Bewertung
Anna Foerster

Lou

Foto: Allison Janney & Jurnee Smollett, Lou - Copyright: 2022 Netflix, Inc.; Liane Hentscher / Netflix
Allison Janney & Jurnee Smollett, Lou
© 2022 Netflix, Inc.; Liane Hentscher / Netflix

Inhalt

Lou (Allison Janney) ist eine ehemalige CIA-Agentin, die versteckt in einem ländlichen Ort lebt. Sie vermietet ein Haus an die junge Mutter Hannah (Jurnee Smollett-Bell) und ihre Tochter Vee (Ridley Asha Bateman), zu denen sie aber auch sorgfältig Abstand sucht. Als Lou bereit ist, ihr Leben zu beenden, tobt auf einmal ein Sturm und diese Ablenkung nutzt Philip (Logan Marshall-Green), um seine Tochter Vee zu entführen. Lou hilft Hannah notgedrungen, muss sich dabei auch ihrer Vergangenheit stellen.

Kritik

Allison Janney bringe ich dank Serien wie "Mr. Sunshine" und "Mom" sowie Filmen wie "Tammy - Voll abgefahren" und "Duff - Hast Du keine, bist Du eine!" vor allem mit Comedy in Verbindung. Das ist durchaus seltsam, wenn man sich ihr Portfolio anschaut, denn sie ist in Comedy und Drama gleichermaßen zuhause. Gerade im Letzteren haben ihre Beiträge bei "The West Wing - Im Zentrum der Macht", "Masters of Sex" oder "Tonya" deutlich gezeigt, dass sie ganz oben mitspielen kann. Dennoch muss es nicht Schlechtes sein, sie vor allem mit Lachen in Verbindung zu bringen, denn gleichzeitig hat man bei ihr ja auch nie Zweifel, dass sie in einem Drama nicht bestehen könnte. Genauso ging es mir bei der Netflix-Neuerscheinung "Lou", die für Janney dennoch auch eine neue Herausforderung war. Denn Drama, ja, aber Action? Die Schauspielerin hat verlauten lassen, dass sie dieses Filmprojekt auch besonders gereizt hat, weil man Frauen in ihrem Alter viel zu selten in solchen Rollen sieht. Da stimme ich absolut zu, weswegen ich ihre Begeisterung auch nachvollziehen kann, zumal sich diese Einstellung auch auf den Film niedergeschlagen hat, denn es ist trotz einer Hauptrolle, die eigentlich mit dem Leben abgeschlossen hat, eine sehr zähe und leidenschaftliche Rolle, in der man Janney gerne zusieht.

Janney hat für "Lou" noch eine weitere tolle Darstellerin an die Seite gestellt bekommen, nämlich Jurnee Smollett, die den Film genauso mitträgt. Die beiden in diesen starken Frauenrollen zusammenzubringen, ist auch so gelungen, weil sie eigentlich nicht unterschiedlicher sein könnten, aber gleichzeitig eben doch von sehr ähnlichen Dingen angetrieben sind, die sie über gewisse zumutbare Grenzen hinaustreten lassen. Die Dynamik ist von Anfang an von Misstrauen und Abstand geprägt, doch als sie sich dann für Hannahs Tochter Vee zusammenschließen, da kann Lou noch so oft sagen, dass sie sie zurücklassen wird, wenn sie nicht mithalten kann, aber es ist vollkommen klar, das wird sie nicht tun. In dem Sinne steht Hannah zunächst ganz alleine für Empathie, während Lou viel zu eigenbrötlerisch daherkommt und eigentlich nur Hund Jax ihr Freund ist. Aber die beiden Frauen haben beide schreckliche Dinge erlebt, sie sind damit unterschiedlich umgegangen und doch braucht es beide Eigenschaften, um dieses Abenteuer zu überstehen. Besonders prägnant war das an in einer Szene, als Lou einen gefährlichen Weg vorschlägt und sich mit ihrer Arthritis in den Händen selbst eine Falle stellt und auch Hannah, denn sie stürzen beide. Hannah ist es dann, die Lou wieder aufhilft, die von ihr zum Dank aber weggestoßen wird. Es ist sinnbildlich für die beiden, die man sich wohl nie Arm in Arm vorstellen könnte, aber ohne einander hätten sie wohl beide nicht überlebt. Die beiden zusammen sind wirklich das Highlight des Films, auch weil Janney und Smollett es eben mit purer Lust am Schauspielen füllen.

