Bewertung
Terrence Malick

To the Wonder

"I find two women inside me. One... full of love for you. The other... pulls me down towards the earth."

Foto: Copyright: 2013 STUDIOCANAL GmbH
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Inhalt

In Frankreich trifft Neil (Ben Affleck) Marina (Olga Kurylenko) und verliebt sich in sie. Als Neil gemeinsam mit Marina und ihrer zehnjährigen Tochter nach Oklahoma in die USA zieht, um dort ein gemeinsames Leben zu beginnen, kommt es zu ersten Brüchen in der Beziehung der beiden. Marina findet sich in ihrer neuen Umgebung ebenso wie ihre Tochter nur schwer zurecht und entfernt sich emotional zusehends von Neil. In dieser Zeit tritt Neils Jugendliebe Jane (Rachel McAdams) wieder in dessen Leben und veranlasst ihn, ihre Beziehung wieder aufleben zu lassen, während Marina die Bekanntschaft mit dem ebenfalls in seiner neuen Umgebung fremdelnden Pater Quintana (Javier Bardem) macht, der mit seiner eigenen Berufung hadert.

Kritik

Erinnert man sich an seine eigene Vergangenheit, so findet wie selbstverständlich eine Konzentration auf Schlüsselmomente statt, während banale Alltagsaktivitäten bereits im Vorfeld aussortiert und nicht mehr reflektiert werden. Man erinnert sich an Situationen, die den eigenen Charakter ganz besonders geprägt haben und ist dabei oft imstande, triviale Begleitumstände, die den jeweiligen Moment umspielen, aus der eigenen Erinnerung hervorzurufen - mal vergleichsweise realitätstreu, mal etwas verklärt. Es ist auffällig, wie man für manche Stationen in seinem Leben auch nach Jahren, die zwischen dem damaligen und dem heutigen Tag liegen, auch jetzt noch perfekt rekapitulieren kann, was eine gewisse Person getragen hat, wie das Wetter war oder allgemein, wie die Umgebung sich gestaltete. Vielleicht ist es diese selektive Wahrnehmung, die am ehesten aufgrund der Verknüpfung zum eigenen Ich einen Zugang zum neuesten Film von Terrence Malick ("The Tree of Life") schafft. Denn dessen aktuelles Werk "To the Wonder" erzählt eine Geschichte anhand bestimmter Impressionen, einzelner einprägsamer Momente und emotionaler Ausnahmesituationen. Ein Plot im klassischen Sinne in Form einer fortlaufenden Handlung ist nicht vorhanden. Die Verknüpfung der einzelnen gezeigten Szenen fehlt im Grunde komplett, sodass man diese selbst herstellen muss und hierbei zwangsläufig seine eigene Sichtweise einbringt. Malick sieht alltägliche Rituale, gewöhnliche untermenschliche Szenen oder gar so etwas wie Spannungsaufbau vielmehr als ein Interludium, das in dieser Form in seiner Nichtthematisierung interpretationsoffen und damit selbstreflexiv wirkt, was die emotionale Bindung seitens des Zuschauers stärkt.

Symptomatisch für dieses Stilmittel ist Olga Kurylenkos Figur Marina, die wie keine andere offen für die Wunder dieser Welt ist, die heutzutage kaum noch beachtet werden. Sie lässt sich noch begeistern für ihr Umfeld, die Natur und allerlei sinnliche Eindrücke. Sie erweckt durch diese erfrischend kindliche, gar naive Betrachtung ihrer Umgebung den Eindruck eines sensitiven, wahrlich aufrichtigen Lebens und animiert damit auch gleichzeitig das Publikum, es ihr gleich zu tun. Dass dies mühelos gelingt, ist der Form der Inszenierung zu verdanken. Atemberaubende Bilderwelten prasseln auf den Zuschauer ein und offenbaren unzählige wundervolle Impressionen, in die man sich sofort verliert. Die Wucht der meist von unten aufgenommenen Bilder, um die gesamte Weite des Horizonts zu nutzen, ist phänomenal und sucht in der Filmlandschaft sicherlich ihresgleichen. Ohne eine derartige Optik hätte der Film auch nur bedingt funktioniert, denn gerade diese Konzentration auf visuell überbordende Impressionen ermöglicht Parallelen zwischen dem, was die einzelnen Figuren erfahren und wie sie je nach Stimmungslage auf ihre Umwelt reagieren und was gleichermaßen die Attraktion wie Faszination für den Zuschauer ausmacht.

