Bewertung
Robert Benton

Kramer gegen Kramer

There are three sides to this love story!

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Inhalt

New York, Ende der 70er: Joanna Kramer (Meryl Streep) ist am Ende mit ihren Nerven. Eines Abends stellt sie ihren Mann Ted (Dustin Hoffman) vor vollendete Tatsachen und verschwindet spurlos. Nun ist es an Ted, ihrem kleinen Sohn Billy (Henry James) die neue Situation zu erklären und damit umzugehen. War er zuvor ein typischer Workaholic und kaum in das Familienleben eingebunden, muss er sich nun gleichzeitig in seiner neuen Position am Arbeitsplatz und bei seinem Sohn bewähren. Doch mit der Zeit spielen sich die beiden ein und entwickeln eine echte Vater-Sohn-Beziehung.

Es vergeht über ein Jahr, als Joanna auf einmal wieder auftaucht. Sie ist zurückgekehrt und beansprucht nun das Sorgerecht für Billy.

Kritik

Zwei Menschen verlieben sich ineinander, die Verlobung wird verkündet, die Hochzeit wird gefeiert und schließlich wird vor dem Richter um die Kinder und den Besitz gestritten. Am eindrucksvollsten haben diesen Weg wohl Michael Douglas und Kathleen Turner in „Der Rosenkrieg“ gezeigt, in dem sich keiner was geschenkt hat und um alles erbittert gekämpft wurde. „Kramer gegen Kramer“ hingegen befasst sich aus einem völlig anderen Blickwinkel mit dem Thema Scheidung: aus dem des kleinen Sohnes Billy.

Schon die allererste Szene des Films ist rührend: Joanna sitzt am Bett ihres Sohnes und verabschiedet sich von ihm. Der Kleine befindet sich aber schon längst auf dem Weg Richtung Traumland und bekommt diesen für lange Zeit letzten Moment mit seiner Mutter gar nicht mit. Man sieht, wie schwer es Joanna fällt, ihren kleinen Billy zu verlassen und fragt sich, wie schrecklich ihre Ehe gewesen sein muss, damit sie diesen Schritt macht. Auch die nächste Szene hat es in sich: Ted kommt nach Hause und wird dort von Joanna vor vollendete Tatsachen gestellt. Der Versuch, sie zurückzuhalten, ist wohl eine der besten Szenen des Films des Gespanns Hoffman/Streep: Sie, die fast schon Angst vor ihrem eigenen Ehemann hat (oder davor, doch einen Rückzieher zu machen?) und sich in den Fahrstuhl flüchtet und er, der, völlig überrumpelt, gar nicht weiß, was um ihn herum geschieht.

Langsam können sich Vater und Sohn mit der neuen Situation abfinden und beginnen eine Beziehung zueinander aufzubauen. War Ted zuvor ein typischer Workaholic und hat die Familie an zweite Stelle gesetzt, so muss er sich nun in seiner neuen Arbeitsstelle bewähren und sich außerdem viel mehr als gewöhnlich um Billy kümmern. Erst mit der Zeit spielen sich die beiden als Team ein und entwickeln ganz eigene Rituale. Die unglaubliche Chemie zwischen den beiden Darstellern ist wirklich einzigartig. Selten wurde eine Vater-Sohn-Beziehung so glaubhaft auf die Leinwand gebracht wie hier. Der kleine Henry James hat hier ganz große Arbeit geleistet und scheint eine wirklich tolle Verbindung zu seinem Film-Vater Dustin Hoffman zu haben. Insbesondere die Szene, in der Billy seine Grenzen austestet und sein Eis anstatt des richtigen Essens zum Abendbrot haben will, ist hervorragend gemacht – und wie ich im Nachhinein gelesen habe, völlig improvisiert gewesen. Hut ab!

Es vergeht über ein Jahr, bis Joanna auf einmal wieder auftaucht. Sie hat eine Therapie gemacht und ist nun zurückgekehrt, um ihren Sohn zu sehen. Ein Kampf um das Sorgerecht beginnt. Denn Ted weiss, dass in der Regel der Mutter die Vormundschaft zugesprochen wird. Zum Glück wird vor Gericht nicht allzu viel dreckige Wäsche gewaschen, sonst hätte es dem Film auch einen Abbruch getan.

Wie ich im Nachhinein gelesen habe, scheinen relativ viele Szenen, vor allem aber die, die wirklich wichtig waren, improvisiert gewesen zu sein: Sei es nun die bereits erwähnte Eis-Szene oder das erste Treffen Teds mit Joanna, das eine überraschende Wendung nimmt. Ohne diese Szenen wäre dem Film eindeutig etwas an Authentizität verloren gegangen. Ebenso ungewöhnlich ist, dass der ganze Film völlig ohne Hintergrundmusik auskommt. Nur ganz am Anfang, als der Film beginnt und die Namen der Schauspieler eingeblendet werden, hört man klassische Musik.

Einzig eine Sache hat mich an dem Film gestört, vielleicht war das aber Ende der 70er, als der Film gedreht wurde, nicht so üblich wie heute: Kein einziges Mal wird Billy von dem Richter oder einem Psychologen oder überhaupt irgendeinem Menschen gefragt, bei wem er denn eigentlich lieber leben würde. Aus heutiger Sicht ein fataler Fehler, schließlich soll es ja auch immer um das Wohl des Kindes gehen.

Fazit

Auch wenn der Film kleine Längen hat und durch das Fehlen der Musik anders ist, so sollte man diesen Streifen doch auch einmal gesehen haben – und wenn es nur deswegen ist, das völlige Gegenteil einer Scheidung Douglas gegen Turner zu sehen.

Carolin F. - myFanbase
01.06.2009

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