Bewertung
Kenny Leon

American Son

Foto: American Son - Copyright: Netflix, Inc.
American Son
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Inhalt

Besorgt sucht Kendra Ellis-Connor (Kerry Washington) eine Polizeistation in Miami auf, da ihr 18-jähriger Sohn Jamal in der Nacht nicht nach Hause zurückgekehrt ist und auch nicht erreichbar ist, was sehr ungewöhnlich für ihn ist. Kendra wird von Officer Paul Larkin (Jeremy Jordan) befragt und sie bekommt den Eindruck, dass ihrem Sohn aufgrund seiner schwarzen Hautfarbe die Zugehörigkeit zu einer Gang und mögliche Vorstrafen angedichtet werden. Als der von ihr getrennt lebende Ehemann Scott (Steven Pasquale) auftaucht, der im Übrigen weiß ist, entwickelt sich eine Diskussion rund um Rasse, Gender und Klassenzugehörigkeit in polizeilichen Vorgängen.

Kritik

"American Son" ist eigentlich ein Broadwaystück, das 2018 Premiere feierte, exakt mit dem Cast, mit dem es nun auch verfilmt wurde und wofür sich Netflix die Streamingrechte gesichert hat. Dies ist wichtig zu wissen, weil es einiges über die Inszenierung dieses intensiven Films verrät. Die Handlung spielt nämlich nahezu ausschließlich im Eingangsbereich einer Polizeiwache, wo sich dann das Drama um den verschwundenen Sohn einer afroamerikanischen Frau entwickelt. Da es bei diesem Film nicht um berauschende Bilder, spannende Handlungen oder dergleichen geht, zeigt sich schnell, dass es hier um Dialoge und vor allem schauspielerische Leistung geht, denn in diesem minimalistischen Aufbau muss jede Gestik und Mimik sitzen.

Mit dem Cast hat man aber gute Voraussetzungen geschaffen. Vor allem natürlich mit Kerry Washington ("Scandal"), die ich sehr bewundere und die die verzweifelte Mutter sehr intensiv darstellt. Am meisten interagiert sie mit Jeremy Jordan ("Supergirl"), der sich als Polizist ihrer Sorgen annehmen muss, den Fall aber runterspielt, weil er dem Sohn kriminelle Aktivitäten unterstellt und sie daher eher vertrösten will. Es war interessant Jordan mal in so einer ernsten Rolle zu erleben, da er in "Supergirl" zwar auch mal emotional agieren durfte, aber vor allem für den Humor zuständig war. Er spielt die verschiedenen Facetten des Polizisten ebenfalls sehr gut und vor allem, wenn er mit Washingtons Kendra nahezu Nasenspitze an Nasenspitze steht, zeigt sich, dass er problemlos mithalten kann. Komplementiert wird der Cast durch Steven Pasquale ("American Crime Story") und Eugene Lee. Also auch hier Minimalismus, aber für die Handlung dieses Films ist auch nicht mehr nötig.

Thematisch werden all die Themen aufgegriffen, die vor allem die Gesellschaft in den USA im letzten Jahrzehnt stark geprägt hat. Das ist Rassendiskriminierung und Gewalt der Polizei der schwarzen Bevölkerung gegenüber. Das Ganze wird in diesem Film dadurch auf die Spitze getrieben, dass der Vater des vermissten jungen Mannes ein Weißer ist und dass es die Intensität der Ermittlungen radikal ändert, als dieser Umstand publik wird. Es war definitiv der größte Kniff in diesem Film, der Rest ist aber leider sehr vorhersehbar. Hier werden all die Argumente aneinandergereiht, die man zu den gesellschaftspolitischen Themen in den USA ohnehin immer hört. Da die Handlung räumlich begrenzt ist, gibt es keine Möglichkeiten, sich an anderer Stelle neu zu erfinden, so muss man eben mit der Polizeiwache Vorlieb nehmen, in der die Schlacht der Argumentation aber aneinandergereiht wirkt. Es ist klar, dass dieses Thema wichtig ist, aber es wird keine sinnvolle Auseinandersetzung in Gang setzen, wenn es so mechanisch daherkommt.

Schauspielerisch hat man definitiv das Beste herausholen können, aber ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass der eher maue Inhalt auf der Theaterbühne besser rüberzukommen weiß. Für die filmische Version wird viel geschnitten worden sein, auch wenn es natürlich wie aus einem Guss wirkt. Aber im Theater gibt es keinen Schnitt, da es geht noch mehr um rohe Emotionen und so wird die Schauspielleistung dort den Rest deutlich besser ausgleichen können.

Fazit

"American Son" ist für Netflix ein wahrlich ungewöhnlicher Film, aber es ist sicherlich nicht verkehrt, für das Theater inszenierte Stücke eine gänzlich andere Bühne zu bieten. Absolute Werbung war diese Umsetzung jetzt noch nicht. Schauspielerisch wurde alles herausgeholt, aber in der minimalistischen Inszenierung fällt schnell auf, dass aus dem thematisch wichtigen Inhalt eine mechanische Angelegenheit gemacht wurde.

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Lena Donth - myFanbase
25.01.2020

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