Heartstopper - Review Staffel 2

Foto:
Foto: Heartstopper - Copyright: 2023 Netflix, Inc.
Heartstopper
© 2023 Netflix, Inc.

'Die Herzen im Sturm erobert' – das ist wohl ein ziemlich treffendes Fazit zu der Debütstaffel der Jugendserie "Heartstopper", die vergangenen Frühling bei Netflix an den Start ging. Als ich damals intuitiv 'ja' zu dieser Serie gesagt habe, da kannte ich Alice Oseman noch nicht mal namentlich und dementsprechend hatte ich nicht wirklich eine Ahnung, was mich erwartet. Da die Serie mich aber so begeistert hat, ist Oseman in den vergangenen 18 Monaten wirklich enorm in mein Leben integriert worden, habe ich doch alle sechs Bücher in Romanform von ihr gelesen, die seitdem auf dem deutschen Buchmarkt erschienen sind. Bei diesen Werken konnte ich wie schon bei der Serie nur zu dem Ergebnis kommen: schade, dass es genau solche Romane nicht zu meiner Jugend gegeben hat, weil Oseman sich auf wirklich sensible Weise mit Themen auseinandersetzt, die die oft orientierungslosen Heranwachsenden interessieren. Die Graphic Novels habe ich dagegen bewusst nicht voraus gelesen, weil ich da der Serie ihren Raum lassen wollte, mich ganz unbefangen wieder zu begeistern (zumal ja ohnehin nur Charlie und Nicks Geschichte so konsequent erzählt und die anderen Figuren erst durch die Serie so richtig zum Leben erwachen). Hier findet ihr nun meine Einschätzung zu Staffel 2.

Externer Inhalt

An dieser Stelle ist Inhalt von einer anderen Website (z. B. YouTube, Twitter...) eingebunden. Beim Anzeigen werden deine Daten zu der entsprechenden Website übertragen.

Externe Inhalte immer anzeigen | Weitere Informationen

Die gute Nachricht ist, dass Staffel 2 in keiner Weise qualitativ zurücksteht, also erneut viele positive Gefühle auslöst. Gleichzeitig wird das Universum von "Heartstopper" noch einmal erweitert. Es gibt einige neue Figuren, es gibt neue Themen und vor allem werden noch mehr sensible Handlungsstränge behandelt, durch die sich manchmal auch eine gewisse Schwere über die Eindrücke legt. Gerade das fand ich für die zweite Staffel aber richtig, zumal ich eben durch Osemans Bücher weiß, dass sie sich nicht scheut dorthin zu gehen, wo es schmerzt und wo sich junge Menschen (aber natürlich auch ältere) unverstanden fühlen. Staffel 2 von "Heartstopper" macht also glücklich und traurig zugleich, aber bettet das in eine Freundesgruppe, die einem nur das Herz aufgehen lassen kann. So weiß man als Zuschauer*in, es mögen noch so viele Herausforderungen kommen, denn alle bringen schließlich ihr Seelenpäckchen mit, aber gemeinsam werden sie das schon hinkriegen. Nicht immer im ersten Versuch, aber irgendwann eben schon. Deswegen schenkt Staffel 2 vor allem Hoffnung.

Foto: Joe Locke & Kit Connor, Heartstopper - Copyright: 2023 Netflix, Inc.
Joe Locke & Kit Connor, Heartstopper
© 2023 Netflix, Inc.

