Review: #2.15 Die ganze Wahrheit
Da haben wir es, das Outing von Jack. In Bezug auf seine Person gelang es nicht, am Ende noch mit einer Überraschung aufwarten zu können, aber vielleicht war dies auch von vornherein geplant. Die Konfrontation mit seinem Vater ist sehr melodramatisch gestaltet, vielleicht auch viel zu viel des guten, da ein Beweggrund für seinen plötzlichen Wandel heraus aus der Verschwiegenheit fehlt. Ist es die Beziehung mit Joey und die dadurch erfolgende Selbstreflektion, die die Tatsachen zutage brachte?
Das Ironische an dieser Episode ist, dass sich die Verhältnisse umgekehrt haben. Während seit dem Kuss unter dem Mond das wirkliche Interesse seitens Jack bestand, ist es nun Joey, der anscheinend wirklich etwas an Jack liegt. War er doch vorher öfter eher das Mittel zum Zweck, um der Dawson-Problematik zu entfliehen und nebenbei ein guter Freund, aber nicht mehr. Anders ist es bei Jack. Seine neue Distanz zu Joey ist unverkennbar. Sie wurde vielmehr zum Zweckmittel, damit er sich über sich selber bewusst werden konnte.
Homosexualität in Capeside? Ein heikles Thema. Wieder einmal kommt der Dorfcharakter des Ortes voll zum tragen. Angefangen damit, dass es sich dermaßen herumspricht, dass selbst Jack's Vater darüber informiert wird, fällt das auch dadurch auf, dass Jen, die selber diesem Dorfcharakter unterlegen ist, versucht, Toleranz für seine Vorliebe aufzubringen.
Das Thema - es hat Potential. Doch den Autoren gelingt es in dieser Staffel nicht mehr, etwas vernünftiges daraus zu machen. Die Verwirrung von Jack ist feststehend. Aus seiner Rolle als stiller Aussenseiter hat man ihn in die Rolle eines geouteten Aussenseiters gebracht - keine tragende Weiterentwicklung.
Sehr überzeugend ist dagegen die Darstellung von Joey. Durch das Ende der letzten Episode hat sich ihre Einstellung Jack gegenüber verändert. Sie entwickelt tatsächlich Gefühle für ihn, was man auch an der Art und Weise erkennt, wie sie von nun an auch in der Öffentlichkeit aus der Beziehung keinen Hehl mehr macht und sich um eine romantische Atmosphäre am Abend des Outings bemüht.
Zugleich ist da Dawson, der - so scheint es - sich in sich selber vergraben hat und sich auf das Tippabgeben für andere beschränkt. Die Enttäuschung ist ihm klar abzulesen, doch wie zuletzt versucht er diese zu verbergen. In der Tanzszene von Dawson und Joey haben wir eine ernsthafte Annäherung (übrigens auch ein Symbol, wenn wir vorausschauen auf "A Perfect Wedding"), zugleich aber eine, die sich nur in den beiden Charakteren abspielt, oberflächlich aber verleugnet wird (als Joey Dawson aus seinen Augen liest). Diese Szene ist sehr schön. Ihre Bedeutung ist tiefgreifend und vor allen Dingen sind die beiden Charaktere sich dessen auch bewusst - sie geben es aber nicht zu, was eine knisternde Atmosphäre erzeugt. Überflüssig ist da die Anmerkung von Ty, sie würden ein perfektes Paar abgeben.
Unterstrichen wird das noch durch den Schluss der Episode, als Joey in dem unglücklichen Moment nach dem Outing zu Dawson geht. Dawson fasst es neutral - ja, fast überrascht auf. Das ist u.a. auch auf die darstellerischen Leistungen der Schauspieler zurückzuführen, aber auch auf die Inszenierung.
Ein einsamer Kampf wird von Pacey geführt. Sein Kampf gegen den "bösen" Lehrer geht in die letzte Runde, nachdem dieser mit Willkür bei der Notengebung droht. Das Ende ist der vorzeitige Ruhestand und kein Einsehen, Pacey macht sich Vorwürfe. Der Konflikt ist in der Tat heikel, aber sind 30 Jahre, in denen der Lehrer unfair handelte, eine Legimitation das auch ein weiteres halbes Jahr lang machen zu dürfen? Die Problematik scheint bewusst zu bestehen, insofern läge es auch in den Händen des Lehrers sie für das letzte halbe Jahr auszusetzen. Seine Intention ist es lediglich, Pacey in einem finalen Akt zu kränken - kein ehrenhafter Abgang. Der Triumph folgt auf dem Fusse, als auch das Verhältnis zu Andie wieder geradegebogen ist.
Zuguterletzt wäre da noch Jen, die das Verhältnis zu Ty wieder abbricht, der sich in vielerlei Hinsicht als zu konservativ herausstellt und damit das Feindbild der moralischen Grossmutter verkörpert. In Bezug auf den Zwiespalt zwischen Ty's kirchlicher Ansichten und seinem ausprägten Nachtleben ist das Aus der Beziehung durchaus legitim, doch das Jen ihm mangelnde Liberalität vorwirft, ist ein Schuss, der nach hinten losgeht, da sie selber auch kein glänzendes Beispiel dafür ist. Ihre Ansichten mögen zwar als liberal gelten, doch an Konsensfähigkeit mangelt es ihr deutlich. Zudem deutet sich an, das ihr Hass gegen konservative Ansichten dermaßen gewachsen ist, das über kurz oder lang auch wieder Konfrontationen mit Grams vor der Türe stehen.
Alles in allem somit eine gute Episode, aber nicht uneingeschränkt. Die Jack-Problematik ist vom Kern her zwar interessant, doch in der Umsetzung nicht sehr überzeugend. Die Stärken dieser Episode liegen vielmehr in Joey und Dawson aus oben genannten Gründen. Die Pacey-Nebenhandlung erhält einen würdigen Schluss mit Nachgeschmack - sicherlich kein Happy-End, für beide Seiten. Jen fällt wieder mal in ihre Unzugehörigkeit zurück, wie so oft.
Malte Kirchner
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Informationen zur Episode
Englischer Titel: ...That Is The QuestitionErstausstrahlung (US): 17.02.1999
Erstausstrahlung (DE): 18.07.1999
Regie: Greg Prange
Drehbuch: Kevin Williamson & Greg Berlanti
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