Parallel Me - Review Staffel 1

Als wir die Hauptfigur der Toni Falk (Malaya Stern Takeda) in der Auftaktfolge von "Parallel Me" kennenlernten, hatte man eine aufgedrehte, egoistische und vor allem am Boden zerstörte junge Frau vor sich, die sich die Frage stellte, warum sich scheinbar die ganze Welt gegen sie verschworen hat. Sie ist zugegeben keine sonderlich sympathische Figur, dennoch schafft es Malaya Stern Takeda uns als Zuschauende so in den Bann zu ziehen, dass man wissen möchte, wie es mit ihr weitergeht. Wie Takeda im Interview mit myFanbase verriet, ist es ihr wichtig, dass es mehr komplizierte Frauenfiguren im Fernsehen zu sehen gibt, "die nicht perfekt sind" und denen wir beim Scheitern zugucken können. Eine eben solche spielt sie nun. Bis zu dieser schicksalhaften Silvesternacht, in der wir sie in der ersten Folge begleiten, machte Tonis Leben einen perfekten Anschein, doch schnell sieht man, dass es schon vor der missglückten Kommunikation mit ihrer Familie, der Zurückweisung durch ihre beste Freundin Bea Laverde (Larissa Sirah Herden) und dem verlorenen Job so einige Risse bekommen hatte. Niemand – nicht mal sie selbst – hat den Überblick behalten, wo auf der Welt sie sich gerade aufhält und sie scheint dem Burnout nicht zum ersten Mal gefährlich nahe gekommen zu sein. Beim letzten Mal hatte sie aber noch dieses Sicherheitsnetz zuhause, das sie aufgefangen und wieder auf die Füße gestellt hat, doch diesmal wird ihr der Boden wortwörtlich unter den Füßen weggezogen.
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Die Grundthematik der Serie scheint schnell erzählt: Toni erhält von der "Viertel-Göttin" Ariadne (Maria Schrader) einen magischen Schal, mit dem sie durch verschiedene Versionen ihres Lebens reisen kann. Damit beantwortet sich für sie die Frage, wie ihr Leben aussehen würde, wenn sie sich an der ein oder anderen Stelle anders entschieden hätte. Hätte sie den Lebenstraum ihrer Mutter Selma (Caroline Peters) erfüllen und Anwältin werden sollen? Hätte sie Musik studieren und Lieder veröffentlichen sollen, die sie über Nacht in Asien zum Superstar machen? Hätte sie mit ihrer Jugendliebe Jonas Dunkel (David Kross) zusammen bleiben sollen, um mit ihm eine Familie zu gründen? All diese Versionen scheinen auf die ein oder andere Art und Weise verlockend zu sein, doch wie sich bald herausstellt, werden dadurch wieder ganz andere Probleme ausgelöst, die Toni lieber wieder in die nächste Version flüchten lassen. Irgendwo muss es doch sein, das perfekte Leben... oder vielleicht doch nicht?

© Krzysztof Wiktor/Paramount+
Es wird schnell deutlich, dass Toni sich erstmal darüber klar werden muss, was sie eigentlich will. Und sind es dann wirklich die anderen Personen in ihrem Leben, die ihr das geben können, was sie braucht, oder muss sie sich das erstmal selbst geben? War es beispielsweise gut, dass sie sich für ihren Job so aufgeopfert hat oder hätte sie ihrem Chef Kai Wagemund (Golo Euler) vielleicht schon früher Grenzen aufzeigen sollen? Nicht nur zu ihrem eigenen Schutz und dem all ihrer Beziehungen, sondern auch um ihm zu zeigen, dass er seinen Mitmenschen nicht gut tut. Dass vor allem in den ersten Episoden das Thema "Work-Life-Balance" eine so zentrale Rolle spielt, diente sicherlich vielen Zuschauenden auch als Denkanstoß für das eigene Leben und ob alle Entscheidungen, die man zuliebe der Karriere so trifft, auf Dauer wirklich so gesund für einen sind.