Das Herz der Serie sind Charlie (Joe Locke) und Nick (Kit Connor) und sie haben eine wirklich tolle Staffel geschrieben bekommen, die sowohl die jeweiligen Figuren noch besser erklärt als auch den beiden Jungschauspielern wieder eine Grundlage für ganz, ganz tolles Schauspiel liefert. Die Gegensätze zwischen Charlie und Nick sind wirklich groß und das eben nicht nur in ihren Persönlichkeiten, sondern auch in ihren Lebensumständen und wie sie jeweils ihr eigenes Selbst entdecken. Von Charlie wussten wir schon, dass sein Coming-Out für eine wirklich dunkle Phase gesorgt hat, die dann Ben (Sebastian Croft) auf seine Art auch noch ausgenutzt hat. Diesmal wurde aber ergänzt, dass das Coming-Out nicht auf freiwilliger Basis erfolgt ist. Charlie mag schon sehr lange gewusst haben, dass er schwul ist, aber ein unbedachtes Gespräch zwischen Tao (William Gao) und Isaac (Tobie Donovan) hat sein Leben von heute auf morgen geändert und das nicht unbedingt zum Besseren hin, auch wenn er endlich er selbst sein konnte. Diese Staffel führt uns vor Augen, dass Charlie ein sehr romantisches Wesen ist, das an sein Outing wahrscheinlich auch gewisse Hoffnungen geknüpft hat, die dann aber geplatzt sind. Nun hat er Nick an seiner Seite und kann sich seiner Gefühle sicher sein, aber bis auf den engsten Freundeskreis und Nicks Mutter Sarah (Olivia Colman) weiß niemand davon. Während sich Nick für seinen Teil natürlich eigene Gedanken macht, merkt man Charlie überdeutlich an, dass er auch hierfür ideale Vorstellungen entwickelt. Er will keinen Druck auf seinen Freund aufbauen, aber er hat einen klaren Wunsch, er hat Träume in Bezug auf Paris, auf den Abschlussball, doch je öfters Nick gewisse Gelegenheiten auslässt, desto mehr setzt sich in Charlie etwas fest. Man sieht ihn immer noch strahlen, er ist immer noch bis über beide Ohren verliebt, aber die Dämonen lauern unter der Oberfläche und warten nur auf die ideale Gelegenheit. Deswegen fand ich es auch so passend, dass Charlies ältere Schwester Tori (Jenny Walser) eine etwas größere Präsenz in dieser Staffel darstellte. Sie ist die Einzige, die wirklich Charlies ganzes Seelenleben kennt. Sie hat ständig ein Auge auf ihn, mal sagt sie was, mal gibt sie Nick den eindringlichen Hinweis, auf ihren Bruder aufzupassen. Man merkt ihr überdeutlich an, dass sie genau ahnt, was in ihrem Bruder vorgeht, aber sie mischt sich nicht auf eine Art und Weise an, die Charlie entmündigen würde. Die beiden Geschwister hatten in Staffel 1 schon einen wunderschönen Moment und es ist nur konsequent, in Staffel 2 weiter zu betonen, wie eng sie miteinander verbunden sind.

Nick hat solche Dämonen in diesem Ausmaß nicht, aber auch bei ihm wird mehr ergründet, dass er als ehemals beliebtester Schüler kein Bilderbuchleben hat. Familie Nelson wird nämlich um Bruder David (Jack Barton) und Vater Stephane (Thibault de Montalembert) erweitert und uh, war das ein Stück Arbeit. Nick steckt immer noch in dem Dilemma, wie und ob er sich outet. Zwar hat er bei Imogen (Rhea Norwood) die denkbar beste Reaktion erhalten, aber das Verhältnis zu Bruder und Vater ist schwer belastet. Der eine drückt ihm ständig Sprüche, der andere ist nie da. Umso dankbarer dürfen wir alle für Sarah sein, bei der wir jetzt umso sicherer wissen, dass sie maßgeblich dafür verantwortlich ist, dass aus Nick so ein toller junger Mann geworden ist. Auch wenn er in dieser Staffel wirklich sehr damit beschäftigt ist, immer wieder neu zu überlegen, wem er sich anvertraut, so hat Nick aber keine Scheuklappen auf, sondern schaut immer empathisch nach rechts und links. So kann sich das Verhältnis zu Tao langsam aber sicher verbessern, denn am Ende des Tages teilen sie auch ihre Wertschätzung für Charlie, da kann er ein Auge auf Imogen haben, die sich auf Ben eingelassen hat. Da kann er auch für Tara (Corinna Brown) da sein und da sieht er vor allem, wie Charlie immer weniger isst. Dennoch ist dieses aufeinander Acht geben nicht einseitig, denn wenn die große Zusammenführung der Spring und Nelsons ansteht, da weiß Charlie, dass der Abend für Nick wichtig ist und er ist trotz seiner eigenen Sorgen für ihn da. Die beiden ergänzen sich in dieser Staffel an so vielen wichtigen Aspekten, weswegen sie sich an vielen Stellen auch schon vor dem Fall auffangen können. Deswegen werden uns auch so viele alberne, unbeschwerte und rosarot verliebte Momente geschenkt und man muss einfach grinsen, weil die Chemie stets überspringt. Dennoch wird Charlies Essstörung noch ein großes Thema bleiben, das ist klar. Bislang ist es schon sensibel angegangen worden und es ist wichtig, dass sich Charlie auch schon stellenweise öffnen konnte, weil das belegt, dass er sich helfen lassen will.

