Bewertung

Review: #4.10 Die Operation

Es sind vier zentrale Dinge, die in dieser Episode klar werden:

1. Onkel Jack ist ein miserabler Geschichtenerzähler.

2. Daddy Christian ist quasi allgegenwärtig.

3. Alkohol und Clonazepam sind auch keine Lösung.

4. Danielle ist wirklich tot (!).

Ansonsten sehen wir mal wieder, dass eine "Lost"-Folge mit mehr Mystery einfach besser ist, aber deswegen ist eine "Lost"-Folge mit weniger Mystery, so wie #4.10 Die Operation, nicht unbedingt schlecht. Ganz im Gegenteil, es war vielleicht sogar nötig, das Tempo mal ein bisschen rauszunehmen und sich wieder auf die zwischenmenschlichen Dinge zu konzentrieren. Und nicht zu vergessen: Wir bekommen ein nicht ganz unspektakuläres Flashforward serviert.

"People get sick." – "Not here. Here, they get better."

Doch beginnen wir mit den Geschehnissen auf der Insel: Jack ist krank. Und Rose legt sich mit Charlotte an. Und die Dinge geraten ziemlich außer Kontrolle. Und wir sehen mal wieder, dass Jack einfach die unangefochtene Führungsperson der Strandtruppe ist. Selbst wenn er eine Blinddarmentzündung hat und ziemlich fertig aussieht, ist Jack derjenige, auf den die Leute hören. Interessant ist diesmal aber vor allem, dass Juliet das Ruder in die Hand nimmt, sobald Jack außer Gefecht gesetzt ist. Denkt man zurück an Juliets Ankunft im Camp (#3.16) vor zwei Wochen und das große Misstrauen, das man ihr damals noch entgegen gebracht hatte, dann ist es schon beachtlich, wie gut und vor allem wie schnell sich Juliet in die Gemeinschaft eingegliedert hat.

Das Misstrauen der Losties gilt nun Daniel und Charlotte, die dabei helfen wollen, medizinische Apparate aus der Dharma-Station zum Strand zu bringen. Juliet willigt ein, bleibt aber knallhart und ermuntert Jin dazu, Daniel und Charlotte ins Bein zu schießen, sollten sie Mist bauen. Jin hält das für zu radikal und droht lieber damit, Daniel die Finger einzeln zu brechen, sollte Charlotte nicht endlich zugeben, dass sie fließend Koreanisch kann. Was sie dann auch tut und wir Zuschauer staunen nicht schlecht: Charlotte spricht Koreanisch? Und gräbt Eisbären in der Wüste aus? Die Frau hat es faustdick hinter den Ohren.

Es wird schließlich alles zur Operation von Jack bereitgestellt, doch was am meisten Umstände macht, ist nicht die OP, sondern der Patient: Jack bestätigt, dass Ärzte die schlimmsten Patienten sind und hat die gänzlich hirnrissige Idee, seine Blinddarmoperation bei vollem Bewusstsein mitzuerleben, um Juliet Anweisungen zu geben. Um dies tun zu können, soll Kate (wer sonst?) einen Spiegel halten. Als dann aber im Zelt das Chaos ausbricht, macht sich Kate mal wieder unnützlich und anstatt das zu tun, was Juliet sagt, steht sie nur rum und heult. Großartig, Kate.

Doch Juliet bleibt cool, holt den Blinddarm raus, näht Jacks Bauch wieder zu und rettet ihm somit das Leben. Kate weint währenddessen immer noch aus unerfindlichen Gründen, geht später aber wieder ins Zelt und beide Frauen, die sich vor zwei Wochen noch eine Schlammschlacht geliefert hatten (#3.15), haben endlich ein Gespräch über – na klar – Jack. Juliet, die genau weiß, dass da was zwischen Jack und Kate läuft, erzählt Kate von dem Kuss und gibt ihr einen Wink mit dem Zaunpfahl, dass Jack Kate immer noch liebt. Ich war schon immer unparteiisch, was mögliche Paarungen wie Jate, Jacket oder Skate angeht, doch es ist schön zu sehen, dass Juliet die Sache wenigstens in die Hand nimmt und nicht lang um den heißen Brei redet.

Das Interessanteste an der gesamten Blinddarmgeschichte ist allerdings, dass sie überhaupt stattgefunden hat: Wie konnte Jack auf der Insel krank werden, wo dort doch sonst (fast) alle geheilt werden? Die Insel hat Locke aus seinem Rollstuhl befreit, heilte Rose vom Krebs und sorgte noch für so einige weitere medizinische Wunder. Denken wir allerdings an Ben und seinen Wirbelsäulentumor, so haben wir auch hier den Fall einer Person, die auf der Insel krank wurde. Doch wer wird krank und wer bleibt gesund? Hat Bernard Recht, wenn er sagt, dass Jack womöglich etwas getan hat, um die Insel zu verärgern? Vielleicht, indem er mit aller Macht versucht, sie zu verlassen und damit indirekt dafür gesorgt hat, dass Widmores Frachter sie gefunden hat?

"You're not supposed to raise him, Jack."

In der Zukunft ist Jack weit weit weg von der Insel, hat eine Kaffeemaschine und flucht in bester Sawyer-Manier ("Son of a bitch!"), als er in der Küche über Aarons Millennium Falcon stolpert. Ach ja, und er ist jetzt mit Kate zusammen.