Je weiter wir dann aber in der Geschichte voranschreiten, desto mehr fokussiert sich die Handlung auf Tonis Selbstfindung. Sie wirft einen Blick in ihre Vergangenheit und wie gewisse Lebensabschnitte und Entscheidungen ihrer Eltern sie für immer geprägt haben. Dass sie und ihr Bruder Leon (Theo Trebs) durch die vielen Reisen, die mit der Karriere ihres Vaters Thomas (Ulrich Noethen) als Diplomat einhergingen, nie ein richtiges Gefühl von Heimat aufbauen konnten, haben sie beide auf unterschiedliche Arten und Weisen verarbeitet. Während Toni mal mehr und mal weniger rebelliert, findet Leon einen Lebenssinn im Kochen – und seinen geliebten Minischnitzeln. Auch Hauptdarstellerin Takeda sieht das Thema "Heimat" als eins der Kernthemen der Serie: "'Wo ist Heimat?' [...] Mache ich das an Menschen fest? Mache ich das an Orten fest? Kann ich es einfach auch an mir festmachen?" Für Toni wird das im Verlauf der Zeit eine ganz zentrale Frage. Was sie selbst aber vielleicht gar nicht erkennt, von Takeda aber treffend analysiert wird, ist die Bedeutung von Tonis Internationalität. In ihren Augen hat Toni durch die vielen Reisen ein "Geschenk in die Wiege gelegt bekommen [...], verschiedene Codes zu lernen, wie funktioniert diese Kultur, wie funktioniert jene Kultur? [...] Denn Toni reist von Leben zu Leben und muss sich immer wieder neu finden. 'Wer bin ich hier?' – 'Was sind hier die Beziehungen?'" Und das gelingt ihr mit der Zeit wirklich mühelos, obwohl die Leben sich teilweise extrem von ihrer Welt unterscheiden.
Malaya Stern Takeda über die Bedeutung von Internationalität in "Parallel Me"
Es ist wirklich spannend zu sehen, dass nicht nur Malaya Stern Takeda in nahezu jeder Episode eine andere Toni spielen muss, auch die anderen Rollen wie Bea, Jonas, Leon, ihre Eltern oder Kai tauchen in ihren anderen Leben immer wieder auf und spielen auch jeweils eine andere Version ihrer selbst. Die Unterschiede mögen nicht so extrem ausgearbeitet sein, wie wir es bei Toni erleben, doch es ist schon interessant zu sehen, wie sich eben nicht nur ihre direkte Familie, sondern auch ihre engsten Freund*innen immer in Tonis Nähe befinden. Es hat irgendwie etwas Tröstendes, dass sie gewisse Konstanten hat. Und genau die helfen ihr dabei, zu erkennen, was ihr wirklich wichtig ist. Da ein Mensch ein soziales Wesen ist, kommt er nicht ohne Beziehungen aus, und Toni musste zu Beginn der Serie erfahren, wie es sich anfühlt, keine funktionierenden Beziehungen mehr zu haben – weder zur Familie noch zu ihrer besten Freundin oder der Liebe ihres Lebens. Dass sie in den verschiedenen Versionen ihres Lebens die Beziehungen teilweise ebenfalls erst wieder kitten muss oder auch das ganz andere Extrem präsentiert bekommt – bspw. dass sie eine sehr enge Beziehung mit ihrer Adoptivmutter Selma hat – wird dabei nicht nur von Malaya Stern Takeda, sondern auch der restlichen Besetzung sehr glaubwürdig rübergebracht. Man merkt nie einen Bruch, egal in welcher parallelen Welt wir uns befinden und wie abstrus die neuen Kostüme und Perücken vielleicht sind, die diese neuen Versionen zum Leben erwecken. Alle nehmen ihre Rollen in der jeweiligen Situation ernst. Das erinnert einerseits fast an Improvisationstheater, dass alles immer wieder in neue Rollen und Beziehungskonstellationen geschmissen werden, aber andererseits merkt man auch wie akribisch und professionell die Rollen ausgearbeitet und vorbereitet wurden. Takeda selbst hatte bspw. ein halbes Jahr Zeit, die verschiedenen Versionen von Toni zu erarbeiten, was ihr dann am Set ermöglicht habe, "wirklich da zu sein und auszuprobieren und frei zu sein".

