Bewertung
Augustine Frizzell

Eine Handvoll Worte

Foto: Eine Handvoll Worte - Copyright: 2021 Netflix, Inc.
Eine Handvoll Worte
© 2021 Netflix, Inc.

Inhalt

In der Gegenwart soll die ehrgeizige Journalistin Ellie (Felicity Jones) einen Artikel schreiben und stößt zufällig auf herzzerreißende Liebesbriefe aus dem Jahr 1965. Sie will unbedingt mehr darüber wissen und begibt sich so auf die Spuren der tragischen Liebesgeschichte zwischen Jennifer Stirling (Shailene Woodley) und Anthony O'Hare (Callum Turner). Hilfe bekommt Ellie dabei von Archivar Rory (Nabhaan Rizwan) und ehe sie sich versieht, muss sie über ihre eigene Vorstellung einer Liebesgeschichte nachdenken.

Kritik

Nachdem im Jahr 2016 die Verfilmung von Jojo Moyes' Bestseller "Ein ganzes halbes Jahr" (Original: "Me Before You") mit Emilia Clarke und Sam Claflin in den Hauptrollen ein riesiger Erfolg geworden ist, ist es eigentlich verwunderlich, dass seitdem kein weiterer Roman der ergiebigen britischen Autorin verfilmt worden ist. Nun ist es fünf Jahre später mit Unterstützung von Streamingdienst Netflix so weit gewesen, denn es ist "Eine Handvoll Worte" (Original: "The Last Letter From Your Lover") filmisch inszeniert worden. Entscheidende Triebfedern bei dieser Adaption waren offenbar auch die beiden weiblichen Hauptdarstellerinnen, Shailene Woodley und Felicity Jones, die nicht nur vor der Kamera agiert haben, sondern sich auch als Produzentinnen an der Entwicklung beteiligt haben. Kein Wunder könnte man sagen, denn sie sind definitiv Dreh- und Angelpunkt, denn es geht inhaltlich um die Geschichte zweier Frauen, die sich dem Leben selbstbewusst stellen und sich dabei vor allem der Frage stellen müssen, wie Liebe für sie konkret aussieht.

"Eine Handvoll Worte" wird auf zwei Zeitebenen erzählt. Auf der einen Seite haben wir Jenny (Woodley), die in einer unglücklichen Ehe mit ihrem Mann Lawrence (Joe Alwyn) lebt. Diese Handlung spielt in London und der Riviera der 1960er Jahre. In der Gegenwart wiederum haben wir die Journalistin Ellie (Jones), die gemeinsam mit dem Archivar Rory (Rizwan) auf deren Geschichte aufmerksam wird. Je näher die beiden der unglücklichen Liebesgeschichte von Jenny kommen, desto mehr verdichtet sich die Erzählung auch in der entsprechenden Zeitebene, wo die verheiratete Frau mit Anthony (Turner) ihre große Liebe trifft. Den ganzen Film über wechseln sich die beiden Zeitebenen ab. Auch wenn es nur bedingt gelingt, eine deutliche Verbindung dazwischen herzustellen, so finde ich aber keinesfalls, dass der Film zu kompliziert ist. Optisch, atmosphärisch und stilistisch ist es jedenfalls sehr gut gelungen, die beiden Zeitepochen voneinander abzugrenzen, so dass dementsprechend alle Orientierungshilfen gegeben sind. Zwar wird innerhalb der Zeitebene der Vergangenheit noch einmal zwischen vor und nach dem Unfall aufgeteilt, aber auch hier wird der Zuschauer oder die Zuschauerin mit eindeutigen Hinweisen versorgt.