Partnerlinks zu Amazon

Da ich Ben und David schon angesprochen habe, fällt mir auch ein Aspekt ein, den ich sehr gut fand. Beide nehmen die Funktion ein, dass sie für Unruhe sorgen, dennoch sind sie nicht einfach in die Antagonisten-Schublade gepackt. Es werden Ansätze gezeigt, um beide besser verstehen zu können. Bei Ben eben das Unverständnis der Eltern, weswegen er so verzweifelt dennoch das Innere auszuleben versucht, ohne dabei zu bemerken, was er beim Gegenüber anrichtet und bei David, dass er unter der Missachtung des Vaters leidet. Die Produktion ist an Schwarz-Weiß-Darstellungen nicht interessiert. Viel wichtiger ist aber noch, dass diesen Figuren dadurch nicht einfach die Absolution erteilt wird. Man kann sie verstehen, ja, aber sie sind dennoch für ihr Verhalten selbst verantwortlich. Ben kann da Charlie eine Entschuldigung vorbringen, aber dieser hat dennoch die freie Entscheidung, ihm nicht einfach zu verzeihen und zu vergessen. David kann noch so das männliche Vorbild in seinem Leben vermissen, aber Tori lässt ihm das auch nicht einfach durchgehen, weil er nicht nur Nick dafür vor den Bulldozer zerrt, sondern genauso Charlie. Großen Worten müssen eben dementsprechend auch die Taten folgen.

Foto: Will Gao & Yasmin Finney, Heartstopper - Copyright: 2023 Netflix, Inc.
Will Gao & Yasmin Finney, Heartstopper
© 2023 Netflix, Inc.

Ansonsten haben wir natürlich vor allem noch die beiden Pärchen Tao und Elle (Yasmin Finney) und Tara und Darcy (Kizzy Edgell), aber auch Isaac sowie Mr. Ajayi mit Neuzugang Mr. Farouk (Nima Taleghani) prägen das Geschehen. Mich hat besonders die verbesserte Einbindung von Isaac begeistert. Ich liebe es weiterhin, wie er seine Nase in jeder Minute in ein Buch gesteckt hat. Kein Wunder, dass mich da besonders der Moment in der Bücherei in Paris begeistert hat, als der Bücherstapel bei ihm nur noch immer größer wurde. Aber nicht nur die Bücher sind seine Welt, sondern eben auch seine Freunde und man merkt, je mehr diese ihr privates Beziehungsglück finden, desto mehr fühlt er sich unter Druck gesetzt. Aber eben nicht von seinen Freunden, sondern von der Gesellschaft allgemein, weil sich Isaac so die Frage stellt, warum fühle ich sowas nicht? Mit James (Bradley Riches) haben wir eine Figur, die wie Charlie schon länger als schwul geoutet ist und die an Isaac deutliches Interesse zeigt. Dieser lässt sich darauf zwar ein, fühlt aber nichts. Ich kann kam beschreiben, wie begeistert ich über diese Storyline bin und verweise dabei gleich auf "Loveless" (Buch bei Amazon bestellen), mein liebstes Buch von Oseman, das sich mit dem Thema Asexualität beschäftigt und deswegen auch schon ausgezeichnet wurde. Zwar geht es in dem Buch nicht um Isaac, aber da wahrscheinlich nicht alles von Oseman jetzt einfach von Netflix adaptiert wird, finde ich es genial, dass dieses wichtige Thema, das man in seinem Spektrum sonst kaum wo behandelt sieht, in "Heartstopper" aufgreift. Es sind nur Ansätze, aber eine dritte Staffel ist schließlich schon bestellt, da kann also noch mehr kommen und Isaac hat es allemal verdient. Dass aber die beiden Lehrer auch so eine kleine Geschichte bekommen, das hat mich überrascht. Es war aber angenehm charmant-lustig und unaufdringlich gestaltet. Ich hätte es nämlich schade gefunden, wenn dafür Erzählzeit für andere Themen verloren gegangen wäre.