© Krzysztof Wiktor/Paramount+
Wer sich Sorgen macht, dass dieses Schema vom "von Leben zu Leben springen" auf die Dauer langweilig und vorhersehbar wird, der oder dem sei versichert, dass es ab dem Ende von Folge 3 noch mal eine neue Wendung nimmt. Nicht nur erkennt Toni, dass sie ein Ziel für ihre Reise braucht, sondern sie erfährt auch, dass ihr Handeln in den verschiedenen Leben Auswirkungen auf ihre parallelen Toni-Versionen hat. Sie kann also dort nicht einfach alles durcheinander bringen, weil es ihr nicht gefällt, wie die andere Toni gelebt hat, sondern sie muss sich bewusst machen, dass ihr Handeln in egal welchem Leben Konsequenzen hat. Es ist nicht die ganze Welt, die sich gegen sie verschworen hat, oder immer die anderen, die ihr im Weg stehen, sie ist es meist selbst. Indem sie Geheimnisse hat, den Fokus aufs Wesentliche verliert oder einfach aus Trotz genau das andere von dem tut, was eigentlich gut für sie wäre, stellt sie ihrem Glück immer wieder selbst ein Bein. Sie ist eben nicht perfekt und das erwartet ja auch niemand von ihr. Sie ist ein Mensch, sie macht Fehler – wichtig ist, dass sie beginnt aus diesen zu lernen. Diese Entwicklung in ihr zu sehen, dass sie am Ende der Staffel nicht mehr die egoistische und verzogene Göre ist, die man zu Beginn der Serie kennenlernt, ist wirklich beeindruckend. Immerhin bleiben dafür nur acht Episoden Zeit.

© Paramount+
Bei all den Sprüngen, neuen Beziehungskonstellationen und Entscheidungen nicht den Überblick zu verlieren, mag auf den ersten Blick schwierig erscheinen. Auch Takeda gibt zu, dass die Beschreibung der Handlung teilweise verwirrend und diffus klingt und gewisse Hilfsmittel benötigt wurden, um mühelos zwischen den verschiedenen Tonis zu wechseln – teilweise mehrmals pro Drehtag. Für uns Zuschauende ist es aber gar nicht so verwirrend, was für ein hervorragend konstruiertes Drehbuch, glaubhafte Rollenprofile und eine sehr gute Inszenierung spricht. Da wir die Ur-Toni, wie Takeda sie nennt, die ganze Zeit begleiten, ihre Reaktionen wie Überraschung oder Schockiertheit über sich selbst oder die jeweilige Situation immer direkt miterleben, verliert man nie den Faden (was bei einem sich aufribbelnden Schal auch nicht verkehrt zu sein scheint). Wir haben Toni zu Beginn kennengelernt und begleiten sie über acht Folgen auf ihrer magischen Reise. Ihr Bewusstsein ist unsere Konstante und ihre Entwicklung absolut logisch und zu jedem Zeitpunkt nachvollziehbar. Vielleicht würde man sich nicht immer genauso entscheiden wie sie, aber man verurteilt sie zu keinem Zeitpunkt dafür, wie sie sich entscheidet. Je klarer sie ihr Ziel vor Augen hat, desto spannender wird es erst.
Malaya Stern Takeda über die Detektivarbeit für ihre Rolle der Toni Falk in "Parallel Me"
Fazit
Wer hätte gedacht, dass ein magischer Schal in einer schicksalhaften Berliner Silvesternacht ein Leben so durcheinanderbringen und gleichzeitig wieder so gut zusammensetzen kann? "Parallel Me" überzeugt mit einer facettenreichen Hauptfigur, einer nicht zu vorhersehbaren und runden Handlung und einem tollen Ende, das gleichzeitig einen zufriedenstellenden Abschluss bildet, aber auch sehr viel Potential für eine zweite Staffel offen lässt. Mich hat die Serie ab Folge 3 so richtig in den Bann gezogen und deshalb würde ich mich über eine Fortsetzung sehr freuen.
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