürliche Kreaturen aussprechen, befindet, um all die anderen Fabelwesen kümmert, die nach The Burgue fliehen wollen, um dort Zuflucht zu finden. Gleich zu Beginn wird sie damit als kämpferische, loyale Frau gezeichnet, die aber auch eine sehr sensible Seite hat. Philo wiederum ist ein Mensch, der in seiner Heimatstadt immer wieder für die Rechte der Fabelwesen kämpft, zumal er mit ihnen im Krieg Seite an Seite gekämpft hat. Er arbeitet nun als Polizist und geht einer Anschlagsserie auf Fabelwesen nach. Dabei erweist er sich als resolut und hartnäckig, aber insgeheim ist er immer noch von seinen Erlebnissen geplagt. Damit werden beide Charaktere von Anfang als Helden inszeniert und das gelingt auch gut, weil sie keine eindimensionalen Figuren sind, sondern dennoch über Ecken und Kanten verfügen. Bloom gefällt mir in seiner Rolle sehr gut und von Delevingne bin ich vor allem überrascht, weil sie mich bis dato schauspielerisch noch nicht so recht überzeugen wollte. Sie hat oftmals einen sehr starren Gesichtsausdruck und wenig Emotionen im Gesicht. Als Vignette ist sie aber sehr greifbar und authentisch. Die Chemie der beiden ist auch vorhanden, was durchaus wichtig ist, da sie eine offenbar epische Liebesgeschichte verbindet, die in den weiteren Episoden näher ergründet werden muss.
Die restlichen Schauplätze und Charaktere der Serie verharren noch etwas in der Oberflächlichkeit, aber in den noch folgenden sieben Episoden sollte genug Zeit sein, um auch hier ein schärferes Profil zu entwickeln. Spannend werden sicherlich auch die politischen Kämpfe in The Burgue sein, bei denen vor allem Familie Breakspear im Vordergrund steht. Schließlich gibt es auch noch das Geschwisterpaar Spurnrose, das Vignette als Dienstmädchen aufnimmt und die mit ihrer Verachtung für Fabelwesen nicht hinter dem Berg halten können. Aber in all die Figuren bekommt man im Auftakt nur einen sehr knappen Einblick, so dass es an dieser Stelle schwerfällt einzuschätzen, wohin die Reise hier genau gehen soll.
Von der Erzählart her lassen sich Vergleiche zu "Game of Thrones" aber wahrlich nicht vermeiden. Auch hier ist man wenig zimperlich und bietet gleich mehrere Sexszenen. Auch Gewalt, Tod und Terror werden nicht ausgespart und in Detailansicht präsentiert. Diese Schonungslosigkeit wird nicht der Grund sein, warum ich weiterhin einschalten werde, aber dadurch wird die Serie sicherlich insgesamt für ein breiteres Publikum zugänglich. Die Effekte und der ganze Stil sind wie gesagt großartig, fürs Auge wird sehr viel geboten, so dass man das Ganze näher ergründen will. Inhaltlich wurde aber nur ein Bruchteil angeboten. Es sollte vermutlich ein gemächlicher Einstieg sein, der die Zuschauer mit der präsentierten Welt vertraut macht, aber spätestens in der nächsten Episode sollte die Handbremse dann gelöst werden.
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Fazit
"Carnival Row" ist ohne Frage eine sehr aufwendig produzierte Fantasyserie, bei der die Effekte und das neoviktorianische Setting fürs Auge echt was hergeben. Es handelt sich aber definitiv nicht um High Fantasy, da man schnell merkt, dass die übernatürlichen Wesen im Konflikt mit einem Großteil der Menschheit metaphorisch für unsere heutige Gesellschaft stehen, so dass es eher um eine Sozialkritik geht. Inhaltlich gibt es erstmal eine Fokussierung auf die beiden Hauptfiguren, so dass die weiteren Charaktere und die beabsichtigen Handlungsstränge noch etwas unwägbar bleiben, aber das Potenzial für eine überzeugende Serie ist definitiv gegeben.
Lena Donth - myFanbase
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