Bewertung
Atom Egoyan

Captive, The

When Hope Is All You Have

Foto: Copyright: 2002-2015 ASCOT ELITE Home Entertainment GmbH
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Inhalt

Matthew (Ryan Reynolds) lässt seine neunjährige Tochter (Peyton Kennedy) nur kurz allein im Auto; als er wiederkommt, ist sie verschwunden. Acht Jahre vergehen, ohne dass die Polizei konkrete Spuren liefern kann. Matthew und seine Frau (Mireille Enos) leben sich auseinander. Obwohl die Suche aufrechterhalten wird, schaffen es die Ermittler Nicole (Rosario Dawson) und Jeffrey (Scott Speedman) nicht, Cassandra (später: Alexia Fast) zurück zu bringen. Diese wird von Mika (Kevin Durand) versteckt gehalten und muss im Auftrag eines ganzen Ringes von Kindesentführern das Vertrauen weiterer junger Mädchen gewinnen. Ihre Verbindung zur Außenwelt sind Kameras, die ihre Mutter bei der Arbeit beobachten. Als sich die Beweise verdichten, dass Cassandra noch am Leben ist, beginnt Matthew auf eigene Faust zu ermitteln...

Kritik

Die Landschaftsaufnahmen wirken bedrückend. Dicke Schneeflocken so weit das Auge reicht, kaum Menschen, dafür umso mehr Wälder. Die Welt scheint ein düsterer, einsamer Ort zu sein und somit die perfekte Ausgangslage für Atom Egoyans Drama "The Captive – Spurlos verschwunden". Leider schaffen es die atmosphärisch tollen Bilder nicht, darüber hinweg zu täuschen, dass der Film einige Schwächen bereit hält und definitiv zu Egoyans schlechteren Werken zählt. Der Film ist trotz der Bandbreite an Themen streckenweise langatmig und vieles wird nur oberflächlich behandelt. Die sprunghafte Erzählweise hilft weder beim Spannungsaufbau, noch erzeugt sie Dynamik. Was bleibt, ist ein blasser Film, der den Zuschauer kalt lässt.

Allein die Vorstellung einer Kindesentführung im eigenen Umkreis lässt uns das Blut in den Adern gefrieren. Trauer, Wut, Panik, Angst - es offenbart sich eine ganze Bandbreite an Emotionen, die Auswirkungen auf uns selber, unsere Familie, die Menschen in unserem Umfeld sind fast unvorstellbar. Eigentlich stellt die Thematik allein genug Stoff für ganze Filmreihen bereit und wurde dementsprechend auch schon auf die ein oder andere Art und Weise verfilmt. Bei "The Captive" werden nun verschiedene Geschichten miteinander verbunden. Dabei steht nicht die Entführung an sich im Vordergrund, sondern eine Auswahl an anderen, mit dem Thema verwandten Geschichten. Da wäre zum einen die Beziehung der Eltern, die am Verlust der Tochter zerbricht; zum anderen die Arbeit der Polizei, wobei vor allem zwei Ermittler in den Vordergrund gerückt werden. Schließlich geht es auch noch, zumindest im Ansatz, um einen ganzen Ring von Kindesentführern und schlussendlich auch um das Leben eben jener entführten Kinder wie Cassandra. Dann wartet der Film auch noch mit einer Art Storytwist auf, denn Cassandra kann weiterhin das Leben ihrer Mutter beobachten und für die Ermittler stellt sich die Frage, ob man es mit einer gänzlich neuen Art des Verbrechens zu tun hat, bis sogar sie selber in das Fadenkreuz der Entführer gelangen. So vielversprechend das auch klingen mag, genau hier liegt das Problem: Keine Geschichte nimmt so richtig Fahrt auf. Ganz im Gegenteil, es werden einzelne Geschichten nur angedeutet, eine Auflösung oder Erklärung erfolgt im Film nicht. Es ergibt sich eine Aneinanderreihung von Bildern, denen keinerlei emotionale Kraft innewohnt.

Dies wird vor allem bei der Charakterzeichnung der Eltern deutlich. Sowohl Vater als auch Mutter reagieren erwartungsgemäß und lassen sich einem typischen, schon oft gesehenen Schema zuordnen. Die Mutter sucht Hilfe und arbeitet mit der einfühlsamen, aber taffen Ermittlerin (auch nicht gerade neu!), während sie dem Vater die ganze Schuld an dem Vorfall gibt. Dieser versucht erst gar nicht, sich rauszureden, er distanziert sich und sucht lieber auf eigene Faust. Ryan Reynolds ist der kleine Lichtblick in dieser tristen Filmlandschaft. Man nimmt ihm den sorgengeplagten, verzweifelten und zu Beginn liebenden Vater durchaus ab. Sein Kummer begleitet den Zuschauer durch den Film und ist auch spürbar. Gegen Drehbuch und Inszenierung kann aber auch sein tolles Schauspiel nur begrenzt etwas ausrichten. Ebenso sieht es auch mit den anderen Darstellern aus. Charaktere wie den Entführer, der gerne Mozart hört, gab es schon zu oft. Rosario Dawson, als Ermittlerin mit Herz, schaut man gerne zu, auch wenn sie keine Akzente setzen kann. Scott Speedman als Jeffrey wirkt auf den ersten Blick charismatisch, gerade auch weil er einer der Charaktere ist, die nicht so leicht zu durchschauen sind. Sein Engagement für die Arbeit nimmt zum Schluss aber recht fragliche Züge an; der Grund, warum er es so vehement auf Matthew abgesehen hat, bleibt, genau wie seine Hintergrundgeschichte, ungelöst.

Genau wie Jeffreys Hintergrundgeschichte werden einzelne Handlungsstränge am Ende überstürzt aufgelöst. Allgemein wirkt der Schluss nicht zufriedenstellend, man hätte sich die eine oder andere Erklärung gewünscht. Warum man am Ende Tempo reinbringt, obwohl am Anfang die Geschichte nicht vorankommt, muss dem Zuschauer wohl ein Rätzel bleiben. Ein weiteres Geheimnis, verborgen unter dem vielen Schnee.

Fazit

Ein streckenweise langatmiges Drama, dessen Story einen, trotz vieler eigentlich interessanter Ansätze, emotional kalt lässt. Da kann auch ein Ryan Reynolds in Topform nicht viel retten.

Gabriel Knierim - myFanbase
12.01.2015

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