Tao, Tao, Tao. Er ist wohl die Figur, die am zuverlässigsten meine Nerven strapaziert. Bei ihm muss ich auch ein wenig an das Argument in Bezug auf Ben und David denken, denn der Verlust seines Vaters darf auch hier nicht alles entschuldigen und Tao ist wirklich manchmal sehr verurteilend. Aber für seine Freunde ist er wirklich treu und bei seinem Umgang mit Ellen erlebt man auch am meisten mit, wie unsicher er doch eigentlich ist, weswegen ich dieser Liebesgeschichte auch etwas abgewinnen kann. Dennoch mag ich Elle viel, viel lieber und ich fand das Thema Kunstschule bei ihr sehr passend, denn sie hat wegen ihrer Identität lange suchen muss und es ist schön, dass sie sich bei ihrem beruflichen Werdegang wirklich das nimmt, was sie will. Ihr Bild war auch wunderschön, herzallerliebst! Auch bei Darcy und Tara gibt es diesmal dunkle Wolken und ich war schon auch überrascht, als uns enthüllt wurde, was Darcy zuhause durchmacht. Sie ist da nicht groß anders als Ben, aber wenn man sich die beiden Figuren im Vergleich ansieht, der Unterschied könnte nicht größer sein. Bei Darcy kann man dann auch die Verwendung der grafischen Elemente wieder lobend hervorheben, denn rund um ihr Elternhaus wabern dunkle violette Massen. Ähnlich wurden bei Charlie verdunkelnde Elemente genutzt, um seine seelische Einengung abzubilden. Während auch die Höhepunkte weiterhin durch schöne Bilder unterstützt werden, die Tiefen werden genauso sinnbildlich eindrücklich eingefangen. Am Ende war ich dann auch froh, dass Darcy sich öffnen konnte, denn in Tara hat sie schließlich eine bedingungslose Unterstützung gefunden. Zuletzt will ich auch den Parisaufenthalt noch erwähnen. Ich war selbst zweimal in unterschiedlichen Klassenverbänden in Paris und ich fand es wirklich sehr gut und authentisch abgebildet. Die drei Episoden dazu haben jedenfalls die Laune zusätzlich angehoben, weil es so vertraut wirkte.

Fazit

"Heartstopper" begeistert mich auch in Staffel 2 erneut, vielleicht sogar noch ein Fitzelchen mehr. Man wächst schließlich mit den Figuren noch enger zusammen und kann auch die zunehmend belastenden Themen intensiv mitleiden. Leichtigkeit bleibt dennoch immer erhalten und das lieg im Zentralen weiterhin an Charlie und Nick, eine wirklich authentische Liebesgeschichte, die sich einfach ins Herz schleicht, um dort zu bleiben.

Die Serie "Heartstopper" ansehen:

Lena Donth – myFanbase

Zur "Heartstopper"-Reviewübersicht

Kommentare