Was mir speziell an diesem Film gefallen hat, ist im ersten Abschnitt der Kritik wahrscheinlich schon angeklungen, denn beide Frauengestalten, sei es Jenny oder sei es Ellie, werden sehr stark und überzeugend dargestellt. Sie haben ohne Frage auch ihre Schwächen und Unsicherheiten, aber sie gehen mit offenem Herzen durch das Leben und kämpfen für das, woran sie glauben. Bei Jenny ist das sicherlich sogar als besonders zu bezeichnen, denn immerhin spielt sich das Geschehen hier in den 1960er Jahren ab und sie hat in eine reiche Geschäftsfamilie eingeheiratet, wo es viel um Repräsentation und Ansehen geht. Das lässt normalerweise nur wenig Raum zu individuellen Entfaltung. Man erlebt auch immer wieder, wie Lawrence Jenny zurechtweist, weil er ihr als Frau eigentlich gar keine eigene Meinung zugesteht und dennoch bewahrt sie sich – trotz des öffentlichen Tadels – ihren eigenen Kopf. Ein Paradebeispiel ist sicherlich auch, wie Jenny mit dem Journalisten Anthony in Kontakt kommt, denn er lässt kein gutes Haar an Lawrence und sie steht mit einer flammenden Rede für ihn ein und zeigt ihm fortan die kalte Schulter. Erst nach und nach lässt Jenny ihr Visier wieder fallen, aber auch in der letztlichen Affäre mit Anthony beweist sie immer wieder ihre Eigenständigkeit, zumal sie bei ihm auch einfach sie selbst sein darf. Ellie wiederum kommt aus der Moderne; sie hat es folglich in vielen Aspekten einfacher und dennoch ist auch ihre eigene Linie wahrlich nicht selbstverständlich. Sie lebt eben vor allem davon, dass sie wissbegierig, beharrlich und dabei unheimlich charmant ist.

Da "Eine Handvoll Worte" gleich zwei Liebesgeschichten abbildet, war es mir auch sehr wichtig, dass es gelungen ist, beiden einen ganz eigenen Charakter zu verpassen. Die gemeinsame Geschichte von Jenny und Anthony war klassisch romantisch, denn gerade die ganzen tiefsinnigen Briefe, die sich austauschen, sprechen von brennender Leidenschaft und doch stets zurückhaltendem Anstand. Bei Ellie und Roy wiederum ist es so, dass sie gemeinsam deutlich weniger Screentime bekommen, es kann also unmöglich eine verzehrende Liebe zwischen ihnen abgebildet worden, aber auch so hat sie den modernen Touch, den man inzwischen in vielen Liebesfilmen und Liebeskomödien findet. So ist es ein Running Gag des Films, dass das Archiv starre Standards hat, die Ellie mit ihrer Spontanität immer auflaufen lassen. Sie und Rory, der im Archiv nicht nur arbeitet, sondern auch ein charakterliches Sinnbild davon ist, stoßen damit immer wieder frontal aufeinander, aber aus provozierenden Dialogen und Gesten wird allmählich das Interesse füreinander geweckt. Dabei kommt dann hinzu, dass Ellie als moderne Frau sich nicht binden muss und wegen vergangener brutaler Erfahrungen auch sehr unsicher ist, wie sie sich die Liebe in ihrem Leben überhaupt noch vorstellt. Da ist es hilfreich für sie, Zeugin einer epischen Liebesgeschichte zu werden, ohne aber dass ihre Geschichte dann zwangsweise nur so verlaufen kann. Dementsprechend war in "Eine Handvoll Worte" wirklich für alle Geschmäcker etwas dabei.

Nun habe ich so von den Frauen in diesem Film geschwärmt, dass man meinen könnte, die Männer wären nur schmückendes Beiwerk gewesen. Aber es geht eben um Liebe, wo sie natürlich automatisch gleichwertige Gegenstücke sind. Sowohl Anthony als auch Rory, die auch nicht unterschiedlicher sein könnten, haben etwas für sich und beiden Schauspielpaaren kann man auch die benötigte Chemie nicht absprechen. Insgesamt mag man von dem Film inhaltlich sicherlich keine Komplexität erwarten, ja, er ist sogar sehr oft sehr vorhersehbar, aber es ist ein Liebesfilm, der träumen lassen soll, der berühren vermag und der damit schlichtweg fürs Herz ist. "Eine Handvoll Worte" kann diese Aufgabe definitiv erfüllen, wenn der Film auch nicht ganz die emotionale Wucht von "Ein ganzes halbes Jahr" erreicht.

Fazit

Mit "Eine Handvoll Worte" ist nun die zweite Verfilmung eines Bestsellers von der britischen Autorin Jojo Moyes erschienen. Auf zwei Zeitebenen werden hier für das jeweilige Jahrzehnt sehr passende Liebesgeschichten erzählt, die auch jeweils von starken Frauenfiguren leben. Eine etwas fehlende Komplexität in der Handlung wird durch viel Gefühl ausgeglichen. Der Film passt so mit seiner leichten Unterhaltung perfekt auf die Jahreszeit Sommer!

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Lena Donth - myFanbase
26.07.2021

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