Bewertung
Spike Jonze

Her

"Es ist irgendwie ein gutes Gefühl, sein Leben mit jemandem zu teilen."
- "Wie teilt man sein Leben mit jemandem?"

Foto: Copyright: 2014 Warner Bros. Ent. Alle Rechte vorbehalten.
© 2014 Warner Bros. Ent. Alle Rechte vorbehalten.

Inhalt

Theodore Twombly (Joaquin Phoenix) ist einsam. Er hat eine schwere Trennung hinter sich und schottet sich von seiner Umwelt ab. Ein neues Computerprogramm scheint gegen seine Depression Abhilfe schaffen zu können. Er legt sich das neueste Operating System zu und ist erstaunt – es ist intelligenter als man es erwarten mag. Die Stimme, die sich bald als Samantha entpuppt, strukturiert sein Leben, beantwortet seine Mails, wertet all seine Daten aus. Doch es kann noch mehr. Es scheint Gefühle zu haben, einen Charakter - und Theodore verliebt sich unsterblich in die Stimme aus dem Off.

Kritik-

Dieser Film erfüllt einen mit Gefühl. Doch es ist eine Gefühlsachterbahn, die sowohl der Hauptcharakter als auch der Zuschauer durchleben. Zunächst einmal spielt der Film in nicht allzu ferner Zukunft, die einerseits für uns noch undenkbar erscheint und andererseits so greifbar aktuell ist. Alle haben ihr Headset im Ohr, jeder ist mit sich selbst und dem Blick auf sein Smartphone beschäftigt. Die Medien haben sich entwickelt, sind großer Teil des Alltags und wie heute auch nicht mehr weg zu denken. Die Darstellung der Entwicklung zeigt großartig wie die Welt in 20, 50 oder vielleicht 100 Jahren aussehen kann und vermutlich auch wird. Man kann sich hineinversetzen und gleichzeitig kaum fassen, was moderne Technik alles möglich macht.

Die Tatsache, dass Theodore sich in eine Computerstimme verliebt, scheint zunächst absurd – macht nachdenklich. Nach und nach empfindet man es jedoch selbst als nachvollziehbar, was sich in diesem Film zeigt. Die modernen Medien schaffen es, Einsamkeit auszufüllen, soziale Kontakte zu ersetzen. Die Entwicklung der Charaktere ist eines der herausstechenden Merkmale dieses Films. Es ist faszinierend, mit anzusehen, wie ein verzweifelter, melancholischer Mann sich einem Computersystem öffnet. Gleichzeitig erfüllt es einen mit Traurigkeit zuzusehen, wie ein Computer scheinbar mehr schaffen kann, als andere Menschen. Einzig und alleine aus dem Grund, da JEDER nur seinen Computer, sein Handy oder seine Konsole im Blick hat.

Die darstellerische Leistung von Joaquin Phoenix ist beeindruckend. Quasi in einer One-Man-Show verpackt er alle Gefühle, Situationen, Emotionen und Entwicklungen, die wir aus einer zwischenmenschlichen Beziehung kennen. Wir begleiten ihn beim sich Verlieben, dem ersten Sex, dem Verlangen nacheinander, den ersten Zweifeln und dem negativen Verlauf einer Beziehung – und das gänzlich ohne Beziehungspartner. Trotz dem, dass er meistens alleine vor der Kamera stand, schafft er es, genau diese Gefühle – die vermutlich jeder von uns kennt – so empathisch und glaubhaft darzustellen, wie es kaum ein anderer könnte.

Rein technisch lässt sich zu dem Film kaum etwas sagen, denn er funktioniert einfach. Es gibt nicht viel Auffälliges, doch genau diese Machart lässt uns so sehr mit den Charakteren gehen und fühlen. Der Minimalismus der filmtechnischen Ebene erlaubt es uns erst, ganz in die Story zu gleiten und das ist in diesem Fall auch der ausschlaggebende Faktor. Aus diesem Grund möchte ich mich in dieser Rezension auch mehr der menschlichen und inhaltlichen Ebene widmen.

Eine Beziehung mit einem Computer – wie ist das nur möglich, fragt man sich, wenn man den Klappentext liest. Man schüttelt in den ersten zehn Minuten des Films den Kopf. Doch schnell versteht man, was in und um Theodore passiert. Menschen lieben Computer, oder das, was sie glauben in ihnen zu sehen und sogar der Computer liebt die Menschen. Ein abstruses System, was aber sogar auf sexueller Ebene zu funktionieren scheint. Selbst die einzige wahre Freundin in Theodores Leben, Amy (Amy Adams), durchläuft eine schwere Trennung und findet Trost in ihrer neuen Kumpanin – dem Operation System. Die Welt scheint nur noch auf Datenebene zu funktionieren.

Plötzlich entwickeln die Systeme ein Eigenleben, sie sind verliebt, eifersüchtig, verzeihend. Letztlich entscheiden sie sich sogar selbstständig, die Beziehungen zu ihren Besitzern in Frage zu stellen. Kann das passieren, fragt man sich. Auch hier durchlebt man das Gefühl vollsten Verständnisses und gleichzeitiger Erschütterung über die Entwicklung der modernen Welt. Einzig Mut macht da der Schluss, der zeigt, dass eben doch menschlicher Kontakt – in Theodores Fall zu Amy - und soziale Nähe das Einzige zu sein scheinen, was einen wirklich durchs Leben begleitet.

Ich glaube, dass der gesamte Film eine Metapher darstellt. Eine Metapher für Beziehungen – sei es zu hyperintelligenten Systemen oder Menschen – wir sehen letztlich die Entwicklung unserer Generation. Hin zu moderner Technik einhergehend mit dem Vergessen des wirklich Wichtigen – wahre Freunde und echte Menschen. Vielleicht bebildert er auch, wie wir uns verhalten. Alles nimmt immer denselben Lauf, nahezu wie vorgefertigt. Verlieben - Glück - Zweifel - Trennung; und das alles ist schon vorprogrammiert!? Der Film kratzt an der Hoffnung, dem Glauben an Menschheit und schafft es letztlich, genau diese wiederherzustellen und uns einfach nur vor Augen zu führen, worauf es im Leben wirklich ankommt.

Warum ein Punkt Abzug? Es gibt leider Momente, die unlogisch erscheinen. Man kann zwar all die Entwicklung der Technik akzeptieren, dennoch gibt es den ein oder anderen Filmfehler (z.B. dass Theodore mit Samantha redet, obwohl er gar nicht den Stecker im Ohr hat). Auch die Wendung der Systeme, sich plötzlich eigenständig auszuklinken, wirkt merkwürdig. Alles in allem kann ich aber sagen, dass mich der Film zutiefst fasziniert und mitgerissen hat. Er beschäftigt sich mit der Abwesenheit der Sozialität aufgrund der omnipräsenten Technik und dem Weg, wieder zueinander zu finden. Obwohl "Her" sehr ruhig vor sich hinplätschert, schmeißt er einen mit voller Wucht in einen Strudel von Gedanken und Emotionen, die wohl jeder nur für sich ganz alleine wieder sortieren kann – und auch sollte.

Fazit

Ein starbesetztes Meisterwerk. Es rüttelt auf, stellt Fragen, gibt Antworten und zeigt dennoch trotz enormen Zukunftsgedanken die wahre Realität und eine klare Botschaft: lebt, liebt und lernt.

Janina Funk - myFanbase
27.06.2015

Diskussion zu diesem Film