Bewertung
Jerry Zaks

Marvins Töchter

A story about the years that keep us apart... And the moments that bring us together.

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Inhalt

Seit zwanzig Jahren herrscht Funkstille zwischen den beiden Schwestern Bessie (Diane Keaton) und Lee (Meryl Streep). Während sich Bessie die ganze Zeit über aufopferungsvoll um den pflegebedürftigen Vater Marvin (Hume Cronyn) und die nach Seifenopern verrückte Tante Ruth (Gwen Verdon) kümmert, ist Lee weggezogen und damit beschäftigt, neben ihrem Abschluss als Kosmetikerin auch noch die Erziehung ihrer beiden Kinder Charlie (Hal Scardino) und Hank (Leonardo DiCaprio) unter einen Hut zu bringen. Vor allem mit dem rebellischen Hank hat sie große Probleme, der, nachdem er das Haus abgefackelt hat, in eine Nervenheilanstalt muss.

Dann erfährt Bessie plötzlich die Diagnose Leukämie – und ruft ihre Schwester als mögliche Knochenmarkspenderin an. Widerwillig fährt Lee mit ihren Kindern zu ihrer Familie. Langsam nähern sich die beiden Schwestern wieder an – und was noch erstaunlicher ist: Bessie scheint als einzige einen Draht zu Hank finden zu können. Dank ihrer Hilfe scheint dieser nun endlich auf den richtigen Weg zu kommen und nicht die ganze Zeit mit seiner Mutter zusammenzustoßen.

Kritik

Der Film "Marvins Töchter" ist keiner von diesen platten Streifen, sondern behandelt das Thema Tod und Pflege von Kranken sehr gefühlvoll. Die beiden Schwestern Bessie und Lee könnten verschiedener nicht sein: Bessie ist die graue Maus, die sich eigentlich immer nur um das Wohl ihrer Familie gekümmert hat und dabei ihr eigenes völlig in den Schatten stellt. Mit welcher Hingabe sie sich um ihren Vater und Tante Ruth kümmert, ist wirklich selten; aber auch etwas beängstigend. Wie kann ein Mensch sich und seine Bedürfnisse so weit nach hinten stellen?

Ganz im Gegensatz dazu ist ihre Schwester Lee. Sie ist vollauf mit ihrem Abschluss in Kosmetik beschäftigt und muss sich auch noch um ihre zwei Jungs kümmern. Von ihrem Mann verlassen trägt sie nun die ganze Last allein auf ihren Schultern. Sie ist flippig und modern und eigentlich könnte alles so gut laufen, würde Hank nicht ab und zu gehörig über die Stränge schlagen. Er ist schon öfters auffällig geworden und rebelliert in einem Zug gegen seine Mutter. So ist zum Beispiel das Haus abgebrannt, weil er die Fotos seiner Familie auf dem Teppichboden angezündet hat.

Als Lee nach zwanzig Jahren vor Bessies Haustür steht, wissen die beiden Schwestern nicht recht, wie sie miteinander umgehen sollen. Ein langsames Antasten der beiden beginnt, immer mal wieder ein, zwei Schritte nach vorn, aber auch immer mal wieder einen nach hinten. Die grosse Wende in der Geschichte der beiden liegt wohl in dem Moment, als Lee die Perücke ihrer Schwester von einem langweiligen Hausfrauenschnitt auf den neuesten, modischen Stand bringt.

Fast noch berührender ist aber die Entwicklung von Hank. Der Junge ist anfangs völlig orientierungslos und kann mit nichts und niemandem richtig etwas anfangen. Komischerweise ist es gerade Bessie, die er zuvor noch nie in seinem Leben gesehen hat, die einen Draht zu ihm findet. Annäherung und Abweisung wechseln sich auch bei den beiden häufig schnell ab, aber mit der Zeit begreift Hank, dass er seiner Tante vertrauen kann.

Doch ist der Film nicht nur traurig und zeigt die verschiedenen Beziehungen unter den Familienmitgliedern auf, ab und zu sind auch komische Momente eingebaut. So weiß jeder über die Lieblingsseifenoper von Tante Ruth Bescheid und diskutiert darüber. Auch wird Hanks zeitweiliger Aufenthaltsort, die Nervenanstalt, nicht als solche bezeichnet, sondern lieber als Klapsmühle oder Irrenhaus – um die Sache "mit mehr Humor zu nehmen" (Lee). Oder Bessie wacht in einem Bett auf, nachdem sie im Disneyland zusammengebrochen war, und erfährt, dass sie von Goofy ins Haus von Mickey getragen wurde. Diese lustigen Momente machen den Film nicht so bierernst, dass man vor Ernsthaftigkeit eine Halsstarre bekommt.

Zu guter letzt gibt es auch einige rührende Momente. So ist der ans Bett gefesselte und leicht verwirrte Marvin immer ganz glücklich, wenn Bessie mit einem Handspiegel das Licht an der Zimmerwand bricht. Die Freude, die seinen sonst so reglosen Körper erfüllt, ist wunderschön anzusehen.

Fazit

Dieser Film ist hervorragend gemacht. Er ist ernst, hat aber auch seine komischen Seiten, die ihn etwas auflockern. Die Darsteller überzeugen allesamt in ihren Rollen und ich muss sagen, dass es mich nicht wundert, dass Diane Keaton für ihre Leistung eine Oscar-Nominierung erhalten hat. Endlich mal ein Film, der berührt, einen aber nicht starr vor Angst macht.

Carolin F. - myFanbase
04.10.2008

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