Der Film besteht aber leider nicht nur aus ihnen und damit wären wir bei den schwächeren Aspekten des Films. Während ich auch noch Logan Marshall-Green gerne schauspielerisch positiv hervorhebe, weil er den Army-Veteranen, der hochprofessionell ausgebildet, aber sich am Rande des Wahnsinns befindet, glaubwürdig spielt. Man merkt seine Liebe für Vee, aber gleichzeitig macht er ihr auch mit seinen ganzen Handlungen Angst, was schnell belegt, dass er sich aus vielerlei Gründen nicht als aktiver Vater eignet. Mit ihm ist aber ein wichtiger Teil des Drehbuchs verbunden. Der Film weist einen sicherlich gelungenen inhaltlichen Wendepunkt auf. Für den wurden zwar vorher Brotkrumen gestreut, aber ich fand eben Janney in den Actionszenen so genial, dass mein Geist weniger auf Spekulationen aus war, zumal ich eh davon ausgegangen bin, dass es mehr um die Action an sich geht und wie Lou und Hannah Philip gestellt bekommen. Dementsprechend hat es mich kalt erwischt. Wie gesagt die Idee dafür hat mir auch gefallen, aber alles in allem würde ich sagen, dass dieses Überraschungsmoment zu lange aufgeschoben wurde, denn er konnte inhaltlich nicht mehr wirklich sinnig genutzt wurden. Die Enthüllung hat viel Potenzial für Charakterarbeit ermöglicht, die dann aber wiederum für Action auf der Strecke bleibt. Speziell aus Lou ist dann definitiv nicht das Maximum herausgeholt worden, was dann sicherlich besonders schade ist, weil es völlig außer Frage steht, dass Janney diesen emotional herausfordernden Teil auch noch gemeistert hätte.

Insgesamt ist "Lou" ein spannender Film geworden, dem man auch die anfänglichen kleineren Längeren verzeiht, der dann aber irgendwann ein Fass aufmacht, speziell auch auf die CIA-Vergangenheit bezogen, ohne diesen Inhalt aber für sich zu nutzen. Ein paar Montagen, die die Vergangenheit darstellen sollten, waren dann auch eher nichtssagend, denn sie sind nur ergänzend zu dem, was wir gerade in der Gegenwart erfahren haben. Aber eine Perspektive in Lous Innenleben wird nicht gewährt. Dabei ist es bei Spionageserien doch immer besonders spannend, wie diese Menschen immer wieder in ein neues Leben schlüpfen, ohne aber wirklich ein eigenes haben zu dürfen. Was macht das mit einem Menschen? Vielleicht bin ich hier psychologisch zu sehr interessiert und stelle auch absurde Forderungen an den Film. Aber letztlich wurde speziell an Hannah, die ihre Vergangenheit in einer gewalttätigen Ehe reflektiert, gezeigt, dass der Film solchen Innenleben nicht per se ausweichen wollte.

Fazit

"Lou" zeigt eine ganz neue Seite von Allison Janney, denn wir haben eine neue Action-Queen! Ich habe sie wirklich gerne in dieser Rolle gesehen, auch wenn das Drehbuch leider nicht alles aus ihren Möglichkeiten herausholt. Das passt auch zum Gesamteindruck, überall tolle Schauspielleistung, aber letztlich hätte man sich die Action, die den Film stetig antreibt, gerne im Gleichgewicht zur emotionalen Aufarbeitung gewünscht.

Zum Netflix-Special auf myFanbase

Lena Donth - myFanbase
28.09.2022

Diskussion zu diesem Film