Review: #7.08 Überraschungshochzeit
Das Ende von "30 Rock" naht und nur wenige Serien schaffen es, nach über sechs Jahren Laufzeit und mehr als 100 Episoden gerade vor dem Abgang noch einmal eine richtig gute Abschiedsvorstellung hinzulegen. Die meisten verlassen sich zu diesem Zeitpunkt doch eher auf Nostalgie für die guten alten Zeiten und oft kommt das Ende ja durchaus auch deshalb, weil den Schreibern so langsam die Ideen ausgehen. "30 Rock" hingegen hat nach einem deutlichen Hänger im Mittelteil der Serie in den letzten Jahren noch einmal richtig zugelegt. Vielleicht hat das damit zu tun, dass diese Comedy-Serie relativ wenig von richtiger Handlung abhängig ist, sondern viel mehr von seiner hohen Gag-Dichte lebt. Aber trotz aller Cartoonhaftigkeit und Witzen und Storylines, die mit der Realität meistens nicht viel zu tun haben, hat man es durchaus auch geschafft, den Charakteren wieder mehr Profil zu geben und daraus eben Humor zu gewinnen.
Denn obwohl alle Figuren, die hier in #7.08 My Whole Life is Thunder im Fokus stehen bereits ihre schwierigen Phasen durchlebten, in denen man als Zuschauer den Spaß an ihnen verlor, weil die Autoren es mit den Verrücktheiten zu weit trieben, ist man mittlerweile wieder an dem Punkt angekommen, dass sie alle genau richtig kalibriert sind zwischen völlig durchgeknallt und liebenswert amüsant. Mit einer Ausnahme vielleicht, denn Jack Donaghy ist der einzige Protagonist in "30 Rock", über den ich mich immer über all die Jahre hinweg köstlich amüsieren konnte. Und sein Part der heutigen Geschichte war so auch wieder einmal mein absolutes Highlight. Zusammen mit Jack verabschiedet sich die Serie und die Zuschauer nun auch von dessen kontrollsüchtiger und gemeiner Mutter Colleen, die hier einen ihrer würdigen Abgang erhält. Nicht nur war die ganze Sache von vorne bis hinten zum Schreien komisch(bei Jacks Bemerkung "She makes a point of traveling on Pearl Harbor Day to, and I quote, 'show the Emperor we're not afraid." lag ich beispielsweise am Boden vor Lachen), man hat auch noch einmal den Kern dieser so gestörten, aber irgendwie doch funktionierenden Mutter-Sohn-Beziehung präsentiert. Denn wie Jack in seiner Trauerrede am Ende anspricht, hat Colleen den Mann aus ihm gemacht, der er nun geworden ist. Und auch wenn Jack nun schon eine Weile in einer Art Sinneskrise nach seiner Scheidung und aufgrund seiner mangelnden beruflichen Perspektiven steckt (auf deren Auflösung am Ende der Serie ich mittlerweile wohl am meisten gespannt bin), so ist dies eine beachtliche Leistung. Unter Beweis gestellt wird das noch einmal durch dessen großartige Rede zu Ehren seiner Mutter, die zwar für den Zuschauer nur angedeutet wird, aber allein das Auftauchen von Kermit hat diesen Moment zu einem weiteren Höhepunkt dieser finalen Staffel gemacht. Ich habe wirklich schallend laut gelacht, als ein Gag den nächsten jagte.
