Lovelace
"Ich habe genau siebzehn Tage in der Pornoindustrie verbracht und offenbar definieren mich diese siebzehn Tage für den Rest meines Lebens."
Inhalt
In den 70er Jahren: Die streng erzogene Linda Boreman (Amanda Seyfried) hätte sich wohl nie träumen lassen, dass aus ihr einmal ein Pornostar werden würde. Dabei fängt alles ganz harmlos an: Infolge eines spontanen Mädelsabends mit ihrer besten Freundin Patsy (Juno Temple) trifft sie nach einem Konzert auf den charmanten Chuck Traynor (Peter Sarsgaard). Nicht völlig uneigennützig macht er aus ihr eine talentierte Liebhaberin und steckt ihr nur wenige Zeit später einen Ring an den Finger. Dann ganz plötzlich fallen die Masken und Chuck offenbart Linda seine Pläne. Schon bald findet sich die 21-jährige bei einem Casting für den Hardcore-Sexfilm "Deep Throat" wieder. Sie bekommt die Rolle. Von nun an trifft sie auf bekannte Gesichter wie Hugh Hefner (James Franco) und wird scheinbar über Nacht zum Pornostar. Was niemand ahnt: Linda zieht nicht ganz freiwillig vor der Kamera blank. In der Autobiografie "Ordeal" (übersetzt: Martyrium) verarbeitet sie schließlich ihre Erfahrungen und geht damit an die Öffentlichkeit.
Kritik
Sex sells! Dieses Motto scheint nicht aus der Mode zu kommen. Heutzutage werden die "Fifty Shades of Grey"-Romane als die erotische Bibel schlechthin bezeichnet und die nackten Tatsachen bald auf der großen Kinoleinwand zu sehen sein. In den 70er Jahren war es der umstrittene Pornostreifen "Deep Throat", der die breite Masse in die Lichtspielhäuser lockte und insbesondere durch die spätere Biografie "Ordeal" (in der deutschen Version "Ich packe aus") seiner mittlerweile verstorbenen Hauptdarstellerin Linda Lovelace für reichlich Gesprächsstoff sorgte. Und wahrlich, auch die durch das Buch inspirierte Filmografie "Lovelace", inszeniert von den Regisseuren Rob Epstein und Jeffrey Friedman, bietet durchaus guten Diskussionsstoff, rückt seine Verfasserin aber nicht unbedingt in ein gut verständliches Licht. Das Zitat einer Leserin trifft den Nagel in den letzten Filmminuten doch ziemlich trefflich auf den Kopf, indem sie gesteht: "Linda, ich habe ihr Buch gelesen und ich kann kaum nachvollziehen, was sie getan haben."
Das stellenweise Unverständnis lässt sich dabei nicht einmal unbedingt in den Bekenntnissen der Linda "Lovelace" ergründen, sondern darf vielmehr der oberflächlichen Charakterzeichnung und einer schnelllebigen Erzählweise zulasten gelegt werden. Das beginnt bereits mit dem Kennenlernen von Linda und ihrem baldigen Ehemann Chuck Traynor. Man begegnet sich bei einem Konzert, kommt ins Gespräch, findet sich wenige Filmminuten später in Lindas Elternhaus wieder, vergnügt sich in der dortigen Küche und fragt sich als Beobachter unweigerlich: Wer ist dieser Chuck eigentlich? Und warum lässt Linda sich das alles überhaupt gefallen? Dauert es doch nicht lange und Chuck verlangt von seiner Frau das Unfassbare: Um der Schuldenfalle zu entrinnen, soll Linda für den Sexfilm "Deep Throat" vorsprechen. Sie tut es und bekommt den Job schließlich aufgrund ihres zungenfertigen Talents zugesprochen, das sie ihrem im Bett engagierten Gatten zu verdanken hat. Es folgt eine steile Karriere im Pornohimmel, die unübersehbar Geschichte schreibt, allerdings nur die Taschen der Filmemacher mit weltweiten Millioneneinnahmen füllt.
Indes gibt Amanda Seyfried keine schlechte Figur ab. Wenn sie als brünetter Engel mit Sommersprossen in die Kamera blickt und einem Reh im Scheinwerferlicht gleicht, kommen sie ganz selten auf, die Augenblicke, in denen man ihr mitleidig in die Augen schaut und hofft, dass sich das Licht am Ende des pornografischen Tunnels endlich in Sichtweite begibt. Langsam scheint sich das Bild eines naiven Mauerblümchens zu verflüchtigen, das stetig aufblüht und den Sex in all seiner Verruchtheit zu genießen beginnt, charakterlich betrachtet jedoch ziemlich welke Blätter mit sich herumträgt. Eine entschiedene Wendung bringt schließlich ein Twist in der Halbspielzeit, der das bis dato Gesehene noch einmal ordentlich auf den Kopf stellt und den leisen Verdacht - eingestreut durch kleine Hinweise - bestätigt.