"To the Wonder" ist dennoch zugänglicher, als dies vielleicht "The Tree of Life" war, was darin begründet liegt, dass die einzelnen Charaktere nun stärker im Mittelpunkt stehen. Malick möchte vor allem eine Liebesgeschichte erzählen und verzichtet daher auf eine allzu ausufernde Metaphorik. Hierbei ist er manchmal jedoch nicht konsequent genug und schafft insbesondere in der zweiten Hälfte durch die Wiederholung von Emotionen und der Ähnlichkeit der Szenen, vor allem zwischen Neil und Marina, zeitweise eine Eindimensionalität und Monotonie, die dem eigentlichen Ansinnen des Films widerspricht und die Distanz des Zuschauers zu dem Gezeigten erhöht. Hier fehlt Malick manchmal das Gespür für eine gesunde Mischung aus Liebesgeschichte und impressiver Darbietung. Dennoch macht "To the Wonder" sehr viel richtig und wird insbesondere auf der großen Leinwand eine Wirkung entfalten, die es ermöglicht, über so manche kleinere Schwäche hinweg zu sehen. Denn die emotionale Wucht, die auf das Publikum herein bricht, nährt sich nicht nur aus der visuellen Überwältigung, sondern auch aus der Form, die Malick gewählt hat, um die Gedankenwelt der einzelnen Figuren zueinander zu illustrieren. Es werden extrem viele Voice-over genutzt, die die Gefühlslage von insbesondere Marina und teilweise auch Pater Quintana wiedergeben und zum großen Teil in der jeweiligen Muttersprache (Französisch für Marina und Spanisch für Quintana) geäußert werden. Diese sind nicht ansatzweise mit allzu offensichtlichen Kommentaren zu den äußeren Umständen, wie sie in zahlreichen Filmen und TV-Serien exzessiv genutzt werden, zu vergleichen, sondern sind subtil, vielschichtig und poetisch. Im gesamten Film finden Dialoge kaum statt, vielmehr findet die Interaktion der Menschen untereinander durch pointierte und unterschwellige Gefühlsäußerungen zueinander statt. Hier kann man schnell Gefahr laufen, für Langeweile zu sorgen, doch Malick hat ein Gespür dafür, was das menschliche Zusammenleben ausmacht und schafft es so auf raffinierte Art und Weise, zum Kern der Sache zu kommen.

Im Mittelpunkt von "To the Wonder" steht die Beziehung zwischen Neil und Marina, und so weisen beide auch die mit Abstand größte Präsenz innerhalb des Films auf. Entsprechend oft sind Ben Affleck und Olga Kurylenko zu sehen, sodass beiden vergleichsweise viel Gelegenheit gegeben wird, ihrem jeweiligen Charakter Leben einzuhauchen. Insbesondere Kurylenko gelingt es hierbei, die innere Aufgewühltheit in Anbetracht all der unbekannten oder ungewohnten Eindrücke, die sich durch die neue Umgebung offenbaren, überzeugend zu demonstrieren. Auch der manchmal schmale Grat zwischen ansteckender Glückseligkeit, lethargischer Traurigkeit und aufbrausender Wut wird durch sie derart überzeugend verkörpert, dass man sich nur wünschen kann, dass sie viel öfter Rollen erhält, in denen sie mehr als nur ihre eigene Attraktivität zur Schau tragen kann. Ben Affleck wiederum kommt eine ausgleichende Funktion innerhalb der Beziehung zu Marina zu, sodass er deutlich weniger emotional und manchmal distanziert wirkt. Dementsprechend sind auch seine Möglichkeiten, schauspielerisch zu glänzen, eher reduziert, auch wenn dies in Anbetracht seiner bisher manchmal durchaus bescheidenen Rollenauswahl wahrlich Jammern auf hohem Niveau ist, denn auch so kann er mehr Facetten zeigen als in vielen seiner anderen Filme, in denen er mitwirkte. Rachel McAdams als Neils Jugendliebe Jane ist vor allem im Mittelteil des Dramas zu sehen und kann ähnlich wie Kurylenko eine gewisse charakterliche Vielschichtigkeit beweisen, ist jedoch Opfer ihrer vergleichsweise geringen Verweilzeit innerhalb der Story. Javier Bardem als Pater Quintana wiederum fehlt aufgrund des geringen Anteils an Interaktionen mit den anderen leider insgesamt die Bindung zur restlichen Geschichte. Zudem hätte die innere Zerrissenheit, die Quintana ausmacht, stärker thematisiert werden können, wenn nicht sogar müssen, um dessen Mehrdimensionalität zu unterstreichen.

Fazit

"To the Wonder" ist ein filmisches Erlebnis, das man gesehen haben muss, um es greifen zu können. Doch selbst dann offenbart Malicks Nachfolger zu dessen Meisterwerk "The Tree of Life" derart viele Nuancen, dass am Ende doch jeder Einzelne selbst entscheiden muss, inwiefern dieser Film eine individuelle Relevanz besitzt. Optisch erwartungsgemäß phänomenal, durch starke schauspielerische Leistungen unterstützt und trotz mancher Längen ist "To the Wonder" als erneuter Beweis für die Vielseitigkeit des Mediums Film und durch welche verschiedenen Arten eine emotionale Verbindung zum Zuschauer entstehen kann, eine beachtenswerte Leistung eines visionären Regisseurs.

Andreas K. - myFanbase
10.05.2013

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