Und das am Ende die geplant/spontane Überraschungshochzeit zwischen Jenna und Paul während dieser Trauerfeier abgehalten wurde, hat der Sache dann noch die Krone aufgesetzt. Die Beziehung dieses völlig durchgedrehten Paares befindet sich zwar meines Empfindens nach immer auf einen sehr dünnen Seil, zwischen köstlicher Unterhaltung und abstoßender Perversion, aber in letzter Zeit hat man da zumindest für mein Humorverständnis doch genau die richtige Balance getroffen. Zumal es hier auch eher um die Freundschaft zwischen Liz und Jenna ging. Der Konflikt dieser Freundinnen, der immer wieder zwischen Jennas Geltungssucht und Liz' recht normalen Bedürfnissen entsteht, war gelungen umgesetzt. Ich kann es nachvollziehen, dass Jenna wütend auf Liz ist, nicht bei deren Hochzeit dabei gewesen zu sein, wenn in ihre Wut natürlich auch noch tausend andere Diva-Gründe mit hineinspielen. Zwar lässt sich dieser Kernkonflikt nicht wirklich auflösen, aber den Mittelweg zu finden und Jenna aufgrund einer Emotionen fördernden Tablette ein wenig die Schuld eingestehen zu lassen, hat wunderbar funktioniert, zumal auch hier die Lacherdichte unheimlich hoch war. Ich mochte dabei vor allem die ganzen vorgeführten weiblichen Klischees während der Preisverleihung, bei der nur Frauen anwesend waren. Spätestens seit Tina Feys "Bossypants" ist sie in meinen Augen eine der wenigen, die solche Klischees gerne immer wieder aufs Tablett bringen kann, denn sie ist die letzte, die Frauen wirklich nach solchen abstrusen Vorurteilen beurteilen würde. Aber die Aneinanderreihung all dieser weiblichen Klischees, vom gemeinsamen aufs Klo gehen, über dem totalen Technikunverständnis (wobei man da ja auch anmerken muss, dass Liz da ja enorm heraus sticht, mit ihrem Fachwissen der Beleuchtung), bis hin zu all den auf den Punkt getroffenen Einwürfen der vielen anwesenden Frauen, war es eine gekonnte Spitze sowohl auf all die Anti-Feministen, aber auch auf Feministen selbst.
Und zu guter Letzt hat sogar Kenneth, der lange Zeit in meinen Augen als Charakter unerträglich war, eine sehr gelungene Geschichte hier erhalten. Denn nach dem Weggang von Hazel, den er Liz Lemon anlastet, ringt Kennett damit, dass er das Leben gerne mehr so hätte, wie er es aus dem Fernsehen kennt. Er wünscht sich die einfach Moral aus dem TV und die Tatsache, dass sich nichts wirklich verändert. Dabei nimmt sich "30 Rock" natürlich selber gehörig auf die Schippe und lernt dabei die ein oder andere Lektion vom anderen Kritikerliebling im NBC-Comedyblock, "Community", der sich ja auf solche Selbstreferenzen spezialisiert hat. Aber auch "30 Rock" versteht einiges von diesem speziellen Feld der Parodie und hat hier und um Kenneth eine gelungene Metareferenz geschaffen. Besonders das Ende des Ganzen, in der man den fehlenden Realismus der eigenen Show auf die Schippe nimmt, mitsamt dem obligatorischen Hinweis auf die niedrigen Quoten, war ein weiteres Highlight.
Damit kommt diese Folge von "30 Rock" also auf drei gelungene Handlungsstränge, jede einzelne von ihnen voller Höhepunkt. Die Witze waren zudem wieder einmal so zahlreich vertreten, dass man sie beim ersten Sehen alle gar nicht wahrnehmen kann (nur ein paar weitere kleine Highlights: Colleen ist überzeugt davon, dass der Tod ein Schwarzer sein muss, schließlich trage er ja eine Kapuzenjacke; Cece erkennt keine Zahlen über 40; Kenneth zu Tracy "You left crumbs on the floor so that the mice would spell out 'Come See Me?", der Hinweis auf Oprah Winfreys Allmacht, der Ganzkörperlatexpriester bei Jennas Hochzeit und noch vieles mehr). Dazu kommen zahlreiche kleine Cameo-Auftritte einiger Prominenter, Rebecca Mader soll Jack verführen ("Excuse me, I don't mean to bother you, but I'm a nymphomaniac virgin widow and I just completed my year of mourning. I've got a hotel room and a latex allergy, and I was just wondering what you were doing for the next 12-14 hours."), Florence Henderson, ihrerseits Fernsehlegende der "Brady-Family" soll Kenneth von seiner TV-Nostalgie heilen und das Publikum der Preisverleihung für Liz setzt sich aus zahlreichen prominenten New Yorker Journalistinnen zusammen. "30 Rock" bewegt sich wirklich mit beeindruckender Qualität auf das nahende Ende zu.
Cindy Scholz - myFanbase
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Informationen zur Episode
Englischer Titel: My Whole Life is ThunderErstausstrahlung (US): 06.12.2012
Erstausstrahlung (DE): 21.08.2015
Regie: Linda Mendoza
Drehbuch: Jack Burditt & Colleen McGuinnes
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