Plötzlich offenbart sich eine Lawine aus Sex, Drogen, Zwangsprostitution und häuslicher Gewalt, aus dem es für Linda augenscheinlich keinen Ausweg gibt. Oder doch? Das mag sicherlich im Auge des Betrachters liegen. Denn obwohl Seyfried sich sichtlich bemüht, bleibt die Film-Linda bis kurz vor dem Abspann irgendwie ein Mysterium. Lindas Handlungen wirken überwiegend passiv und widersprechen dem Bild der heutigen, emanzipierten Frau, obgleich sie sich in ihrer sexuellen Blütezeit befindet und sich letztlich gegen die Pornoindustrie ausspricht. Sicherlich, die Zeit war eine andere. Dennoch, durch den nüchternen wie sprunghaften Erzählstil gehen leider genau jene bedeutungsvolle Momenten verloren, in denen Linda zu ihrer Stärke findet und ein Vorbild für andere Frauen sein möchte. Die einzelnen Lebensabschnitte rasen im Eiltempo vorbei und geben kaum Gelegenheit für tiefere Einblicke in die Welt der Pornoindustrie aus Schein und Sein. Und so darf man sich mit ein paar 08/15-Sprüchen wie "Aus dir wird ein Star" oder platten Film-in-Film-Dialogen à la "Ihre Klitoris, sie sitzt da unten in ihrem Hals" begnügen.
Emotional geht das nur wenig unter die Haut, ausgenommen von kleinen Ausnahmen, wenn Linda zum Beispiel mit ihrem besorgten Filmvater (Robert Patrick) telefoniert und dieser unter Tränen gesteht, dass er "Deep Throat" gesehen hat. Für weitere aufrüttelnde Höhepunkte sorgen dann unter anderem Sharon Stone und Peter Sarsgaard. Während die kaum wiederzuerkennende Stone vollkommen in ihrer Darbietung der streng gläubigen Hausfrau und Mutter mit Lockenwicklern in den Haaren aufgeht und in einer Situation nicht nur die verzweifelte Linda für den Bruchteil einer Sekunde schockiert, ist es vor allem Sarsgaard, der in all seiner krankhaften Liebe und zerstörerischen Brutalität in Erinnerung bleibt. Fragen nach dem Warum sollte man sich allerdings nicht stellen. Etwa warum Chuck schlagartig derart kaltblütig und unberechenbar seiner Frau gegenüber geworden ist. Chuck ist einfach Chuck und scheint sich selbst im realen Leben, glaubt man den Worten im Abspann, bis zu seinem Tod nicht geändert zu haben.
In weiteren, nicht unbedingt herausragenden Nebenrollen zu sehen sind u.a. James Franco (in einem Miniauftritt als Playboy Hugh Hefner), "O.C., California"-Star Adam Brody (als Pornodarsteller Harry Reems) und "Sex and the City"-Darsteller Chris Noth als zwielichtiger Retter in der Not. Dieses Startaufgebot wertet den Film durchaus auf, kann aber unterm Strich nicht darüber hinwegtäuschen, dass "Lovelace" mehr hätte sein können, als ein seichter Unterhaltungsfilm, der nie den Weg in die deutschen Kinos gefunden hat. Optisch wiederum wartet "Lovelace" mit vielfältigen Outfits und Frisuren auf, ganz im Flair der 70er Jahre, was durchaus seinen Charme hat.
Fazit
Insgesamt ein doch eher einseitig skizziertes Portrait der einstigen Pornoqueen Linda Lovelace. Obwohl das Drehbuch einen guten Dramaanteil bietet und das Biopic sich vor allem in den Film-in-Film-Momenten nicht allzu ernst nimmt, weiß man am Ende doch nicht so recht, was "Lovelace" eigentlich sein möchte. Verfestigt sich in der ersten Filmhälfte unaufhaltsam das Bild eines naiven Kleinstadtmädchens, das in die Welt des Pornogeschäfts schlittert, überrascht ein geschickt eingestreuter Perspektivenwechsel in der Halbspielzeit und sorgt damit doch noch für emotionale Höhepunkte. Ein bisschen mehr "Deep" in puncto Charaktertiefe und Plot hätte dem Film aber ganz sicher nicht geschadet!
Doreen B. - myFanbase
11.01.2014
Diskussion zu diesem Film
Weitere Informationen
Originaltitel: LovelaceVeröffentlichungsdatum (DE): 09.08.2013
Länge: 93 Minuten
Regisseur: Rob Epstein, Jeffrey Friedman
Drehbuchautor: Andy Belling
Genre: Dokumentation, Drama
Darsteller/Charaktere
Amanda Seyfried
als Linda Lovelace/Boreman
Peter Sarsgaard
als Chuck Traynor
Sharon Stone
als Dorothy Boreman
Robert Patrick
als John Boreman
Juno Temple
als Patsy
Chris Noth
als Anthony Romano
Adam Brody
als Harry Reems
James Franco
als Hugh Hefner
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