Das Flashforward lässt sich diesmal chronologisch sehr eindeutig einordnen: es scheint nach Kates (#4.04) und Hurleys (#4.01) Flashforwards zu spielen, da Jack zum damaligen Zeitpunkt noch nicht bei Kate gewohnt hatte und Hurley erst nach dem Autounfall in die Klapse kam. Es füllt auch die Lücke zu Jacks erstem Flashforward (#3.23), in dem wir Jack schon komplett kaputt durch Alkohol und Clonazepam sahen und er bereits von Kate getrennt war. Dass Jack und Kate in der Zukunft tatsächlich zusammen kommen und sich schließlich sogar verloben, ist eine Entwicklung, die man sich nur all zu gut vorstellen kann. Sawyer ist also, wie nicht anders erwartet, auf der Insel zurückgeblieben (und hoffentlich nicht tot), während Jack zusammen mit Kate und den anderen Oceanic Six (Aaron, Sun, Sayid und Hurley) sie verlassen hat. Es wäre alles perfekt, würde Daddy Christian nicht bei Jack vorbeischauen.

Yeah. Sobald Christian in der Serie auftaucht, bekommt man wieder Gänsehaut. Gleichermaßen, wenn Hurley davon redet, dass die Oceanic Six alle tot seien. Eine Phrase, die er in letzter Zeit gerne zu gebrauchen scheint (#4.09 – "We're all gonna die."). Sie erinnert einen daran, dass der Tod in "Lost" anscheinend nicht unbedingt das ist, was man normal darunter versteht. Der Tod ist relativ ist "Lost", wie vieles andere auch, er scheint vielmehr ein Zwischenstadium zu sein oder ein Zustand, den wir noch nicht genau beschreiben können. Ist der Begriff "tot" womöglich gleichbedeutend mit "von der Insel weg"? Ist der Tod nur temporär auf der Insel? Oder ist er vielleicht mit Zeitreisen verbunden?

Was Jack aber eigentlich aus der Bahn wirft, ist, dass Hurley ihm von Charlie erzählt und seiner Botschaft, die besagt, dass Jack "ihn" (Aaron?) nicht großziehen solle. Es ist nicht ganz klar, wieso Jack so extrem auf diese Aussage reagiert: Entweder, er ist geschockt, dass anscheinend auch Hurley tote Menschen sieht, oder, er verkraftet die Aussage an sich nicht. Oder beides. Der Satz jedenfalls erinnert sehr stark an Malkins Aussage in #1.10, der Claire damals sagte, dass nur sie den Jungen großziehen solle.

Das Gespräch mit Hurley lässt Jack lange nachdenken. Wir sehen, wie er den restlichen Abend in seinem Jeep vor der Santa Rosa Anstalt steht und gedankenverloren auf die Bank starrt, wo Hurley angeblich mit Charlie geredet haben soll. Hat der Mann der Wissenschaft etwa Zweifel bekommen? Zweifel daran, dass Hurley vielleicht gar nicht so verrückt ist und er Recht hat? Es wird in dieser Episode deutlicher denn je, dass Jack in der Zukunft entscheidende Veränderungen durchlaufen haben wird. Sein stark wissenschaftlich und logisch geprägtes Weltbild beginnt zu bröckeln, gleichzeitig wird aus dem heldenhaften, selbstlosen Anführer langsam ein eiserner Mann, der nur ein Ziel vor Augen hat, nämlich die Insel zu verlassen, und das mit allen Mitteln. Besonders deutlich wird Jacks Entwicklung im Vergleich mit Sawyer, der in der ersten Staffel noch ein egoistischer Depp war, sich aber mittlerweile zu einem fast schon heldenhaften Beschützer gemausert hat. Im Gegensatz dazu verliert Jack, der Held und Anführer, immer mehr den Faden und auch seine Werte. Und schließlich auch Kate.

"You got a restraining order. 20 feet."

Zurück in die Gegenwart und auf die Insel: Claire ist mit Sawyer und Miles unterwegs zum Strandcamp und die drei bilden ein sehr geniales Trio. Genial. Besonders Sawyer und Miles sind zum Schießen, da beide sich charakterlich doch relativ ähnlich sind und somit ständig aneinander geraten. Außerdem ist es immer wieder wunderbar zu beobachten, wie sich völlig neue und ungewohnte Charakterkonstellationen bilden – so haben Sawyer und Claire erstmals mehr miteinander zu tun und Sawyer entwickelt sogar einen richtigen Beschützerinstinkt für sie und das Baby (Aber Sclaire? Bitte nicht.)

Ghostbuster Miles ist es dann, der die Leichen von Karl und Rousseau entdeckt. Er buddelt deren Leichenteile aus und bestätigt so für uns, was schon alle befürchtet hatten: Rousseau ist tatsächlich tot. Überraschenderweise sind es Keamy und seine Männer allerdings nicht: die spazieren munter durch den Dschungel in Richtung Helikopter.

Moment mal. Ist das alles, was du draufhast, Lostzilla? Ein paar Verletzungen? Tsts.

Und dann der Schockermoment: Claire wacht nachts auf und sieht Daddy Christian, wie er seinen kleinen Enkel in den Armen wiegt.

Moment mal. Christian ist tot, kann aber Aaron in den Armen halten? Claire geht einfach so mit Christian mit? Claire lässt Aaron im Dschungel zurück? Was geht?!

So lässt uns #4.10 mit vier zentralen Fragen zurück:

1. Wieso hatte Jack eine Blinddarmentzündung?

2. Wieso weint Kate eigentlich die ganze Zeit?

3. Was zum Henker ist mit Christian los?

4. Und natürlich: Wo ist Claire?

Maria Gruber - myFanbase

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