Bewertung

Review: #1.02 Lügen

Foto: Louis Hofmann, Dark - Copyright: Stefan Erhard/Netflix
Louis Hofmann, Dark
© Stefan Erhard/Netflix

Nachdem die erste Episode von "Dark" nur ganz grob die Grundzüge der Serie anriss, tauchen wir nun tiefer in das Geschehen ein. Man entwickelt die Hauptstory weiter, lernt Familie Nielsen besser kennen und klärt zum Ende hin auch die Frage, in welches Genre "Dark" einzuordnen ist.

Wann ist Mikkel?

Es gibt nichts Mysteriöseres als einen ominösen Fremden, der plötzlich in der Stadt auftaucht und viel mehr zu wissen scheint als alle anderen. Dieses Hilfsmittels bedient sich in seiner zweiten Episode auch "Dark" und schafft es damit die gesamte Laufzeit über, den Zuschauer bei der Stange zu halten. Der neu auf der Bildfläche erschienene Mann ähnelt nicht nur der Figur, die Erik in seiner Gewalt hat, er bringt mit einer geheimnisvollen Maschine, einer Pinnwand voller kryptischer Zeichen und der Korrektur des Artikels über Mikkels Verschwinden auch gleich eine ganze Wagenladung von Fragen mit sich. Mit einem Kribbeln in den Fingern versucht man sich auszumalen, wohin sich die Geschichte entwickeln wird und wägt dabei ab, ob man es eher mit einer Crime- oder mit einer Mystery-Serie zu tun hat. Weit über die erste Hälfte der Episode sieht es so aus, als würden wir die Spuren eines Kriminellen verfolgen, doch zum Ende hin zeigt sich, dass dies nicht die ganze Wahrheit ist. Man dem Ersetzen des Wo durch das Wann durch den Fremden und dem abschließenden Blick auf Mikkel, der sich plötzlich im Jahr 1986 befindet, werden viele Fragen beantwortet, während gleichzeitig mindestens genau so viele aufgeworfen werden. Viele Aspekte der Episode, die bisher noch in keinem Kontext standen, ergeben nun Sinn. Denn wenn wir es mit der Mystery-Serie zu tun haben und Zeitreisen darin ein zentrales Element darstellen, dann erklärt sich sowohl, wie Michael über Mikkels Verschwinden vorab Bescheid wissen konnte, als auch das verwirrende Netz aus Fotos mit Menschen verschiedener Generationen aus #1.01 Geheimnisse, das wohl ein und die selbe Person in verschiedenen Jahrzehnten abzubilden scheint.

Man beleuchtet allerdings nicht nur das Gesamtbild der Serie, sondern geht vielerorts auch tiefer ins Detail. Dreh- und Angelpunkt bildet dabei Familie Nielsen. 1986 verloren Jana und Tronte ihren Sohn Mads, nun spielt sich eine ähnliche Situation bei ihrem Enkel Mikkel ab. Ist es möglich, dass auch Mads durch die Zeit gereist ist? Ist er ähnlich wie Mikkel in der Vergangenheit gelandet? Neben diesen Fragestellungen wirft man auch Verdachtsmomente gegen einige Charaktere auf. Denn das Tronte eine blutverschmierte Jacke wäscht, erscheint sehr verdächtig. Nicht weniger fragwürdig ist die Involvierung des Atomkraftwerkes, die durch Aleksander Tiedemann personifiziert wird. Mit dem Atomkraftwerk und den Höhlen hält man sich weiterhin zwei Wege offen, durch die Mikkels Verschwinden erklärt werden könnte. Das Atomkraftwerk spiegelt dabei den wissenschaftlichen Aspekt der Geschichte wider und wirft die Frage auf, ob es dort einen ähnlichen Zwischenfall gegeben hat, wie es 1986 in Tschernobyl der Fall war. Darauf hindeuten tun ziemlich eindeutig die vom Himmel fallenden toten Vögel, die eine atomare Katastrophe ankündigen könnten. Richtig greifbar ist dieser Gedanke in Zusammenhang mit dem Verschwinden der Jungen jedoch nicht, denn es gibt keine Indizien darauf, wie die Geschichten mit einander in Verbindung stehen könnte. Was Mikkel, Erik und auch Mads angeht, wirken die Windener Höhlen viel interessanter, die Theorie, dass sie mit dem Verschwinden der Jungen zusammenhängen könnten, bestätigt sich auf vielfältige Weise. In Bezug auf Mads sind es die Worte seiner Eltern, die darauf hinweisen, dass er sich zum Zeitpunkt seines Verschwindens bei den Höhlen aufhielt. Bei Erik ist es sein Versteck für Drogen, was genau vor dem Eingang der Höhlen liegt. Am deutlichsten stehen die Zeichen allerdings bei Mikkel, den wir aus den Höhlen heraustreten sehen. Man schürt auf vielfältige Weise die Spannung und regt zum Grübeln an. Das erschütternde Finale dieser Episode bildet der Tod von Erik, der auf die gleiche Weise Verbrennungen erlitten hat, wie der Junge, der am Ende der ersten Folge gefunden wurde. Was hat es mit der Folterkammer im 80er Jahre Flair auf sich? Ist der Fremde für Eriks Tod verantwortlich? Kann er mit seiner Maschine einfach zwischen den Jahren springen? Und was bringt ihm der Tod der Jungen? Es bleibt weiterhin spannend und die Suche nach Antworten macht gleichzeitig Spaß, während sie wegen ihrer Tragweite auch äußerst aufwühlend ist.

Randnotizen

  • Sehr gut umgesetzt war die Szene mit dem drohenden Stromausfall. Die flackernden Lichter hinterließen ein prickelndes Gänsehautgefühl.
  • Ebenso eindringlich war der Fund von Jonas mit der Übersicht über die Höhlen und der Frage, warum und von wem die Karte dort versteckt war.
  • Bisher blieb Familie Obendorf sehr blass, nun wird ihr jedoch etwas mehr Zeit eingeräumt. Jürgen ergeht es ähnlich wie Ulrich, beide sind auf der Suche nach ihren Söhnen, doch nirgends gibt es ein Zeichen von Erik oder Mikkel.
  • Warum kam Mikkel eigentlich aus der Höhle heraus, nachdem er wegen des Grollens aus der Höhle erst in die andere Richtung geflohen ist?
  • Über die Schüler verliert man dieses Mal recht wenig Worte. Man zeigt bei Magnus und Martha, wie sie mit dem Verschwinden ihres Bruders umgehen. Indes wird Bartoszs Familienzugehörigkeit geklärt.
  • Das Verschwinden von Mikkel bringt einen Dämpfer für die Affäre von Ulrich und Hannah mit sich. Mal schauen, wie sich die Beziehung der beiden in den kommenden Episoden entwickelt. Ich könnte mir vorstellen, dass Ulrich weiterhin Abstand zu Hannah nimmt und gemeinsam mit Katharina – die ihre Trauer um Mikkel wirklich wunderbar und ganz ohne Worte in Szene gesetzt hat – nach Mikkel sucht.

Fazit

Man schaltet einen Gang hoch und der Spannungsfaktor reißt nie ab. Geschickt hält man das Gleichgewicht zwischen Weiterentwicklung der Grundgeschichte und Vertiefen der einzelnen Teilhandlungen rund um die Charaktere.

Marie Florschütz - myFanbase

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