Bewertung
Joe Mantello

Boys in the Band, The

Foto: The Boys in the Band - Copyright: 2020 Netflix, Inc.; Scott Everett White/Netflix
The Boys in the Band
© 2020 Netflix, Inc.; Scott Everett White/Netflix

Inhalt

1968 findet in New York eine Geburtstagsfeier unter schwulen Freunden statt. Als ein überraschender Gast auftaucht, führen dieser und ein Spiel im betrunkenen Zustand zur Aufdeckung von unausgesprochenen Gefühlen und vergrabenen Wahrheiten.

Kritik

"The Boys in the Band" wurde von Mart Crowley im Jahr 1968 für die Theaterbühne geschrieben und wurde 1970 erstmals unter dem Titel "Die Harten und die Zarten" verfilmt. Lange ist das Stück danach in der Versenkung verschwunden, bis der bekannte TV-Produzent Ryan Murphy dieses wieder für eine Aufführung am Broadway fit gemacht hat, wofür er einen Cast vollständig mit offen schwulen Schauspielern zusammengestellt hat, so dass 2018 Premiere gefeiert werden konnte. Da nun vermehrt ein Trend entsteht, Broadwaystücke zu verfilmen, wie es bereits mit "American Son" für Netflix passiert ist, hat Murphy diese Idee auch in Angriff genommen und zwar ebenfalls bei Netflix, wo er einen Produktionsdeal abgeschlossen hat. Für die Filmversion hat er denselben Cast noch einmal gewinnen können, so dass zahlreiche große TV-Namen wie Jim Parsons, Matt Bomer, Zachary Quinto, Andrew Rannells, aber auch unbekanntere Schauspieler zu bewundern sind.

Trotz der großen Namen ist es mir persönlich sehr schwer gefallen, in den Film hineinzufinden. Die Grundhandlung des Films war zwar klar und trotzdem bemüht man sich kaum bis gar nicht, in die Umstände einzuführen. Natürlich ist mir bewusst, dass es Teil des Erzählstils ist, manche Zusammenhänge, vor allem in den Beziehungen der Charaktere zueinander, erst nach und nach zu begreifen, aber ich hätte mir dennoch eine bessere Grundlage gewünscht, um direkt voll miteinsteigen zu können. In dem etwas chaotisch wirkenden Setting war es mir dann leider auch nicht möglich, mich eines sehr stereotypen ersten Gesamteindrucks zu erwehren. Alleine der erste Dialog zwischen Michael (Parsons) und Donald (Bomer) war gespickt mit zahlreichen Wortsalven, bei denen man gar nicht richtig Luft holen konnte geschweige denn sie inhaltlich verarbeiten zu können, bis es schon wieder weiter ging. Diese Stilistik begleitet den Film etwa ein Drittel lang und wenn dann nach und nach die Charaktere zu der Feier zusammenkommen, wird es durch die Dialoglastigkeit nur noch komplizierter, weil man oft nicht schnell zuordnen kann, wer gerade mit wem gesprochen hat.

Während dieses erste Drittel mich oft hat denken lassen, dass ich vielleicht doch besser abschalten könnte, bin ich im Nachhinein froh, dass ich durchgehalten habe, denn irgendwann beginnt die tatsächliche inhaltliche Bedeutung des Films zu wirken und sicherlich auch der Anteil, für den Film selbst hauptsächlich stehen will. Mit dem Aufeinandertreffen des überraschenden Gastes Alan (Brian Hutchinson), vom dem Michael vermutet, dass er homosexuell ist, und seinen ganzen homosexuellen Freunden, beginnt eine inhaltliche Auseinandersetzung mit Homophobie, aber vor allem auch mit Selbsthass von Schwulen, was man vor allem vor dem Hintergrund des Jahres sehen muss, in dem dieser Film spielt. In unserer jetzigen Zeit können wir von Homophobie immer noch ein Lied singen, aber dennoch muss man auch eingestehen, dass man heute für die LGBTQ-Community fast schon von Luxus sprechen kann, auch wenn es für Betroffene höhnisch klingen mag.

Als Michael vorschlägt, ein Spiel zu spielen, bei dem jeder Spieler eine Person anrufen soll, die er wirklich geliebt hat, kommt spätestens alles an unterdrückten Gefühlen und unausgesprochenen Disputen auf den Tisch. Nach und nach wird bei den einzelnen Figuren nun sehr tief gegangen und es kommen sehr tragische erste Liebesgeschichten auf den Tisch, die auch noch Jahre danach nachhallen und für die es dem Zuschauer das Herz bricht, wenn er die betroffene Figur auch noch in der Gegenwart leiden sieht. Nach und nach schaukeln sich die Ereignisse hoch, zwar auch mit kleineren positiven Annäherungen, aber letztlich hinterlässt Michael mit seinem Spiel einen seelischen Scherbenhaufen bei allen Beteiligten. Es erinnert ein wenig an typische Dramen, wo die Familie zusammenkommt, so dass sich zahlreiche Konflikte entladen, nur dass hier eben mit Themen der LGBTQ-Community gearbeitet wird. Auch wenn die Idee hinter "The Boys in the Band" bekannt wirkt, so büßt das aber nichts an der Emotionalität ein, die der Zuschauer spätestens mit der Schlusssequenz tief in sich drin spürt, denn man würde allen ein Happy End gönnen.

Auch wenn der Film über ein großes und - wie bereits betont - begabtes Ensemble verfügt, so muss ich doch eingestehen, dass es eine Showbühne vor allem für Parsons ist. Um diesen als Michael spinnen sich alle Konflikte, die letztlich auf den Tisch kommen und er ist sogar derjenige, der alles forciert, denn sein Hass auf das, was er ist, entlädt sich immer wieder und er kann es nicht ertragen, wenn andere Homosexuelle völlig mit sich im Gleichgewicht leben können. Er provoziert, er verletzt, er schreit, er weint, es ist ohne Frage eine Achterbahn der Gefühle mit ihm, aber eine, die mitreißt, weil man nur erahnen kann, was in ihm vorgeht. Parsons hat sich ohne Frage in diese Rolle reingefressen und ist definitiv beeindruckend, wie er ähnlich illustre Namen damit völlig in die Tasche steckt.

Fazit

"The Boys in the Band" mag im ersten Drittel noch überfordernd wirken, nicht zuletzt durch die immense Dialogdichte, die stakkatoartig rausgehauen wird, aber anschließend wird diese dichte Erzählweise zum Trumpf. Dafür war es aber auch nötig, von einer oberflächlichen Beschauung abzusehen und dafür in die Tiefe der Charaktere zu gehen, wodurch die verschiedenen Erfahrungen von Mitgliedern der LGBTQ-Community eindrucksvoll und mitreißend transportiert werden konnte. In einem wirklich beeindruckenden Cast sticht Parsons als Michael dennoch heraus, denn er ist der, dessen Schauspiel man sich nicht eine Sekunde entziehen kann.

Lena Donth - myFanbase
13.10.2020

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